Hoeneß will bei Real nicht zum Schaulaufen antreten
Für die außergewöhnliche Reise zu den Königlichen gilt: „Wenn eine Chance für uns daliegt, müssen wir sie ergreifen“, sagt der VfB-Trainer.
Von Heiko Hinrichsen
Stuttgart - Wenn an diesem Dienstagabend im Estadio Santiago Bernabéu zu Madrid vor 81 044 Fans die Flutlichter angehen, dann weiß VfB-Stürmer Deniz Undav genau, was ihn und seine Mitspieler auf dem Rasen erwartet. Denn in der Innenverteidigung der Königlichen lauert etwa ein ausgeruhter Antonio Rüdiger. Der Ex-Stuttgarter, der von 2012 bis 2015 unter andrem 66 Bundesliga-Partien für die Cannstatter absolvierte, hat ja anders als Undav zuletzt auf die Länderspiele des DFB-Teams gegen Ungarn sowie in Amsterdam gegen die Niederlande verzichtet. Jetzt kommt es für Rüdiger daheim zum Duell mit dem Ex-Club.
„Ich muss da jetzt nicht vor dem Anpfiff auf Kuschelkurs gehen“, sagt Undav über sein Verhältnis zu Rüdiger, mit dem er bei der Nationalelf ja bereits im Training so seine Erfahrungen gemacht hat: „Ich weiß, was für ein ekliger Verteidiger der Toni sein kann, wenn er im Zweikampf auch mal ein bisschen am Kneifen ist“, sagt der VfB-Stürmer mit einem Schmunzeln: „Aber das gehört ja dazu.“
Will der VfB beim Titelverteidiger zum Auftakt seiner Champions-League-Reise über die acht Stationen der Ligaphase bestehen, will er sogar Zählbares mitnehmen, muss allerdings nicht nur Undav an Rüdiger vorbei. „Wir müssen mit klarem Kopf reingehen und wissen, dass wir auch bei Real eine Chance haben“, sagt Undav vor dem Duell mit den Blancos, die am Samstag Real Sociedad San Sebastian durch Tore von Vinicius Junior und Kylian Mbappé (jeweils per Elfmeter) mit 2:0 besiegt haben. „Natürlich ist Real eine Übermannschaft, hat riesiges individuelles Potenzial“, ergänzt der 28-Jährige: „Aber mit einer Topleistung der gesamten Mannschaft ist für uns immer etwas drin.“ Sieben englische Wochen wird es für den VfB bis Weihnachten noch geben, dazu kommen je ein Länderspielblock im Oktober und im November, in dem viele VfB-Profis ebenfalls nicht da sind. Da muss mit den Kräften gehaushaltet werden, müssen die Prioritäten klar gesetzt sein. Einen ersten Einblick in den Reisestress eines Champions-League-Teams gewinnt der Vizemeister dieser Tage:
Da ging es am Samstagabend gleich nach Abpfiff der Bundesliga-Partie von dem Regionalflughafen Mönchengladbach in einer Chartermaschine heim – ehe man an diesem Montag bereits in Richtung der spanischen Hauptstadt abhebt.
Sebastian Hoeneß schnaufte nach dem 3:1-Erfolg im Borussia-Park erst mal durch. „Es war wichtig, sich erfolgreich auf das Spiel in Gladbach zu fokussieren. Auch, weil dieser Sieg uns für die Partie in Madrid helfen wird“, sagte der Stuttgarter Trainer. Der Erfolg nimmt Druck vom Bundesliga-Alltag.
Jetzt folgt der Trip nach Madrid, der die Fans seit Wochen elektrisiert. Vier Sonderflieger hat allein der harte Kern der Fanszene gechartert – mehr waren nicht verfügbar. Dazu gesellen sich die VIPs in den offiziellen Angeboten des Vereins und jede Menge Individualreisende. Fünf Prozent der Stadionkapazität, also rund 4000 Karten, stehen dem VfB offiziell zu. Erwartet werden aber bis zu 15 000 Stuttgarter in Madrid.
Trainer Hoeneß setzt neben dem außergewöhnlichen Erlebnis vor allem auf das bestmögliche Ergebnis, will im Bernabéu nicht zum Schaulaufen antreten. „Ich freue mich extrem auf die Aufgabe gegen einen Club, der ein Mythos ist. Es ist etwas Einmaliges und Großartiges für den gesamten Club. Es ist aber keine Kür, weil das bedeuten würde, dass es egal ist, wie es ausgeht“, sagte er: „Das ist es aber nicht. Wenn eine Chance für uns daliegt, dann wollen wir sie ergreifen.“