„Interkulturelle Woche“: Ukrainisch-russisches Kochen nach Protesten abgesagt
Gegen eine Veranstaltung der „Interkulturellen Woche“ in Backnang regt sich Widerstand im Internet. Die Stadt zeigt sich dennoch zufrieden.
Von Carolin Aichholz
Backnang. Die Bedeutung der Völkerverständigung rückt nicht nur global immer weiter in den Vordergrund, sondern spielt in einer multikulturellen Gesellschaft auch im alltäglichen Leben vieler Menschen eine immer wichtiger werdende Rolle. Dazu passend ging am vergangenen Sonntag die bundesweite Aktion „Interkulturelle Woche“ auch in Backnang zu Ende, wo man nicht nur eine, sondern gleich zwei Wochen lang insgesamt 18 Veranstaltungen im Stadtgebiet besuchen konnte.
Dass jedoch nicht immer nur der gute Wille zählt und auch eine Veranstaltung, die Nationen einen soll, eine Gesellschaft spalten kann, mussten die Veranstalter in Backnang am eigenen Leib erfahren. Viele kritische Reaktionen zog die Stadt Backnang mit dem Programmpunkt „Ukrainisch-russische Küche kennenlernen“ auf sich. Vor allem der Titel der Veranstaltung und damit die „Vermischung“ dieser beiden Kochkulturen stieß in den sozialen Medien auf viel Ablehnung. Zahlreiche Kommentatoren zeigten sich unter einem Facebook-Post der Stadt zu diesem Programmpunkt entrüstet. Vor dem Hintergrund des aktuell stattfindenden Kriegs, den Russland gegen die Ukraine führt, konnten viele (vermutlich) ukrainischstämmige Menschen die Durchführung der Veranstaltung nicht nachvollziehen. Auf Facebook nahm die Stadt Backnang als Veranstalter Stellung zu den Vorwürfen und verwies auf die russisch- und ukrainischstämmigen Menschen, die in Backnang friedlich zusammenleben. Die Veranstaltung solle den dialogischen Begegnungscharakter der Aktionswoche aufgreifen und Gräben überwinden.
Die Veranstaltung wurde bereits am Starttag abgesagt
„Dass dieser eigentliche Charakter der Veranstaltung nicht von allen so wahrgenommen wird, bedauern wir sehr“, so Pressesprecher Christian Nathan in einer Stellungnahme. „Wir hätten uns gewünscht, dass Menschen dort russische und ukrainische Gerichte kennenlernen, miteinander in den Austausch treten, Tischgemeinschaft erleben und dadurch das Gemeinsame und Einende wahrnehmen.“
Der anhaltende Gegenwind führte jedoch bereits am Starttag der „Interkulturellen Woche“, am 23. September, zur Absage der Veranstaltung. Die Integrationsbeauftragte Sandra Amofah bedauert das sehr. „Wir wollten aber nicht, dass eine einzige Veranstaltung, die nicht gut ankommt, unsere ganzen zwei Wochen, die voll mit anderen Events zur Völkerverständigung sind, zunichte macht.“ In Absprache mit Kulturdezernentin Regine Wüllenweber wurde dieser Schritt beschlossen.
Gleichzeitig betont die Stadt Backnang, sie verurteile sowohl den Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, als auch eine pauschale Verurteilung und Anfeindung russischstämmiger Menschen. „Wir wünschen uns ein friedliches Zusammenleben aller Menschen, das von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Darum befürworten wir auch weiterhin den Austausch und den Dialog zwischen der ukrainischen und der russischen Bevölkerung in Backnang“, so die Stellungnahme der Stadt.
Viele bereichernde Begegnungen
Abgesehen davon fällt das Fazit der „Interkulturellen Woche“ aber positiv aus. Schon die Auftaktveranstaltung konnte bei bestem Wetter auf dem Willy-Brandt-Platz abgehalten werden. Dort konnte man an unterschiedlichen Ständen und Spielstationen das Programm kennenlernen. Neben Stadtspaziergängen zu Wohlfühlplätzen, Tanzworkshops und einem Kinofilm gab es auch viele kulinarische Veranstaltungen, um internationale Spezialitäten kennenzulernen. Auch ein Hennaabend oder ein Tag der offenen Moschee boten Einblicke in Traditionen und Werte aus anderen Kulturen. Für die Kleinsten gab es internationale Spielenachnachmittage und eine Bewegungslandschaft im Freien auf dem Stiftshof. Den Abschluss bildete am Sonntag das Theaterstück „Oh Gott, die Türken integrieren sich“ vom Theater Ulüm aus Ulm.
Über den Erfolg der Veranstaltungen freut sich Sandra Amofah sehr. Sie ist dankbar für die Unterstützung zahlreicher Vereine und Ehrenamtlicher, die diese breite Palette an kulturellen Veranstaltungen anbieten konnten. „Wir hoffen, damit einen Grundstein für weitere Begegnungen und das bereichernde Miteinander in Backnang gelegt zu haben“, sagt Amofah.
Für eine umfangreiche Auswertung der „Interkulturellen Woche“ möchte sich die Integrationsbeauftragte noch Zeit lassen, doch da es gelang, neue Räume für gegenseitiges Kennenlernen, für Begegnungen, gemeinsames Tun und Erleben zu schaffen, hofft sie auf weiter anhaltende Erfolge.
Das vorrangige Ziel sei klar erreicht worden, viele Menschen seien miteinander ins Gespräch gekommen, mal im kleinen Kreis, mal in großer Runde. „Und stets stand dabei das Gemeinsame und Verbindende der vielfältigen Kulturen hier in Backnang im Vordergrund“, betont Amofah.