Hoffnung auf mehr Wohnraum für Bedürftige im Kreis
Vor rund vier Jahren hat die Caritas Ludwigsburg/Waiblingen/Enz ihr Projekt Türöffner ins Leben gerufen, über das sie Wohnraum anmietet und Bedürftigen ein Angebot machen kann. Die Mietobergrenzen im Kreis waren bisher vergleichsweise niedrig. Nun sind sie angehoben.

Immer wieder gelingt es, ursprünglich indirekte Mietverhältnisse in direkte umzuwandeln.. Symbolfoto: Pexels/Pixabay
Von Christine Schick
Rems-Murr. „Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern hat uns gesagt, dass wir ihr letzter Rettungsanker waren“, erinnert sich Roswitha Bodenhöfer. Ohne die Perspektive auf eine Wohnung seien ihre Kinder untergebracht worden. Ellen Eichhorn-Wenz stellt fest, dass „die Sorge, kein Dach über dem Kopf zu haben, eine existenzielle Bedrohung und kaum zu ermessen“ ist. „Die Angst vor Wohnungslosigkeit bindet unglaublich viel Kraft“, sagt sie. Kraft, die dann beispielsweise für die Integration oder andere Lebensaufgaben nicht mehr zur Verfügung steht. Bei Ellen Eichhorn-Wenz und Roswitha Bodenhöfer von der Caritas Ludwigsburg/Waiblingen/Enz laufen die Fäden für die Wohnraumoffensive Türöffner in den Kreisen Rems-Murr und Ludwigsburg zusammen. Die Anfänge des Projekts liegen schon rund vier Jahre zurück, als die Diözese Rottenburg-Stuttgart entschied, es zu fördern. „Das war für uns ein ganz neues Gebiet“, sagt Ellen Eichhorn-Wenz, die neben der Wohnraumoffensive auch den Bereich Ehrenamt und Gemeindecaritas verantwortet. Unterschätzt habe man zu Anfang den Aufwand für die Kommunikation, der angesichts der vielen Beteiligten enorm sei – angefangen von Vermieter und Mieter über Handwerker und Hausverwaltungen bis hin zu Jobcenter und Ausländerbehörde.
Zu den Grundzügen so viel: Die Caritas hat es sich beim Projekt Türöffner zum Ziel gemacht, Eigentümerinnen und Eigentümer zu finden, um Wohnungen bis hin zu Häusern anmieten zu können. So ist sie in der Lage, diesen Wohnraum an Bedürftige weiterzuvermieten, die auf dem normalen Wohnungsmarkt so gut wie keine Chancen haben, wie beispielsweise Flüchtlinge, Alleinerziehende oder größere Familien mit knappem Budget. Die Mieterinnen und Mieter betreut sie außerdem mit Blick auf die Wohnung und beseitigt in bestimmtem Rahmen auch mögliche Schäden. Diese Leistungen im Rahmen des Projekts seien für Eigentümer quasi eine Rundumversorgung. Nicht wenige hätten schlechte Erfahrungen gemacht. Die beiden Projektverantwortlichen haben Verständnis dafür, dass für ältere Menschen in Bezug auf die (spätere) Pflege die Mieteinnahmen wichtig seien und eine gewisse Höhe haben müssten. Gleichzeitig berichten sie, dass die Wohnungsnot in allen Beratungsstellen sehr präsent ist. Das Programm Türöffner ist für Menschen konzipiert, die von akutem Wohnungsverlust bedroht beziehungsweise von einer prekären Wohnungssituation betroffen sind. Ein Problem, das in der Mittelschicht angekommen ist, so Eichhorn-Wenz. Dieses Engagement stehe der Kirche gut zu Gesicht, „damit wird sie sichtbar und positioniert sich bei einem gesellschaftspolitischen Megathema“. Im Zentrum steht, den Leerstand zu bekämpfen. Nicht neu bauen und Fläche versiegeln zu müssen ist nachhaltiger, so die Überlegung.
Über das Projekt hat die Caritas 75 Wohnungen angemietet
Wie sieht es mit den konkreten Zahlen aus? Über das Projekt hat die Caritas zurzeit 75 Wohnungen in den beiden Landkreisen angemietet. Im Rems-Murr-Kreis sind es allerdings bisher deutlich weniger, nämlich zwölf. „Wir haben zwei neue Angebote dazubekommen“, sagt Ellen Eichhorn-Wenz. „Insgesamt sind es aber im Kreis Ludwigsburg sehr viel mehr.“ Grund für den Unterschied sind laut den zwei Fachfrauen die sogenannten Mietobergrenzen. Diese seien im Rems-Murr-Kreis im Vergleich zum Nachbarkreis, der teils genauso nahe am hochpreisigen Stuttgart liegt, viel niedriger angesetzt gewesen. Insofern freuen sie sich sehr, dass das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises besagte Mietobergrenzen zu Jahresbeginn angehoben hat. Dabei handelt es sich um den Betrag, der von öffentlicher Hand für die Miete – je nach Kommune – übernommen wird, wenn die Mieterinnen und Mieter Transferleistungen wie beispielsweise Grundsicherung erhalten. Er lässt sich nicht mit dem Mietspiegel vergleichen, trotzdem hilft die Erhöhung. Wenn sich nun beispielsweise jemand aus Backnang als Vermieter meldet, liegt der maximale Betrag für einen Fünfpersonenhaushalt bei rund 1200 Euro Bruttokaltmiete, was ungefähr 300 Euro mehr als früher bedeutet. Das ist, auch wenn dabei noch zehn Prozent für Reparaturen und die Begleitung der Caritas abzuziehen sind, eine bessere Ausgangslage für Verhandlungen. Zum Vergleich: In Murrhardt bewegt sich dieser Wert für einen Vierpersonenhaushalt und 90 Quadratmeter nun bei etwa 925 Euro.
Jetzt hofft die Caritas, dass sich mehr Mietoptionen auftun. In Murrhardt hatte sie das Programm im Juni 2019 vorgestellt, konnte aber bisher keinen Vertrag mit Interessenten schließen, angesichts der insgesamt zwölf Objekte im ganzen Kreis nicht erstaunlich.
Menschen, die aus anderen Ländern kommen, bekommen alle wichtigen Infos an die Hand
Wie bewerten die beiden Hauptverantwortlichen die bisherige Arbeit insgesamt? Aus Sicht von Ellen Eichhorn-Wenz und Roswitha Bodenhöfer steht das Projekt sehr gut da. In einigen Fällen sei es gelungen, die ursprünglich indirekten Mietverhältnisse in direkte umzuwandeln. Trotzdem betreue man die beiden Parteien – Mieter und Vermieter – noch weiter. In Bezug auf die 75 Wohnungen und 5000 vermieteten Quadratmeter in den beiden Landkreisen gibt es bisher auch noch keinen verunglückten Fall, sprich Problemfall, berichtet Ellen Eichhorn-Wenz. Dabei dürfte vor allem die intensive sozialpädagogische Begleitung der Mieterinnen und Mieter ausschlaggebend sein. „Bei uns kann man richtig viel lernen“, sagt Ellen Eichhorn-Wenz. Menschen, die beispielsweise aus anderen Ländern kommen oder länger nicht mehr in einem regulären Mietverhältnis standen, bekommen alle wichtigen Infos an die Hand – vom Stoßlüften übers Sparen beim Heizen bei gleichzeitigem Beachten von Schimmelgefahr bis hin zu Mülltrennung und Kehrwoche. Umgekehrt heißt es, darauf zu achten, dass bei der Wohnung die Grundausstattung stimmt und es in puncto Energieeffizienz keine Ausreißer gibt. „Prekären Wohnraum beispielsweise mit Problemen wie Feuchtigkeit oder Schimmel mieten wir nicht an.“ Das gilt genauso für eine größere Wohnung, bei der auf die Vermietung einzelner Zimmer spekuliert wird.
Es ist leicht vorstellbar, dass das Team vor enorm vielen Bedürftigen steht. Wie wählen die Verantwortlichen also aus? Es kommt dabei ein mehrstufiger Prozess zum Tragen. Die vielen Partnerorganisationen werden bei einem neuen Mietobjekt per Exposé informiert und melden ihrerseits Eckdaten zu Interessenten zurück. Diese Bewerbungen werden nach einer Kriterienliste mit Punkten wie Dringlichkeit, Kindeswohl und Eigentümerwünschen abgeglichen. In der Regel werden fünf Priorisierte eingeladen. „Wir bilden uns so einen ersten Eindruck“, sagt Roswitha Bodenhöfer. In einem zweiten Schritt erfolgt die Wohnungsbesichtigung, unter Umständen mit den Eigentümern. Das Vertrauen, das sie sich so erarbeiten, ist das künftige Kapital. „Mund-zu-Mund-Propaganda ist auch wichtig für uns“, sagt Roswitha Bodenhöfer.

