Immer mehr Stadtjäger im Rems-Murr-Kreis

Nachdem die Stadt Schorndorf im vergangenen Jahr den Anfang gemacht hat, setzen auch im Raum Backnang die ersten Kommunen einen Stadtjäger ein. Francesco Basanisi ist seit Oktober in der Gemeinde Althütte tätig. Der Großteil seiner Einsätze ist dem Waschbären geschuldet.

Als Köder für eine Waschbärenfalle können beispielsweise Gummibärchen, Schokolade oder Thunfisch verwendet werden. In diesem Fall setzt der Stadtjäger von Althütte Francesco Basanisi auf den „Klassiker“: Katzenfutter. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Als Köder für eine Waschbärenfalle können beispielsweise Gummibärchen, Schokolade oder Thunfisch verwendet werden. In diesem Fall setzt der Stadtjäger von Althütte Francesco Basanisi auf den „Klassiker“: Katzenfutter. Foto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Rems-Murr. „Thunfisch, Schokolade, Gummibärchen... Waschbären kann man mit allem Möglichen ködern“, erklärt Francesco Basanisi. Er legt etwas Katzenfutter in die Lebendfalle, die er im Garten aufstellt, und ergänzt schmunzelnd: „Bei Schokohörnchen drehen sie völlig durch.“ Lässt sich eines der Tiere von dem Köder locken und tritt auf die Wippe im Inneren der Falle, wird diese ausgelöst. An beiden Enden des länglichen Holzkastens mit vergittertem Guckloch fallen dann die Türen zu und der ungebetene Gast sitzt fest.

Francesco Basanisi ist amtlich eingesetzter Stadtjäger der Gemeinde Althütte, wo er außerdem als Jagdpächter unterwegs ist. Worin der Unterschied zwischen seinen beiden Funktionen besteht, ist vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht klar, sofern sie vom Stadtjäger überhaupt schon einmal gehört haben. „Ich bin das Bindeglied zwischen den Jagdpächtern und der Gemeinde“, erklärt Basanisi, der als Bauingenieur hauptberuflich ein Immobilienunternehmen in Backnang führt und seine Jagdtätigkeiten nebenbei ausübt. „Die Befugnisse des Jägers enden an der Reviergrenze, wo das urbane Gebiet beginnt.“ Kommt es also in Wohngebieten zu Konflikten mit Wildtieren – zum Beispiel Füchsen, Mardern oder Waschbären –, wird er als Stadtjäger beauftragt. Anders als der Jagdpächter, der in seinem Revier gewissermaßen rund um die Uhr für die Bestandskontrolle des Wilds zuständig ist, wird der Stadtjäger jedoch nur im Rahmen von grundstücksbezogenen Aufträgen aktiv. Eine routinemäßige Jagd im engeren Sinn findet nicht statt.

Die Ausbreitung des Waschbären verstärkt den Trend

Der Begriff des Stadtjägers ist nicht neu. Bis vor einigen Jahren noch konnte jeder Jagdberechtigte einen Antrag auf Jagd in befriedetem Gebiet stellen und sich insofern als Stadtjäger betätigen. Mittlerweile sind für die Anerkennung als Stadtjäger zusätzliche Fortbildungen erforderlich (siehe Infotext).

Vergleichsweise jung ist außerdem die Praxis von Städten und Gemeinden, Stadtjäger amtlich einzusetzen. Damit wird deren Beauftragung für die Bürgerinnen und Bürger vereinfacht, vor allem aber gibt es durch die konkrete Zuständigkeit einen zentralen Ansprechpartner, der die Bestände der verschiedenen Wildtiere kennt und die Bevölkerung dadurch gezielter informieren und beraten kann.

Auch Backnang will bis Ende des Monats einen Stadtjäger einsetzen

Vorreiter im Rems-Murr-Kreis waren im Sommer vergangenen Jahres die Stadt Schorndorf und die Gemeinde Plüderhausen, bald darauf folgten weitere Kommunen wie Leutenbach, Kernen im Remstal, Weinstadt und Winnenden. Auch die Stadt Backnang will bis Ende des Monats einen Stadtjäger einsetzen, sagt Pressesprecher Christian Nathan. In anderen Gemeinden im Kreis, etwa in Aspach, Auenwald und Allmersbach im Tal, nimmt man zwar ebenfalls eine Zunahme von Wildtieren in besiedelten Gebieten wahr, sieht aber noch keine Veranlassung zur amtlichen Einsetzung eines Stadtjägers.

