Spiegelbergs Bürgermeister Uwe Bossert vor dem Ruhestand: „Ich habe versucht, alles herauszuholen“
Interview Uwe Bossert wird morgen nach über 23 Jahren im Amt des Spiegelberger Bürgermeisters in den Ruhestand verabschiedet. Er geht mit gemischten Gefühlen und dem Wissen, viel für den Ort erreicht zu haben. „Ich habe es als Pflicht gesehen, nach Fördertöpfen zu schauen.“
Sie haben vor einem Jahr bekannt gegeben, dass Sie Ihr Amt als Bürgermeister ein halbes Jahr vor Ablauf Ihrer dritten Amtszeit niederlegen werden. Im Nachhinein betrachtet: War es eine gute Entscheidung, diese Strategie zu wählen?
Ich habe mehrfach erklärt, warum ich das so gemacht habe, und sehe es immer noch als richtig an, wie ich es gemacht habe. Ich habe die Entscheidung getroffen, um einen geordneten Übergang hinzubekommen, bis im nächsten Jahr auch ein neuer Gemeinderat gewählt wird. Da wird es sicherlich einen größeren Wechsel im Gremium geben. Dass es die richtige Entscheidung war, haben viele mir gegenüber so signalisiert. Es gab schöne Reaktionen vonseiten der Bürger. Viele Leute haben gesagt: Das geht nicht, Sie müssen weitermachen. Sie hatten dennoch großes Verständnis dafür, dass man irgendwann sagt, es ist so, wie es ist, und es ist gut. Es gibt ein Leben nach dem aktiven Bürgermeisterdasein. Ich gehe nicht nur mit einem lachenden und nicht nur mit einem weinenden Auge, sondern mit gemischten Gefühlen. Aber ich freue mich jetzt darauf, dass ich am ersten November die Rathausschlüssel übergebe.
Wie war das Jahr des Abschiednehmens? Besonders anstrengend?
Ich würde es nicht als anstrengend bezeichnen. Es war ein sehr, sehr spannendes Jahr, in dem ich noch einiges in die Wege leiten beziehungsweise zum Abschluss bringen konnte. Trotz des Abschiednehmens war es doch insgesamt nicht mit viel Wehmut begleitet. In den letzten Tage kommt das natürlich ein bisschen in einem hoch. Aber es war ein Jahr des normalen Weiterarbeitens.
Was haben Sie zum Abschluss gebracht? Die Breitbandprojekte? Die Ortsdurchfahrt?
Breitband ist nicht zum Abschluss gebracht, weil bei dem einen Projekt, dem IKZ Stocksberg, der Schlussverwendungsnachweis jetzt erst eingereicht wurde und die Prüfung nochmals sechs Monate dauert. Beim IKZ Aspach liegt die Federführung bei der Gemeinde Aspach und man muss sehen, wie es weitergeht. Die Ortsdurchfahrt ist abgerechnet. Die Neuantragstellung für das Sanierungsgebiet Ortsmitte zwei hat im letzten Jahr nicht geklappt, da sind wir nicht berücksichtigt worden. Aber den Antrag habe ich rechtzeitig nochmals eingereicht, damit wir in eine weitere Runde gehen können. Ich hoffe, dass Spiegelberg im Frühjahr den Zuschlag bekommt. Das zweite Gebiet ist Voraussetzung dafür, dass in den nächsten Jahren wieder die eine oder andere Investition getätigt werden kann.
Sie haben in der Vergangenheit öfter die Aussage zitiert: „Kommune ist nie fertig.“ Was hinterlassen Sie unfertig?
Ich komme aus dem Enzkreis. Das hat einmal der dortige Landrat Burckhart in einer Sitzung im Wiersheimer Rathaus gesagt: Kommune ist nie fertig. Und das ist auch so. Es geht nicht, dass jedes Projekt zum Tag X zum Abschluss gebracht wird. Was zum Beispiel leider nicht mehr in meiner Amtszeit übergeben werden kann, ist das Wasserwerk Senzenbachtal, das für Spiegelberg eine gewaltige Investition von 1,5 Millionen Euro im ersten Bauabschnitt war. Das hat sich unwahrscheinlich gezogen wegen Firmen, die zu spät gekommen sind, wegen Materialmangels insbesondere beim elektrotechnischen Leitsystem. Ich hätte das gerne noch eingeweiht, aber es ist nicht in meiner Macht gestanden. Diese ganzen Verzögerungen in den letzten zwei Jahren liegen nicht in meiner Hand, sondern es liegt an der gesamten momentanen Struktur.
Die Zeiten sind aktuell herausfordernd. Sind Sie froh, das alles künftig nicht mehr aus der Perspektive des Bürgermeisters betrachten zu müssen?
Da bin ich schon froh darüber. Ich habe in meiner Laufbahn einige Krisen durchleben dürfen. Die letzten Jahre waren sehr stark geprägt von der Krisenbewältigung. Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Corona, dann noch Flüchtlingsproblematik. Der Fachkräftemangel, ein Riesenthema. Die letzten Jahre waren Krisenmanagement noch und nöcher. Währenddessen haben wir trotzdem unsere normalen Aufgaben wie Investitionen und Baumaßnahmen umgesetzt. Das Tagesgeschäft sowieso. Es werden immer mehr Aufgaben von oben nach unten verlagert. Die Basis soll es richten. Die Basis richtet es ja immer noch. Irgendwann kann es die Basis aber nicht mehr, wenn sie kein Personal dafür hat oder die Finanzausstattung nicht gegeben ist. Das ist das große Problem, da muss man ansetzen.