© Pressefotografie Alexander Beche
Foto: Alexander Becher

Projekt Bei der Offensive Türöffner vermitteln Caritas und Diakonie Wohnungen von privaten Vermieterinnen und Vermietern an Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen, die auf dem freien Wohnungsmarkt schlechte Chancen haben. Die Wohnraumoffensive möchte mit der Unterstützung der katholischen Kirchengemeinden im Rems-Murr-Kreis und im Landkreis Ludwigsburg Wohnraum akquirieren und diesen an Bedürftige vermieten. Dies können Menschen sein, die unter anderem von Wohnungslosigkeit bedroht sind, ein Kind oder mehrere Kinder alleine erziehen müssen oder Fluchterfahrungen durchleben mussten. Türöffner wird von sieben Kommunen, unter ihnen auch die Stadt Murrhardt, vom Sozialministerium sowie weiteren Partnern unterstützt. Ausführliche Informationen finden sich im Netz unter der Adresse www.tueroeffner-rm.de.
Leistungen Die Caritas schließt einen Mietvertrag mit dem Besitzer der Immobilie ab und vermietet diese dann. Sie übernimmt die Suche nach passenden Mietern, garantiert regelmäßige Mietzahlungen, verwaltet die Wohnung, beseitigt Schäden an der Immobilie und ist Ansprechpartner für Mieter und Vermieter. Ein Sozialarbeiter schaut nach dem Rechten und berät die Bewohner zum Beispiel in Behördenangelegenheiten oder auch bei alltäglichen Knackpunkten wie Kehrwoche, Mülltrennung oder Lärmbelästigung. Zudem müssen die Mieter eine Haftpflichtversicherung abschließen. „Wir bieten einen Rundumservice in Vermietungsfragen“, sagt Ellen Eichhorn-Wenz. Als Honorar gehen zehn Prozent der Kaltmiete an die Caritas.
Kontakt Wer sich vorstellen kann, als Eigentümerin oder Eigentümer zu vermieten, kann sich an die beiden folgenden Verantwortlichen wenden: Ellen Eichhorn-Wenz, mobil 0171/7067078, E-Mail eichhorn-wenz@caritas-ludwigsburg-waiblingen-enz.de, und Roswitha Bodenhöfer, mobil 0151/70901246 und E-Mail bodenhoefer.r@caritas-ludwigsburg-waiblingen-enz.de.