Im Brühlweg in Weissach im Tal kochen die Emotionen hoch
Oben Tempo 30, unten verkehrsberuhigte Zone: Die Geschwindigkeitsbegrenzungen im Unterweissacher Brühlweg sind klar. Das Problem: Nicht alle Verkehrsteilnehmer halten sich daran. Die Anwohner klagen über Gefährdungen und Lärmbelästigung. Doch eine Lösung ist nicht in Sicht.
Von Melanie Maier
Weissach im Tal. Wenn sie nur zur Miete in ihren Häusern im Unterweissacher Brühlweg leben würden, dann wären sie vermutlich alle längst weggezogen, sagt Anna Trösch über sich und ihre Mitstreiter. Schon seit ein paar Jahren kämpft eine Gruppe von Anwohnerinnen und Anwohnern darum, dass die Geschwindigkeitsbegrenzungen in ihrer Straße eingehalten werden. Tempo 30 gilt im oberen Bereich, der in den Bergweg mündet. Unten, vor dem Übergang zu der Straße Kirchberg, ist eine verkehrsberuhigte Zone. Dort darf man nur sieben Kilometer pro Stunde fahren. Doch das tun bei Weitem nicht alle Verkehrsteilnehmer, klagen die Anwohner. „Teilweise kommen die Autos mit 60, 70 runtergeschossen“, sagt Manfred Müller. Belege dafür hat er nicht. Doch auch während des Gesprächs über die Verkehrssituation am Straßenrand fahren einige Autos deutlich schneller als mit 30 beziehungsweise sieben Stundenkilometern vorbei.
Das sei wahnsinnig gefährlich, findet Marion Aumüller, insbesondere für Kinder. Sie fragt sich: „Muss erst etwas Schreckliches geschehen, bevor etwas getan wird?“ Anna Trösch macht hauptsächlich die Lärmbelästigung zu schaffen. „Mit dieser massiven Pflasterung ist es unglaublich laut, wenn schnell darübergefahren wird.“
Das Verkehrsaufkommen ist hoch, denn neben dem Brühlweg führt nur die Straße Hutzelgärten in das dazwischen liegende Wohngebiet mit rund 800 Einwohnerinnen und Einwohnern. Würden sich alle Verkehrsteilnehmer an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, hätten sie kein Problem, so Trösch, Aumüller und Müller.
Zwei Gespräche mit der Verwaltung haben bereits stattgefunden
Um das zu erreichen, haben sie sich bereits mehrfach an die Gemeindeverwaltung gewandt. Das erste Gespräch fand 2019 statt, mit dem damaligen Bürgermeister Ian Schölzel. Er veranlasste, dass das Schild, das auf die verkehrsberuhigte Zone hinweist, ein Stück nach oben versetzt wurde. Doch abgesehen davon passierte nichts.
Am 1. August 2023 schaute sich sodann Bürgermeister Daniel Bogner die Situation vor Ort an. Man habe mit den Anwohnern über verschiedene Möglichkeiten diskutiert und diese auch mit der Verkehrsbehörde Backnang besprochen. Doch alle Lösungsansätze, die bisher zur Sprache kamen, scheinen sich nicht so leicht umsetzen zu lassen. Eine Einbahnstraßenregelung sei rechtlich nicht zulässig, so Bogner. „Eine Einbahnstraßenregelung soll laut Straßenverkehrsordnung keinen Ring bilden und nicht länger als 500 Meter sein. Beides wäre hier der Fall.“ Auch ein Parkraumkonzept im Bergweg mit versetzten Parkplätzen wie etwa im Mühlweg sehe die Verkehrsbehörde kritisch, sagt er. „Zum einen, weil die Verhältnisse vor Ort nicht ausreichen – eine Restfahrbahnbreite von mindestens 3,05 Metern und 2,45 Meter breite Parkplätze wären nicht gewährleistet. Zum anderen, weil erfahrungsgemäß zirka ein Drittel der vorhandenen Stellplätze wegfällt und so Parkdruck in anliegenden Straßen entsteht.“ Für einen stationären Blitzer sei der Brühlweg vermutlich zu wenig frequentiert, mutmaßt der Rathauschef. Er verstehe die Frustration der Anwohner, doch es sei schwer, der Problematik beizukommen.