In Ihren 23 Jahren als Bürgermeister haben Sie viele Spuren in Spiegelberg hinterlassen, zum Beispiel die Sanierung der Ortsdurchfahrt. Durch Ihre Initiative hat die Gemeinde mit dem Bikemarathon eine jährliche, überregional bekannte Großveranstaltung bekommen. Der Kulturbuckel in Großhöchberg wäre ohne Ihre Unterstützung heute nicht das, was er geworden ist. Und aufgrund der Vielzahl der Fördergelder, die Sie nach Spiegelberg gebracht haben, hätten Sie den Spitznamen „Mister ELR“ oder Ähnliches verdient. Sind Sie stolz auf das, was Sie für die Gemeinde geleistet haben?
Ich habe hier meinen Job gemacht. Ich habe versucht, alles, was möglich ist, für die Gemeinde herauszuholen. Ich denke, das ist gelungen – dank der Fördertöpfe. Im ELR-Bereich waren wir früh unterwegs: 2002 das erste kommunale Projekt mit dem Dorfgemeinschaftshaus in Großhöchberg. Seitdem sind insgesamt 58 Anträge auf ELR gestellt worden, wovon 52 bewilligt wurden – mit einem Zuschussvolumen von 1,4 Millionen Euro. Man kann davon ausgehen, dass zirka das Zehnfache investiert wurde. Das hat dazu geführt, dass wir auch die kleinen Ortsteile gestärkt haben. Die Einwohnerzahlen in den kleinen Ortsteilen sind konstant oder gehen sogar nach oben, weil man dank dieses Programms und der daraus resultierenden Investitionen vor Ort etwas für das Dorfleben tut. Ich habe es als meine Pflicht angesehen, nach solchen Töpfen zu schauen und sie anzuzapfen. In der Sanierung wurden wir 2005 nach dreimaliger Antragstellung ins Landessanierungsprogramm aufgenommen. Da spielte die Geschichte mit rein, dass wir mit dem Land Baden-Württemberg die Ortsdurchfahrt sanieren wollten. Inklusive der gleichzeitig erfolgten Freiflächengestaltung, den barrierefreien Bushaltestellen, diesem großen Paket, sehen wir es als gelungene Maßnahme an. Man sieht es auch an den wunderschön sanierten Häusern entlang der Ortsdurchfahrt.
Sicherlich freuen Sie sich daran in einer besonderen Art, wenn Sie die Ortsdurchfahrt entlanglaufen oder -fahren.
Ich hatte in der vergangenen Woche die Altbürgermeister des Rems-Murr-Kreises in Spiegelberg zum Herbsttreffen zu Gast und wir haben einen Rundgang gemacht. Wenn dann von Außenstehenden die Rückmeldung kommt: Das ist eine gelungene Maßnahme, ein rundum schönes Paket, das tut einem schon gut. Selbst macht man die Entwicklung mit und merkt es nicht mehr so. Aber es sind schon Welten dazwischen, das muss man ehrlich sagen. Es hat dazu geführt, dass man hier für die Lebens- und Aufenthaltsqualität viel Positives bewirkt hat. Jetzt gilt es, dass die ganze Infrastruktur, die im Hauptort noch da ist, gehalten werden kann.
Anders als Ihr Amtsvorgänger Hiemer, der im Ruhestand viele Monate des Jahres in Südfrankreich verbracht hat, haben Sie vor, weiter in Spiegelberg zu wohnen. Werden Sie dann immer ein bisschen der Bürgermeister bleiben?
Ja, wir bleiben in Spiegelberg wohnen, allerdings als Privatpersonen. In die Kommunalpolitik werde ich mich definitiv nicht einmischen und sämtliche Anfragen, die auf mich zukommen, sofort blocken. Ich werde mich die nächsten Wochen ganz zurückziehen und künftig im Ehrenamt in manchen Bereichen weitermachen.
Welchen Aufgaben im Ehrenamt wollen Sie sich zuwenden?
Ich werde aktuell meine ehrenamtlichen Tätigkeiten als Aufsichtsrat in der Diakonie weitermachen. Ich bin letzte Woche wieder zum zweiten Vorsitzenden beim Tierschutzverein gewählt worden. Ich werde mich beim Förderverein der Feuerwehr engagieren, also dem Bikemarathon. Ich habe beim Fremdenverkehrsverein zugesagt, dass ich mehr mache. Ich habe immer eine geführte Wanderung im Jahr übernommen. Im nächsten Jahr habe ich drei geführte Wanderungen. Ich möchte den Verein auch im Hintergrund unterstützen. Da kann ich das Gute und Nützliche miteinander verbinden, indem ich meine Bewegungseinheiten mache und mich gleichzeitig um die Wanderwege oder Ähnliches kümmere.
Das Gespräch führte Nicola Scharpf.
Abschiedsfeier Die offizielle Verabschiedung findet am Freitag, 27. Oktober, ab 18 Uhr in der Mehrzweckhalle Spiegelberg statt. Den musikalischen Rahmen übernehmen der Musikverein Spiegelberg, der Liederkranz Nassach-Kurzach sowie der Singkreis Großhöchberg.