Jazz-Eigenkompositionen im Backnanger Bürgerhaus

Die „Local Heroes“ von Wiesmann4 und „Rising Stars“ des Simon Oslender Trios zeigen ihrem Publikum viele Facetten des Jazz.

Sie waren die Lokalmatadoren (von links): Daniel Pflumm (Bass), Jan-Philipp Wiesmann (Schlagzeug) und Bene Moser (Keyboard). Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Sie waren die Lokalmatadoren (von links): Daniel Pflumm (Bass), Jan-Philipp Wiesmann (Schlagzeug) und Bene Moser (Keyboard). Foto: Tobias Sellmaier

Von Cordula-Irene von Waldow-Noller

Backnang. Einen kurzweiligen und abwechslungsreichen Ausflug in die Welt des Jazz haben Musikfreunde am Freitagabend im gut besetzten Backnanger Bürgerhaus erlebt. Das Kulturamt setzte seine Tradition des Double Jazz fort und hatte mit Wiesmann4 und dem Simon Oslender Trio „Local Heroes und Rising Stars“ eingeladen.

„Für mich ist es etwas ganz Besonderes, hier in meiner Heimatstadt auf der Bühne zu stehen und vor einem so großen Publikum Premiere zu feiern“, offenbarte Jan-Philipp Wiesmann. Der 43-jährige banderfahrene Schlagzeuger mit seinem feinen Gespür für Grooves und seiner großen stilistischen Bandbreite hatte während der Coronapandemie ein Förderstipendium genutzt, um erstmals eigene Stücke zu schreiben für seine Band, „die es damals noch gar nicht gab“.

Am Freitag feierte er auf der farblich ausgeleuchteten Bürgerhausbühne jedoch nicht nur Premiere als Bandleader. Während er den Backnanger Keyboarder Bene Moser und den Bassisten Daniel Pflumm bereits seit Längerem kannte, war es der allererste Bühnenauftritt zusammen mit Valentin Koch an der Gitarre, erzählte er zu fortgeschrittener Stunde in seiner Kurzmoderation. Dennoch hatten sich die vier Herzblutmusiker nach einer behutsam-zurückhaltenden Einspielphase von lediglich zwei, drei Titeln spürbar gefunden und begeisterten alte wie neue Fans.

Von Anfang an hatten sie ihr Publikum mitgerissen, denn bereits bei dem selbst geschriebenen Auftakttitel „Rimpalim“ – „weil es so klingt“ – gab es Szenenapplaus, besonders für die Gitarrensoli. Jan-Philipp Wiesmann bekannte sich als Fan der international üblichen und nur in Deutschland weniger genutzten „ungeraden Takte“ mit fünf oder sieben Achteln auf einer Taktzeit. Dass dies dennoch sehr harmonisch klingen kann, bewies das Quartett mit „Seven days“ von Sting, der „Meister der ungeraden Takte“ sei. Sehr persönlich wurde es mit „Murrmauer“, einem Liebeslied mit Lokalkolorit, das der Backnanger Musiker seiner Ehefrau Michi gewidmet hatte, „weil wir uns dort unten am Biegel kennengelernt haben, vor über 20 Jahren“.

Sein Titel „Opinience“, eine Wortschöpfung aus „Opinion“ (Meinung) und „Science“ (Wissenschaft), spiegelte musikalisch mit diversen Soli in allen Instrumenten eine Diskussion, wie sie oft in Social Media zu finden sei. Der Bandleader schwelgte darin hörbar in dem für ihn „schönsten und außergewöhnlichsten Schlagzeuggroove“.

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Bis dahin war die Band längst zu einer klanglichen, harmonisch schwingenden Einheit zusammengewachsen. Richtig mystisch bei violett angestrahlter Bühne wurde es mit dem Schlusslied „Electric Voodoo“. Der großartige Beleuchter nahm lichttechnisch den Klatschrhythmus des Publikums auf und forderte mit goldfarben aufblitzenden Akzenten ebenfalls eine Zugabe, welche mit „Red Barton“ von Billy Cobham gerne gespielt wurde.

Gefühlvoller Klassikjazz folgt

„Wir hatten viel Spaß dabei, euch zuzuhören“, würdigte nach der Pause Simon Oslender von der Bühne herunter „sehr angetan von den sehr sympathischen, einladenden Klängen“ die Leistung der Vorband. Hatte Wiesmann4 Elemente aus Jazz, Rock, Pop und Latin vereint, durfte das Publikum jetzt in gefühlvollem Klassikjazz schwelgen. Allein der natürliche Klang des Flügels, auf dessen Tasten die Finger des erst 26-jährigen, international gefeierten Profimusikers aus Aachen zu „Big Brother“ von Stevie Wonder tanzten, schuf heimeligen Lounge-Charakter. Er und Schlagzeuger Gérôme Cardynaals (24) waren viele Jahre bereits unter anderem als Duo unterwegs und so flogen in den größtenteils selbst komponierten Stücken die musikalischen Bälle zwischen den beiden jungen Vollblutmusikern nur so hin und her. Mal brillierte der eine solistisch, mal der andere.

Als Simon Oslender in seiner Komposition „On For G.D.“ auf dem Keyboard mit Sphärenklängen in ferne Welten entführte, bildete der Schlagzeuger mit seinen leisen, ruhigen Besenkreisen auf der Snare den erdenden Gegenpol. Nahtlos flossen die Titel trotz ihrer charakterlichen Verschiedenheit ineinander über. In dieses Gefühl von Spaß und Leichtigkeit integrierte sich meisterlich Claus Fischer am Bass, der sein Instrument genau so tanzen ließ und den entsprechenden Applaus für seine ebenso virtuosen Soli erntete. „Ach nö!“, erklang es vielfach laut aus dem Publikum, als Simon Oslender ankündigte: „Wir kommen jetzt langsam in Richtung Finale.“ Die drei Musiker schienen insbesondere bei ihren grandiosen Soli noch eins draufzulegen und wurden mit lauten „Bravo“-Rufen belohnt. Die Anerkennung gab der junge Bandleader anschließend weiter. Er würdigte: „Wir sind eigentlich zu viert“, denn mit dem besten Tontechniker Dominik Arnold habe die Band noch ein Mitglied hinter den Kulissen.

Barbara und Tom Seiler aus Sulzbach an der Murr, die beide ein Faible für Jazz haben, waren begeistert. Tom Seiler sagte: „Insgesamt hat uns der Abend sehr gut gefallen. Der erste Teil war geprägt von eher vorkomponierten Stücken und die zweite Hälfte von unglaublicher Spielfreude und Virtuosität.“ Seine Ehefrau lobte die Veranstalter: „Es ist schön, dass es das hier gibt, dieses differenzierte Programm.“ Auffällig und wohltuend war auch die öffentliche Wertschätzung aller Mitglieder beider Bands, die sich gegenseitig feierten, füreinander sowie für die Veranstalter und für ihr „tolles Publikum“. Die gezeigte Dankbarkeit war authentisch und spürbar.

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Erstellt:
22. April 2024, 16:00 Uhr

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