In Sulzbach ersetzt ein mobiler Roboter den Gabelstapler

Schlaue Systeme (2) Das Sulzbacher Unternehmen L-mobile unterstützt Firmen bei der Digitalisierung ihrer Prozesse. Auch künstliche Intelligenz spielt dabei eine immer wichtigere Rolle, zum Beispiel beim fahrerlosen Transport von Waren zwischen Lager und Produktionshalle.

Im Showroom der Firma L-mobile demonstriert Christoph Rixe das fahrerlose Transportsystem. Wird der Hubwagen entsprechend programmiert, weiß er, welche Waren er wohin bringen muss und findet selbstständig den schnellsten Weg dorthin. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Im Showroom der Firma L-mobile demonstriert Christoph Rixe das fahrerlose Transportsystem. Wird der Hubwagen entsprechend programmiert, weiß er, welche Waren er wohin bringen muss und findet selbstständig den schnellsten Weg dorthin. Fotos: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Sulzbach an der Murr. Mit einem Handscanner erfasst Christoph Rixe den Balkencode, der an der Seite des flachen Metalltischchens aufgeklebt ist. Ein zweites Mal betätigt er den Scanner an der Abstellfläche neben einem Arbeitsplatz in der Produktionshalle. Der Rest passiert dann wie von Geisterhand: Ein Hubwagen setzt sich von allein in Bewegung, fährt unter das Gestell, hebt es an und bringt es zum gewünschten Zielort. Dass er dabei unterwegs einen Bistrotisch rammt, ist wohl auf den berühmten Vorführeffekt zurückzuführen. Der Sensor, der Hindernisse erkennen soll, ist in einer Höhe von 15 Zentimetern angebracht und hat deshalb den flachen Fuß des Tisches übersehen. Beim nächsten Mal wird der Roboter an dieser Stelle aber einen anderen Kurs wählen, denn die künstliche Intelligenz (KI) merkt sich das Hindernis.

Das fahrerlose Transportsystem ist eine der KI-Anwendungen, die der IT-Dienstleister L-mobile den Kunden in seiner „Digital Factory“ in Sulzbach an der Murr vorführen kann. L-mobile produziert zwar selbst keine Roboter, integriert solche intelligenten Systeme aber in die Arbeitsabläufe seiner Kunden. Die kommen überwiegend aus dem Mittelstand, wo der Materialfluss vom Wareneingang über die Produktion bis zum Versand meist noch Handarbeit ist. „In der Regel erledigt das ein Mitarbeiter mit einem Hubwagen oder Gabelstapler“, weiß Christoph Rixe, der bei L-mobile als Produktmanager für den Bereich Logistik zuständig ist. Inzwischen wird aber auch in diesem Sektor das Personal knapp, weshalb immer mehr Unternehmen über automatisierte Lösungen nachdenken.

Fahrerloser Transport ist jetzt auch für Mittelständler interessant

Anders als in den Fabriken großer Automobilhersteller, wo fahrerlose Transportsysteme seit Jahrzehnten üblich sind, sei dies in kleineren Firmen bisher aber nicht so leicht umsetzbar gewesen, erklärt Rixe. Denn während die Arbeitsabläufe bei Daimler oder VW genau durchgetaktet sind und es in den Werkshallen eigene Fahrspuren für die autonomen Transportwagen gibt, geht es in kleineren Firmen nicht immer ganz so geordnet zu. Dort herrscht in der Produktion je nach Auftragslage mal mehr und mal weniger Betrieb, „vielleicht steht auch mal eine Palette im Weg“, sagt Rixe. Ein selbst fahrender Hubwagen, der stur seine Route abfährt, würde hier bald die Orientierung verlieren und könnte sogar zu einer Gefahr für die Beschäftigten werden.

Die Welt aus der Sicht eines Roboters: Mit Laserstrahlen erfasst das System die Umgebung und sucht sich dann selbst einen Weg zum Ziel.

© Alexander Becher

Die Welt aus der Sicht eines Roboters: Mit Laserstrahlen erfasst das System die Umgebung und sucht sich dann selbst einen Weg zum Ziel.