Bereits seit Oktober gibt es mit Thomas Noack einen Stadtjäger in Murrhardt, wo es in den vergangenen Jahren immer wieder Vorfälle mit Waschbären und kranken Füchsen gegeben hatte. Ebenfalls im Oktober wurde Francesco Basanisi in Althütte eingesetzt. „Im Jahr 2021 gab es im Bereich der Straße Im Klösterle ein größeres Schadensbild durch Waschbären in privaten Gärten. Die Eigentümer waren auf die Gemeinde zugegangen und hatten um Hilfe gebeten“, erklärt Bürgermeister Reinhold Sczuka den Schritt. „Die Problematik der Waschbärenpopulation wird in der Zukunft nicht geringer werden, da die Tiere keine natürlichen Feinde haben und die angerichteten Schäden sehr groß sein können.“

Dem kann Francesco Basanisi, der an diesem Tag zwei Fallen für einen Einsatz in Lutzenberg vorbereitet, nur zustimmen: „Waschbären zerfressen beispielsweise die Dämmung eines Dachs, auch ihr Kot ist ein großes Problem. Ich hatte vor Kurzem einen Fall, da ging der Schaden in die Zehntausende.“ Im laufenden Kalenderjahr habe er bereits 30 Einsätze zu verzeichnen, die meisten davon aufgrund von Waschbären – Tendenz steigend, vor allem nun, da die kalte Jahreszeit bevorsteht, in der sich die Tiere noch lieber in der Nähe von Siedlungen aufhalten. Basanisi rechnet deshalb damit, dass sich in ländlichen Gebieten der Trend der amtlich eingesetzten Stadtjäger weiter verfestigen wird.

Invasiver Waschbär wird ins Jagdrevier transportiert und dort erlegt

Und was geschieht mit den Tieren, die in der Falle landen? Während etwa Füchse, sofern sie gesund sind, wieder freigelassen werden, wird der invasive Waschbär ins Jagdrevier transportiert und dort erlegt. Allerdings kommt nicht immer eine Falle zum Einsatz. „Manche Kunden wollen das nicht, andere haben eine Katze oder es geht aus sonstigen Gründen nicht“, erklärt Basanisi. In solchen Fällen wendet er akustische Vergrämungsmaßnahmen oder Verstänkerungsmaßnahmen mit Duftstoffen an, die zumindest vorübergehend wirksam sein können. Zudem gehe es oft schlicht um Beratung, wie man den Tieren etwa durch das Zurückschneiden von Bäumen oder das Anbringen von Bürsten an Fallrohren den Weg abschneiden könne.

Vom eigenmächtigen Aufstellen einer Falle rät Francesco Basanisi dringend ab, nicht nur aus rechtlichen Gründen. „Ein Waschbär ist nicht zu unterschätzen“, mahnt er. „So ein Rüde von zwölf Kilogramm, vollgepumpt mit Adrenalin: Da ist der Finger ganz schnell weg.“

Tipps für Privatpersonen Um Wildtiere vom eigenen Grundstück fernzuhalten, gibt das Landratsamt unter www.t1p.de/9q6hd nützliche Tipps.
Rechtlicher Rahmen

Ausbildung Voraussetzung für die Teilnahme am Ausbildungsgang zum staatlich geprüften Stadtjäger sind ein gültiger Jagdschein sowie die Ausbildung zum staatlich geprüften Wildtierschützer.

Befugnisse und Aufgaben Die Zuständigkeit des Stadtjägers erstreckt sich auf befriedete Gebiete, in denen ansonsten keine Jagd stattfindet, etwa Wohngebiete, Parks und Friedhöfe. Er wird beauftragt, wenn es innerhalb dieser Flächen zu Konflikten mit Wildtieren wie Füchsen, Mardern oder Waschbären kommt. Der Stadtjäger, der dem Wildtierbeauftragten des Landkreises untersteht, wird in solchen Fällen von der unteren Jagdbehörde legitimiert, Fallen aufzustellen, indem ein Antrag auf Fallenfangjagd bewilligt wird. Dieser Antrag muss vom jeweiligen Auftraggeber – einer Privatperson, einem Unternehmen oder einer Kommune – gestellt werde, die Gebühr kostet 60 Euro. Vor allen Dingen aber berät ein Stadtjäger die Bürgerinnen und Bürger über vorbeugende Maßnahmen oder nimmt diese selbst vor. Der Stadtjäger ist außerdem unter bestimmten Voraussetzungen zum Abschuss von Wildtieren berechtigt, allerdings nur dann, wenn präventive Maßnahmen keinen Erfolg versprechen oder eine Gefahr für die Bevölkerung besteht.

Amtliche Einsetzung von Stadtjägern Setzt eine Kommune einen Stadtjäger ein, so kann auf deren Gemarkung die Fallenjagd ohne Antrag bei der unteren Jagdbehörde ausgeübt werden. Dadurch entfallen auch die mit dem Antrag verbundenen Gebühren. Auch wird durch die Zuständigkeit im Lauf der Zeit Wissen über die Wildtierbestände im Gebiet zusammengetragen.

Zum Artikel

Erstellt:
13. November 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen