Immer noch weniger Frauen in den Gremien der Region

Nach der Kommunalwahl hat sich in vielen Gemeinderäten in Backnang und der Umgebung die Sitzverteilung geändert. Einige Personen sind dazugekommen, andere ausgeschieden. Mancherorts gibt es sogar neue Listen. Eins hat sich jedoch kaum verändert: die Zahl der Frauen in den Ortsparlamenten.

Immer noch weniger Frauen in den Gremien der Region

Von Melanie Maier

Rems-Murr. Welche Besetzung hätte der perfekte Gemeinderat? Idealerweise wäre das Gremium so aufgestellt, dass es die Bevölkerung des Ortes widerspiegelt, in dem es tagt. In Backnang zum Beispiel leben nach den neuesten verfügbaren Daten des Statistischen Landesamts aus dem Jahr 2022 gesamt 37.957 Menschen. Rund 49,8 Prozent sind Männer, 50,2 Prozent Frauen. Das Durchschnittsalter liegt bei 43,5 Jahren. Die 26 Sitze des Gemeinderats müssten also je zur Hälfte an Männer und Frauen gehen.

Die Realität sieht anders aus. Nach der Kommunalwahl am 9. Juni steht fest: Das neue Backnanger Gremium umfasst neun Gemeinderätinnen und 17 Gemeinderäte. Und auch der Altersdurchschnitt weicht mit etwa 56,57 Jahren vom Ideal ab (von einigen Personen liegt der Redaktion nur das Geburtsjahr vor). Frauen und junge Menschen sind demnach deutlich unterrepräsentiert in der Kommunalpolitik – und das ist nicht nur in Backnang so. In der Region werden in keinem einzigen neu gewählten Gremium gleich viele Frauen wie Männer sitzen. Von den insgesamt 203 Sitzen in den 13 Gemeinderäten werden künftig nur 56 von Rätinnen besetzt sein. Das ist nicht einmal jeder dritte Platz (27,59 Prozent) – und dennoch eine kleine Steigerung im Vergleich zum Wahlergebnis 2019 (53 Frauen). In Spiegelberg hatte es vor der Wahl keine einzige Rätin gegeben. Bald werden immerhin drei sein.

Im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung ist Sulzbach an der Murr die Kommune, in deren Gremium prozentual gesehen die meisten Frauen vertreten sind: Sechs der insgesamt 14 Sitze des Rats werden künftig Frauen innehaben (42,86 Prozent). 2019 hatten es nur vier Sulzbacherinnen ins Ortsparlament geschafft (28,57 Prozent).

Frauen haben durch Sorgearbeit weniger Zeit für Ehrenämter zur Verfügung

Edelgard Löffler freut sich sehr über den gestiegenen Frauenanteil. Sie führt die größte Fraktion im Sulzbacher Gemeinderat an. Die Unabhängige Bürgerliste (UBL) hat, wie schon nach der Wahl 2019, sieben Sitze bekommen. Doch dieses Mal gehören ihr vier statt zwei Frauen an. „Das Ergebnis hat uns unheimlich gefreut“, sagt Edelgard Löffler. Die UBL sei spürbar weiblicher und jünger. „Paul Obermeier, unser Youngster, konnte es am Anfang gar nicht glauben, dass er es ins Gremium geschafft hat – er ist 22 Jahre alt“, so die langjährige Gemeinderätin. Die 69-jährige Lehrerin engagiert sich schon seit 20 Jahren kommunalpolitisch. 2004 wurde sie gefragt, ob sie kandidieren wolle, berichtet Edelgard Löffler. Ihr Sohn war da schon aus dem Gröbsten heraus, deshalb sagte sie zu. Die Familie, meint sie, sei für viele Frauen nach wie vor ein Hinderungsgrund dafür, sich als Gemeinderätin zu engagieren – vor allem für jüngere, die kleine Kinder haben. „Auch wenn sich die Männer in den letzten Jahrzehnten immer stärker einbringen.“

Diese Ansicht teilt auch Ute Ulfert, die Fraktionssprecherin der Backnanger CDU. „Für viele Frauen ist es heute immer noch schwierig, Beruf und Familie zu jonglieren“, sagt sie. Laut Statistischem Bundesamt verwenden Frauen für unbezahlte Sorgearbeit wie Kinderbetreuung, Pflege oder Haushalt täglich durchschnittlich 44,3 Prozent mehr Zeit auf als Männer – 79 Minuten pro Tag. Zeit, die für Erwerbsarbeit, Hobbys oder eben ehrenamtliche Aufgaben fehlt.

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Warum die Wählerinnen und Wähler häufiger hinter Männernamen ihr Kreuz setzen, weiß Ute Ulfert nicht. Sie vermutet, dass es auch damit zusammenhängt, dass die Gemeinderatswahl eine Persönlichkeitswahl ist. „Und viele wichtige Posten, sei es im Beruf oder in Vereinen, sind nach wie vor von Männern besetzt“, sagt sie. Die 67-jährige Allgemeinärztin und Backnanger Stimmenkönigin selbst ist nicht nur durch ihren Beruf bekannt, sondern auch im Kreistag und im Kirchengemeinderat aktiv.

