Jugendliebe mit bitterem Ende

Drei Studenten drehen in Backnang einen Kurzfilm über die Loverboy-Masche – Unterstützung durch Polizei und Feuerwehr

Die 15-jährige Elenore verliebt sich in den 20-jährigen Danny. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Danny ist ein sogenannter Loverboy, der die junge Frau in die Prostitution treibt. Kein leichtes Thema für einen Kurzfilm, dennoch haben sich drei junge Studenten an das Projekt gewagt. Gedreht wurde unter anderem in Backnang.

Auf dem Kaelble-Areal wurde die letzte Szene des Films „Elenore“ gedreht: Zuhälter Danny (Sandro Weinzierl) wird von der Polizei abgeführt.

Auf dem Kaelble-Areal wurde die letzte Szene des Films „Elenore“ gedreht: Zuhälter Danny (Sandro Weinzierl) wird von der Polizei abgeführt.

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Klappe, die erste: Ein junger Mann wird in Handschellen von der Polizei aus einem alten Fabrikgebäude geführt. Es regnet. Dennoch hat sich eine kleine Menschenmenge am Fuß der Treppe gebildet. Manche fotografieren, andere gaffen nur. Einer der Beamten weist die Menschen an, zurückzubleiben. Dann wird der junge Mann unter Gegenwehr in das Polizeiauto verfrachtet. Etwa 30 Meter weiter schaut unter einem Pavillon Niklas Straub auf einen kleinen Monitor. „Wie geil“, ruft er aus. Der junge Backnanger ist der Regisseur des Films, der gerade gedreht wird. Dass die Szene schon im ersten Versuch gut aussieht, freut ihn sichtlich.

Für Niklas Straub ist der Kurzfilm „Elenore“ nicht das erste Filmprojekt in Backnang. Im vergangenen Jahr drehte er gemeinsam mit dem Fotografen Christopher Cocks einen Imagefilm über die Turner der TSG Backnang. Cocks hatte die Idee, der junge Steinbacher schrieb das Drehbuch und führte Regie. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Straub bereits an Elenore. Der Kurzfilm handelt von einem 15-jährigen Mädchen, das sich Hals über Kopf in den fünf Jahre älteren Danny verliebt. Der liebevolle Freund entpuppt sich aber bald als skrupelloser Zuhälter, der Elenore geschickt manipuliert und dazu bringt, sich zu prostituieren. Die Idee zum Projekt hatte Straub vor etwa anderthalb Jahren, als er in der Zeitung von der sogenannten Loverboy-Masche las. Er habe sich gefragt, wie das passieren konnte – das Thema ließ in nicht mehr los. Gemeinsam mit seinen Kommilitonen an der Hochschule der Medien in Stuttgart, Lasse Bickelmann und Dominik Reiland, mit denen er die Produktionsfirma Lost Frames Productions betreibt, recherchierte der Backnanger und schrieb das Drehbuch.

Alle Beteiligten arbeiten ohne Gage am Projekt mit

„In der konkreten Umsetzung sind wir seit Februar“, erzählt Lasse Bickelmann. Urlaub in den Semesterferien? Fehlanzeige. Und auch davor sei so einiges zu organisieren gewesen. Da es sich um ein freiwilliges Projekt handelt, also keine Aufgabe vonseiten der Hochschule, mussten die drei 20 und 21 Jahre alten Studenten sich um alles selbst kümmern – inklusive der Finanzierung. Eine Gage gibt es daher für die beteiligten Schauspieler und Helfer nicht. Und auch mit Fördergeldern sei es schwierig gewesen. „Prostitution als Thema ist hier nicht gesellschaftsfähig“, erklärt Bickelmann. Daher seien sie vor allem darauf angewiesen gewesen, „viele Leute nett zu fragen“. Durch Bekannte sowie diverse Firmen habe man so ein Sponsoring in Form von Geld- oder auch Sachleistungen bekommen. Dennoch ist für die drei Produzenten klar: „Mit dem Film werden wir nicht reich. Wir sind froh, wenn wir kostentechnisch bei null rauskommen.“

Für Schauspielerin Farina Flebbe, die die Rolle der Elenore übernommen hat, war vor allem das Thema ausschlaggebend. „Ich fand das wahnsinnig interessant“, sagt sie. Normalerweise sei sie bei Studentenfilmen skeptisch, weil diese eben nur selten bezahlt werden und die Organisation oft chaotisch sei. Bei einem Videochat mit Niklas Straub habe dieser aber die Loverboy-Thematik überzeugend rübergebracht. Eine Titelrolle zu spielen, sei zudem verlockend gewesen.

