Im Rems-Murr-Kreis auf der Suche nach den Filetstücken des Baums
In Kaisersbach, Sulzbach und Murrhardt gibt es Sammelplätze für besonders wertvolles Holz. Hier nehmen überregionale Bieter die Stämme genau unter die Lupe, um edles Fensterholz, Furniere oder Instrumente daraus herzustellen.
Von Kristin Doberer
Rems-Murr. Mit akribischen Blicken begutachten Hans-Peter Fickler und seine zwei Mitarbeiter die zahlreichen Stämme, die sauber nebeneinander auf einer Wiese bei Kaisersbach liegen. Minutenlang wird das Holz analysiert, die Ergebnisse zu jedem Stamm werden notiert, ebenso wie ein konkreter Preis, den man zu zahlen bereit ist. Zwischen den Stämmen ist immer genug Platz, um sie von allen Seiten beurteilen zu können. Sind sie gerade gewachsen oder ist der Baum in eine Richtung verdreht? Ist der Stamm zumindest auf den ersten fünf Metern auch astrein? Sind Verletzungen, zum Beispiel von früheren Fällarbeiten oder durch Hirsche oder Käfer, zu erkennen? Gibt es Harzgallen, also mit Harz gefüllte Hohlräume? Hat der Baum durch Wind Holzdruck entwickelt, also auf einer Seite dickere Ringe als auf der anderen?
Aus dem Holz werden Instrumente, Fenster, Böden oder Vertäfelungen
Für Fickler vom Säge- und Hobelwerk Waltenhofen aus dem Allgäu sind all das mögliche Ausschlusskriterien. Denn er ist auf der Suche nach dem Besten der Besten, nach den Filetstücken der Bäume, wie er es ausdrückt. Aus ihnen nämlich sollen Musikinstrumente werden, edle Furniere, Fensterholz, Lamellen, Vertäfelungen oder Fußböden. Auch für den Bau von Schweizer Chalets sei dieses wortwörtlich astreine Wertholz gefragt. „Wir brauchen starkes und altes Holz“, betont er. Denn nur dann könne er seinen Kunden Holz ohne Astlöcher und Harzgallen anbieten, das sich noch dazu über die Jahre nicht verzieht. „Bei Holzdruck verziehen sich die Bretter später, das ist natürlich eine Katastrophe bei Fensterholz“, erklärt er und zeigt auf einen Baum, dessen Kern nicht mittig liegt.
Fickler ist einer von rund 30 potenziellen Kunden aus Deutschland und Österreich, die ein Angebot für das Wertholz aus dem Rems-Murr-Kreis und vier umliegenden Landkreisen abgeben können. Nicht alle kommen vorbei, um das Holz so genau unter die Lupe zu nehmen. Frank Hofmann von der Holzvermarktungsgemeinschaft Schwäbisch-Fränkischer-Wald geht aber von rund 15 Bietern aus, die sich die Stämme anschauen. Nicht alle, berichtet er, haben die gleichen Kriterien wie Fickler. „Andere Unternehmen wollen das Holz wieder anders verwenden.“ Dazu gehören zum Beispiel auch regionale Schreiner, die gar nicht zwingend das ganz teure und astreine Holz benötigen.
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Wertschätzung gegenüber dem Holz und langfristige CO2-Bindung
Bei so manchem Spaziergänger habe es schockierte Reaktionen gegeben angesichts der zahlreichen dicken Bäume, die am Wegesrand liegen, erzählt Revierförster Friedemann Friz. Dabei stamme das gesammelte Holz nicht aus Kahlschlägen. Das Holz auf dem Sammelplätzen werde von rund 130 Waldbesitzern aus fünf Landkreisen zusammengebracht. Außerdem hätten viele der nun gefällten Bäume die nächsten Jahre vermutlich nicht überstanden. Als Beispiel zeigt er auf eine 314 Jahre alte Fichte. „Der Waldbesitzer hat sich gemeldet, weil die Krone sehr schlecht aussah“, sagt der Revierförster. Ein weiterer trockener Sommer hätte vermutlich das Ende für den alten Baum bedeutet. „Wenn der Baum erstmal abgestorben ist, hat das Holz eigentlich nur noch Palettenqualität oder wird zu Brennholz, wodurch das gespeicherte CO2 wieder in die Atmosphäre gegeben wird.“ Ob der Stamm zu einer Orgelpfeife, einem Möbelstück oder einem Fenster verarbeitet wird, nun zumindest werde das CO2 auf jeden Fall langfristig gebunden, sagt er. „Hier genießt das Holz eine Wertschätzung und wird einer guten Verwendung zugeführt.“ Die Qualität des Holzes hängt übrigens sehr von der Pflege ab: von der regelmäßigen Entastung junger Bäume bis zur richtigen Menge an Licht zur richtigen Zeit. Was die Bieter bei ihrer Begutachtung als Ausschlusskriterien angeben, werde deshalb auch immer an die Waldbesitzer weitergegeben, versichert Frank Hofmann. „Damit die für die nächste Generation daraus lernen können.“