Dank künstlicher Intelligenz sind solche Systeme neuerdings aber auch hier einsetzbar. Mit Sensoren scannt der Roboter ständig seine Umgebung, erkennt Hindernisse und sucht sich selbst den schnellsten Weg zum vorgegebenen Ziel. Dabei kann der Nutzer vorgeben, ob sich der Roboter in der ganzen Halle völlig frei bewegen darf oder in vorgegebenen Bereichen bleiben muss. Das System erkennt auch selbstständig, ob es auf der Route Engstellen gibt oder Bereiche, wo schon häufiger Hindernisse im Weg standen. „Das merkt sich die KI und fährt dort dann automatisch langsamer“, erklärt Rixe. Dadurch seien fahrerlose Transportsysteme inzwischen selbst für kleinere Firmen mit nur 20 Beschäftigten eine interessante Option geworden.

Viele Kunden ahnen nichts von der Technik im Hintergrund

Und dies ist nicht das einzige Anwendungsbeispiel für KI in der Logistik. Ein paar Meter weiter steht ein klassischer Hubwagen, der zwar von Hand bedient wird, jedoch mit einer Kamera und einem kleinen Monitor ausgestattet ist. „Wenn wir damit eine Palette mit 20 Paketen transportieren, erfasst das System automatisch alle aufgeklebten Barcodes“, erklärt Christoph Rixe. So könnten ein- oder ausgehende Waren auf einen Schlag im System verbucht werden, ohne dass ein Mitarbeiter sie einzeln scannen oder manuell erfassen muss.

Selbst wenn auf einem Karton mehrere Codes aufgedruckt sind, könne man dem System beibringen, welchen es erfassen muss und welche es ignorieren kann. Dass bei solchen Lösungen künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, sei vielen Kunden wahrscheinlich gar nicht bewusst, vermutet Christoph Rixe. Aber das sei auch egal, solange sie erkennen , wie die Technik die Abläufe in ihrem Unternehmen vereinfacht und ihnen die Arbeit erleichtert.

Der Weg zur dunklen Fabrik ist noch weit

Der Produktmanager ist davon überzeugt, dass sich IT-Lösungen mit künstlicher Intelligenz in den kommenden Jahren immer mehr durchsetzen werden. „KI hat viel Potenzial, gerade im Mittelstand“, sagt Rixe. Auch in der Lagerwirtschaft könne die Technik dabei helfen, die Abläufe zu optimieren. Schon heute könne KI zum Beispiel sogenannte ABC-Analysen selbstständig erledigen, sodass häufig verwendete Artikel automatisch in leicht zugänglichen Bereichen gelagert werden, während selten benötigte „C-Güter“ in oberen oder weiter entfernten Regalen verstaut werden.

Die Grenzen der KI sieht Christoph Rixe immer da, wo Flexibilität gefragt ist. Sobald Arbeitsabläufe nicht standardisiert sind, nicht jede Unterlegscheibe in einer Stückliste erfasst wird und der Chef auch mal spontane Entscheidungen trifft, tun sich auch die intelligentesten Maschinen schwer. Die Idee einer „Dark Factory“, in der autonome Roboter ohne menschliches Zutun gewissenhaft ihre Arbeit verrichten, hält Christoph Rixe deshalb weiterhin für Science-Fiction: „Ich glaube, dass wir noch lange helle Fabrikgebäude haben werden, in denen echte Menschen arbeiten.“

Serie In unserer Serie „Schlaue Systeme“ zeigen wir, wo künstliche Intelligenz in unserer Region bereits zum Einsatz kommt. Nutzen Sie KI im Beruf oder auch in der Schule, im Ehrenamt oder im Privatleben? Dann schicken Sie eine E-Mail mit dem Betreff „KI-Serie“ an redaktion@bkz.de.
L-mobile

Firma Die Firma L-mobile wurde 2001 von Günter Löchner gegründet. Der IT-Dienstleister ist spezialisiert auf die Digitalisierung betrieblicher Prozesse vom Lager über die Produktion bis zum Vertrieb.

Wachstum Das Unternehmen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Aktuell beschäftigt L-mobile rund 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 120 am Stammsitz in Sulzbach an der Murr. Daneben hat L-mobile eine Niederlassung in Bonn sowie Auslandsgesellschaften in Tunesien, Spanien, Ungarn und der Schweiz. Der Jahresumsatz lag 2022 bei rund 25 Millionen Euro.

Neubau In Sulzbach an der Murr entsteht gerade für 13 Millionen Euro ein neues Firmengebäude, zu dem auch die Veranstaltungshalle „Planet Blue“ gehört. In Teilen wird es bereits genutzt, die offizielle Eröffnung ist im Frühjahr 2024 geplant.

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Erstellt:
14. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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