In Murrhardt sind nur zwei von 18 Gemeinderatsplätzen durch Frauen belegt

Mit ihrer neu gewählten CDU-Fraktion ist Ute Ulfert zufrieden. Neben ihr haben es zwei weitere Rätinnen und vier Räte ins Backnanger Gremium geschafft. Das ist bei Ralf Nentwich anders. Der grüne Landtagsabgeordnete sitzt für die MDAL / Die Grünen im Murrhardter Gemeinderat. Doch obwohl seine Partei dafür bekannt ist, sich für eine paritätische Verteilung einzusetzen, hat das in Murrhardt nicht geklappt: In Nentwichs Fraktion ist keiner der vier Sitze an eine Frau gegangen, was er sehr schade findet. „Wir hatten wirklich viele starke Frauen auf der Liste“, sagt er. Und es wurde einiges versucht: Auf dem Wahlzettel waren abwechselnd Frauen- und Männernamen zu lesen. Daneben sprach die Liste Frauen mit zwei Veranstaltungen gezielt an. Nentwich selbst warb auch an den Infoständen dafür, seinen Mitstreiterinnen Stimmen zu geben. Warum das alles nicht gefruchtet hat, kann er sich nicht erklären. „Unser Anspruch ist ein anderer, das muss man ganz klar sagen. Aber die Aufgabe, die wir vor uns haben, ist wohl eher Langstrecke als Sprint“, sagt er. Dass in Murrhardt insgesamt nur zwei von 18 Gemeinderatsplätzen künftig mit Frauen belegt sein werden (11,11 Prozent), findet er erschreckend. „Männerklubs tun keinem Gremium gut – vor allem nicht, wenn es auch noch alte weiße Männer sind“, scherzt er und lacht. Erschrocken sei er außerdem darüber, dass er mit 42 Jahren nun der Drittjüngste im Murrhardter Rat ist.

Einer der wenigen jungen Menschen, die sich neu im Gemeinderat engagieren, ist Hanna Reichmann. Die 26-Jährige zieht für die Unabhängige Wählerliste Großerlach in das Ortsparlament ein. Anfang dieses Jahres hat sie ihr verwaltungswissenschaftliches Studium abgeschlossen und möchte sich nun in ihrer Heimatgemeinde einbringen. „In den kommenden Jahren werden viele große Entscheidungen getroffen werden – da möchte ich mitbestimmen“, sagt sie. Warum sie nicht schon vor fünf Jahren für das Ehrenamt kandidiert hat? „Vor meinem Studium hatte ich die Arbeit im Gemeinderat noch nicht so im Blick“, sagt sie. Auch die Zeit habe ihr gefehlt. „Wenn man so ein Amt innehat, sollte man auch die nötige Zeit dafür aufwenden können“, findet sie.

Sowohl Reichmann als auch Nentwich, Ulfert und Löffler wünschen sich, dass künftig mehr Frauen in den Gemeinderäten vertreten sind. „Frauen stellen statistisch gesehen die Hälfte der Bevölkerung, daher brauchen sie Mitsprachemöglichkeiten“, sagen alle vier. Hanna Reichmann betont: „Unterschiedliche Perspektiven und Ideen bereichern ein Gremium. Daraus können gute gemeinsame Lösungen entstehen.“

So sind die Gemeinderäte besetzt

Frauen in der Mehrheit Mehr Rätinnen als Räte haben gerade einmal drei der gesamt 44 Listen in Backnang und der Umgebung: die SPD / Aspacher Demokraten, die Freie Liste Kirchberg (jeweils zwei Frauen und ein Mann) sowie die Unabhängige Bürgerliste Sulzbach (vier Frauen, drei Männer). Im Vergleich: 33 Listen haben mehr Räte oder gar keine Rätin in ihrem Ortsparlament.

Keine Frauen Für neun Listen sitzen künftig ausschließlich Männer im Gemeinderat: CDU / FWV Murrhardt (sechs Sitze), MDAL / Grüne Murrhardt und UBK Kirchberg (jeweils vier Sitze), SPD Weissach im Tal (drei Sitze), Junge Liste Backnang und FWA Auenwald (je zwei Sitze) sowie die CIB Backnang, Bürgerstimme Backnang und Parteiunabhängige Liste Sulzbach (je ein Sitz).

Gleich viele Männer und Frauen Sieben Listen sind paritätisch aufgeteilt: die CDU / BW Aspach (insgesamt sechs Sitze), die SPD und die Grünen in Backnang (je vier
Sitze) sowie das Forum Althütte 2000, die FWV Großerlach, die SPD in Murrhardt und die OGL Weissach im Tal (je zwei Sitze).

Nur Frauen Susanne Geyer ist die alleinige Repräsentantin der Sulzbacher Grünen.

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Erstellt:
15. Juni 2024, 06:00 Uhr

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