Junge Männer treten Spiegel ab und müssen jetzt büßen
Richter wendet Jugendstrafrecht an und verdonnert das Trio zu Geldstrafen beziehungsweise Arbeitsstunden und zur Schadenswiedergutmachung.
Von Florian Muhl
Backnang. Auf der Anklagebank des Backnanger Amtsgerichts sitzen drei junge Männer brav nebeneinander, ohne Rechtsbeistand. Dass sie nachts randalierend durch mehrere Backnanger Straßen gezogen sein und dabei mehrere Außenspiegel von Autos abgetreten haben sollen, für diese Vorstellung braucht man einige Fantasie.
„Am frühen Sonntagmorgen gegen 1.50 Uhr sind bei der Polizei drei Männer gemeldet worden, die dabei beobachtet worden waren, wie sie an einem in Backnang geparkten Auto einen Außenspiegel abschlugen und ihn umherkickten“, berichtete unsere Zeitung Anfang Juli vergangenen Jahres über diesen Vorfall. Damals hatte die Polizei einen 20-jährigen Mann und zwei 19-jährige Männer am Busbahnhof entdeckt und deren Personalien dokumentiert.
„Später stellte sich heraus, dass entlang der Strecke Röntgenplatz, Röntgenstraße bis hin zur Fichtestraße an elf Fahrzeugen die Spiegel umgeklappt oder sogar beschädigt worden waren“, so die Zeitungsmeldung vom vergangenen Jahr weiter. Die Schadenshöhe betrug mehrere Hundert Euro. Was die drei jungen und offensichtlich angetrunkenen Männer aus dem Raum Backnang wohl nicht bemerkt hatten ist, dass ein Zeuge auf das Trio aufmerksam geworden war, weil er in seinem Garten metallische Geräusche und Schläge gehört, die Polizei informiert und die drei bis zum Bahnhof verfolgt hatte. Angeklagt waren jetzt vier Sachbeschädigungen.
Angeklagte machen keine Angaben zum Tatvorwurf
„Ich denke, das ist eine eindeutige Sache“, sagt der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung, der die drei jungen Männer schuldig sprach. Enttäuscht fügt er an: „Leider haben Sie keine Angaben zum Tatvorwurf gemacht. Ich halte das für einen Fehler.“ Aber es sei ihr Recht, bei der Verhandlung nicht mitzuwirken. „Sie haben sich nach Kräften um eine Schadenswiedergutmachung zu bemühen“, so lautet das Urteil. Zudem muss einer der drei Verurteilten 50 Stunden gemeinnützige unentgeltliche Arbeit leisten. Die beiden Mitangeklagten erhalten jeweils die Auflage, 800 beziehungsweise 350 Euro zugunsten der Initiative „Sicherer Landkreis“ zu bezahlen sowie auch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Nicht leicht war die Beurteilung, warum man eigentlich nicht Erwachsenenstrafrecht anwenden sollte, besonders bei einem der drei Angeklagten, so der Richter. Aber die Tatsache, dass die Jugendlichen zur Tatzeit zum Teil offensichtlich ein Alkoholproblem hatten und in schwierigen familiären Situationen wohnten, rechtfertige die Anwendung des Jugendstrafrechts. „Das gibt uns auch die Chance, erzieherische Überlegungen noch einzubeziehen. Das wäre im Erwachsenenstrafrecht dann nicht mehr der Fall“, so der Vorsitzende.
Von den Verurteilten wird erwartet, dass sie nach Möglichkeit Geldbeträge bezahlen
Dass sich die Verurteilten nach Kräften um die Schadenswiedergutmachung bemühen müssen, ist nicht nur ein Satz, der da so steht, ermahnte der Richter die drei jungen Männer. „Da wird erwartet, dass Sie nach Möglichkeit Geldbeträge bezahlen. Das betrifft vor allem natürlich diejenigen, die auch Geld haben.“ Bei einem der drei Verurteilten sehe es aus finanzieller Sicht weniger gut aus. Der müsse sich aber mindestens um ein persönliches Gespräch oder eine Entschuldigung bemühen „und vielleicht können Sie ja auch irgendwie was Finanzielles beitragen“. Der Vorsitzende richtete seine Gedanken auf die Geschädigten: „Die bleiben erst mal auf ihrem Schaden sitzen.“ Eventuell mussten sie sich um ein Ersatzfahrzeug bemühen.
Der Richter hat aber auch ein gutes Wort für die Angeklagten, von denen zwei mitten in der Ausbildung zum Mechaniker stecken: „Jetzt stehen Sie auch das erste Mal vor Gericht. Und der Alkohol hat sicher eine Rolle gespielt.“ Man sei zu dritt gewesen, der eine fange an, dann würden die anderen beiden halt mitmachen. „Diese Dynamik muss man auch berücksichtigen. Wenn Sie allein gewesen wären, hätte das womöglich gar nicht stattgefunden.“ – „Ich bin auch der Meinung, dass es sich bei der Tat tatsächlich um eine jugendtypische Verfehlung handelt, sodass im Ergebnis bei allen drei Jugendstrafrecht anzuwenden ist“, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer, der im Unterschied zum Urteil für den einen Angeklagten anstatt der 50 verhängten Arbeitsstunden 70 gefordert hatte.