Den Machern geht es mit Elenore nämlich nicht darum, einen tragischen Liebesfilm mit den typischen Opfer- und Täterklischees zu drehen. Vielmehr solle aufgezeigt werden, wie perfide die Loverboys arbeiten. „Wir wollen junge Mädchen mit dem Film erreichen und sensibilisieren“, erklärt Lasse Bickelmann. Denn: „Elenore ist keinesfalls naiv“, macht Straub klar. Damit die Geschichte möglichst realistisch ist, haben er und seine Kommilitonen intensiv recherchiert, sich mit der Polizei sowie diversen Hilfsorganisationen beraten. Sogar in einem Bordell haben die drei Studenten sich umgesehen und nachgefragt. Diese Erfahrung half beispielsweise bei der Gestaltung des Drehorts: In einem ehemaligen Bürogebäude baute die Crew ein illegales Bordellzimmer auf, in dem Elenore anschafft. Der Gang wurde stilecht mit roten Neonlicht ausgestattet.

Echte Polizisten wirken in ihrer Freizeit als Schauspieler

Die Suche nach geeigneten Drehorten führte die Studenten unter anderem nach Backnang. „Da Niklas gebürtig aus Backnang ist, hat es sich angeboten, hier zu drehen“, erklärt Bickelmann. Sie seien durch die Stadt gefahren und setzten sich dann mit den Eigentümern interessanter Gebäude in Verbindung. Von der Firma Riva habe man dann die Erlaubnis bekommen, auf dem Kaelble-Areal zu drehen. Da der Film aber in einer nicht näher bestimmten Großstadt spielt, habe man manche Szenen in Stuttgart drehen müssen, zudem wurde in Ostfildern gedreht. „Die Unterstützung, die wir von allen Seiten bekommen haben, ist großartig“, resümiert Lasse Bickelmann. Dass beispielsweise Polizisten sich bereit erklärt haben, im Film mitzuspielen und die Backnanger Feuerwehr mit ihrer Spritze für künstlichen Regen sorgte, sei alles andere als selbstverständlich. „Die stehen hier schließlich in ihrer Freizeit“ – ebenso wie die mehr als 30 Helfer aus dem Freundeskreis der Produzenten.

Die Dreharbeiten unter viel Blaulicht – schließlich endet der Film mit der Festnahme Dannys – blieben natürlich auch den Anwohnern und Passanten nicht verborgen, weshalb regelmäßig Leute nachfragten, was denn eigentlich los sei. Wer wollte, durfte dann auch gleich als Komparse mitwirken.

Nachdem nun also alle Szenen im Kasten sind, steht in den kommenden Wochen und Monaten das Schneiden und die Bearbeitung der Tonspuren an – und das natürlich neben dem Studium her. Die drei Produzenten rechnen damit, im Herbst fertig zu sein. Dann soll „Elenore“ auf Premieren in verschiedenen Städten und Festivals dem Publikum vorgestellt werden. Auch in Backnang soll es eine Präsentation geben. Die drei Macher würden das Projekt gerne mit einer Spendenaktion für Hilfsorganisationen und Vereine wie „Liebe ohne Zwang“ und „no loverboys“ verbinden. Der Polizei sowie den Organisationen stelle man den Kurzfilm zudem auch kostenfrei zur Verfügung.

Sichtlich zufrieden: Regisseur Niklas Straub (links), Schauspielerin Farina Flebbe und Produzent Dominik Reiland. Fotos: N. Benjamin

Sichtlich zufrieden: Regisseur Niklas Straub (links), Schauspielerin Farina Flebbe und Produzent Dominik Reiland. Fotos: N. Benjamin

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Erstellt:
19. März 2019, 14:26 Uhr

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