Anwohner greifen zur Farbe
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Vor Kurzem war noch ein Seitenradar am Ende der Straße aufgebaut. Der habe bei manchen tatsächlich für einen Tritt auf die Bremse gesorgt, berichtet Manfred Müller. „Das war bisher aber auch das Einzige, das passiert ist“, sagt er. Und jetzt sei das Gerät schon wieder weg. Seiner Meinung nach wäre eine Einbahnstraßenregelung schon denkbar. Er verweist auf Stuttgart: „Von der Normannstraße 11 zur Badbrunnenstraße 1 ist es etwas mehr als ein Kilometer.“
Die Anwohnerinnen und Anwohner des Brühlwegs fühlen sich von der Verwaltung nicht gehört und hingehalten. „Herr Bogner hatte versprochen, sich bis November zu melden, aber es ist nichts passiert. So kann man doch nicht mit den Bürgern umgehen“, findet Manfred Müller. Als auf ihre erneute Nachfrage im Januar nur die Auskunft kam, die Gemeinde könne noch keine konkreten Maßnahmen mitteilen, wurde die Gruppe selbst aktiv. Mit orangener Farbe sprühte sie ein Ausrufezeichen und „7 KMH“ auf die Straße. Die Verwaltung ließ die Farbe daraufhin von einer Fachfirma entfernen und erstattete Anzeige gegen unbekannt. Gut einen Monat später veröffentlichte sie noch einen Zeugenaufruf im Amtsblatt und auf ihrer Facebook-Seite. „Das Besprühen einer Straße mit permanenter Farbe stellt einen Eingriff in den Straßenverkehr dar und ist nicht zulässig. Zudem handelt es sich hier um Sachbeschädigung an der gemeindeeigenen Straße“, heißt es darin. Wer etwas über die „Schmierereien“ wisse, solle sich beim Ordnungsamt melden.
Auch Marion Aumüller las den Aufruf bei Facebook und meldete sich daraufhin bei der Polizeistation als Verantwortliche. Sie erwartet neben einer knapp vierstelligen Rechnung vom Ordnungsamt wohl auch ein Schreiben von der Staatsanwaltschaft. Nachvollziehen kann sie das Vorgehen der Gemeinde nicht. Sie verstehe nicht, wieso die Verwaltung nicht erst das Gespräch mit der Gruppe gesucht hat. „Die Farbe“, sagt sie, „hätte mit ein bisschen Wasser und Orangenreiniger beseitigt werden können.“
Doch wie geht es im Brühlweg weiter? Bürgermeister Bogner kündigt an, in der Aprilsitzung des Gemeinderats werde über die Entwicklung von Parkraumkonzepten im gesamtem Gemeindegebiet beraten. Auch das Thema Brühl-/Bergweg werde zur Debatte stehen. „Ob das weiterverfolgt wird, muss man dann sehen.“
Von Melanie Maier
Dass nach Jahren der Lärmbelästigung und der erfolglosen Suche nach Lösungen bei den Anwohnerinnen und Anwohnern im Brühlweg die Emotionen hochkochen, ist menschlich und nachvollziehbar. Farbe auf die Straße zu sprühen war sicherlich nicht die umsichtigste Vorgehensweise – mit Kreide hätten die Betroffenen genauso gut ein Zeichen setzen können. Ebenso eine Kurzschlussreaktionen scheint allerdings das Vorgehen der Verwaltung, die nicht erst das Gespräch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern gesucht, sondern die Farbe gleich für viel Geld professionell entfernen lassen hat. Es wäre wünschenswert, dass sich die Fronten nicht verhärten würden, sondern dass wieder ein Dialog zustande kommt – und zusammen eine gute Lösung für das zugrunde liegende Problem des Konflikts gefunden wird. Auch wenn diese nicht direkt auf der Hand liegt.
m.maier@bkz.de