Kitaöffnungszeiten in Backnang auf dem Prüfstand
Backnanger Kita-Beirat will mit einer weiteren Umfrage unter allen Eltern von Kindern unter drei Jahren exakt ermitteln, welche Betreuungszeiten benötigt werden. Passgenaue Angebote sollen verhindern, dass Fachkräfte zu falschen Zeiten gebunden werden.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Eine erneute Umfrage unter allen Backnanger Eltern, die Kinder unter drei Jahren haben, soll noch detaillierter klären, welche Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen die optimalen sind. Optimal in dem Sinn, dass all jene Zeiten abgedeckt werden, zu denen die Eltern dringend eine Betreuung für ihre Sprösslinge benötigen. Und optimal in dem Sinn, dass keine unnötigen Angebote gemacht werden. Denn eines will man vonseiten der Stadt auf jeden Fall verhindern: dass irgendwann Öffnungszeiten reduziert werden müssen, weil es nicht ausreichend Betreuungskräfte gibt, während andererseits Angebote aufrechterhalten werden, die fast niemand nutzt.
Eine Arbeitsgruppe des neu gegründeten Kita-Beirats hat sich daher für die Bedarfsermittlung ausgesprochen, die – wie die erste Umfrage schon – von der Bonner Firma Biregio vorgenommen wird. Die Eltern werden direkt in den Betreuungseinrichtungen angesprochen. Da man auf diese Weise aber maximal 25 Prozent der Betroffenen erreicht, erhalten alle infrage kommenden Eltern auch Post. Im Gegensatz zum ersten Fragebogen ist dieses Schreiben nicht nur in Deutsch aufgesetzt, sondern auch in Englisch, Türkisch, Ukrainisch, Russisch, Persisch, Arabisch, Französisch und Griechisch. Geplant ist, dass die Ergebnisse noch vor den Sommerferien vorliegen. Sozialdezernentin Regine Wüllenweber ist überzeugt von dem Vorgehen: „Wir wollen passgenaue Angebote und nicht die seltenen Fachkräfte binden in Zeiten, die gar nicht nachgefragt werden. Deshalb werden wir noch genauer abfragen, was Eltern brauchen. Vielleicht nehmen sie ein Angebot nur wahr, weil es dieses gibt, aber es würde auch ein ganz anderes infrage kommen.“
In den Randzeiten könnten auch Eltern oder Leseomas als Betreuer einspringen
Zudem wird ermittelt, wer wann am Tag
das gebuchte Angebot nutzt und welche Wochentage wie ausgelastet sind. Jonathan Seifert, der Leiter des Amts für Familie, Jugend und Bildung, spricht von einer „Nutzerfrequenzanalyse“. Ihr Ziel sei es, durch die Konzentration auf die Hauptbetreuungszeiten „Bildungszeit“ in der Kita gewährleisten zu können. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in den weniger genutzten Randzeiten auch Hilfskräfte wie Leseomas oder Eltern die Betreuung übernehmen könnten. Dies ist seit Dezember möglich. Damals ist der sogenannte Erprobungsparagraf in Baden-Württemberg in Kraft getreten, wonach Kitas in bestimmten Fällen vom Fachkräfteschlüssel abweichen dürfen. Der Paragraf bietet den Verantwortlichen vor Ort die Chance, passende Lösungen entwickeln zu können, um den Bedürfnissen der Kinder, Eltern und des Kitapersonals gerecht zu werden.
Lea Bulling, die Sprecherin des Gesamtelternbeirats, forderte, die Analyse langfristig anzulegen, da sonst verfälschte Ergebnisse zustande kommen können. Etwa wenn wegen einer S-Bahn-Störung jemand Homeoffice macht und ausgerechnet während der Erhebung keine Betreuung benötigt. Oder wegen Krankheit. Pia Täpsi-Kleinpeter (SPD) unterstrich dies. Sie forderte entweder einen genügend langen Zeitraum oder zweimal vier Wochen mit mehreren Wochen Pause dazwischen. Zudem sagte Bulling, man dürfe aus der Analyse nicht sofort die Konsequenz ziehen, die Öffnungszeiten zu kürzen. Wüllenweber und Seifert betonten, dies sei nicht zwangsläufig der Fall. Seifert sicherte vielmehr zu, die Erhebung sei nur ein kleines Zahnrad von vielen und dass bei einer Entscheidung alle Aspekte berücksichtigt werden.
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Nach Ansicht von Lutz-Dietrich Schweizer von der Christlichen Initiative Backnang (CIB) ist es ohnehin ein Fehler, wenn Kinder zu früh außer Haus in die Betreuung gegeben werden, da dies negative Auswirkungen auf deren Bindungsfähigkeit habe. Sollte es so kommen, dass in den Randzeiten auch Hilfskräfte eingesetzt werden, um die ganze Palette an Öffnungszeiten abdecken zu können, „dann bekommen die Kinder noch mehr fremde Menschen zu Gesicht“.
Die Arbeitsgruppe hatte sich zudem damit beschäftigt, die Homepage und einen Flyer zu überarbeiten, mit denen frühzeitig über Angebote informiert werden sollte. Jonathan Seifert erläuterte, der Flyer sei absichtlich sehr knapp gehalten worden, damit die Eltern nicht mit einem Wust an Informationen abgeschreckt würden. Dafür gebe es auf dem Flyer einen QR-Code, der auf die Backnanger Homepage weiterleitet. Und dort seien alle Angebote ausführlich beschrieben. Der Flyer werde jedem Willkommensgruß beigelegt, den OB Maximilian Friedrich allen neuen Backnanger Erdenbürgern zukommen lässt, und er werde beim Einwohnermeldeamt, bei den Frauenärzten sowie der Stabsstelle Flucht und Integration ausgelegt und über die Hebammen verteilt. Regine Wüllenweber warb für dieses Vorgehen und verwies darauf, dass die Broschüren, die früher angeboten wurden, oft schon kurze Zeit nach dem Druck schon wieder überholt waren, weil es die Angebote nicht mehr gab oder sich die Öffnungszeiten oder die Orte geändert hätten.
Zu wenige Informationen über andere Betreuungsangebote oder Alternativen
Mit dem aktuellen Stand nicht zufrieden zeigte sich Lutz-Dietrich Schweizer. Auf der Homepage würde die erste Frage lauten: „Warum ist die Kita gut für mein Kind?“ Und Schweizer klagte: „Die Kita ist gut für die Volkswirtschaft und die Steuerkassen, aber in 90 Prozent nicht für das Kind.“ Der CIB-Rat räumte ein, dass es Kinder gebe, „bei denen die Eltern überfordert sind und bei denen es gut ist, die Kinder in eine Kita zu geben“. Aber beim allergrößten Teil sei das nicht der Fall. Schweizer sprach von einer „reinen Propagandaschrift, das Kind möglichst früh in die Kita zu bringen“ und fragte: „Wollen wir das wirklich so?“ Seiner Ansicht nach gab es zu wenige Informationen über Alternativen: „Kein Wort über andere Betreuungsformen oder Lösungen. Kein Wort über Tagesmütter, Spielgruppen oder finanzielle Hilfen.“ Wüllenweber räumte ein, dass die erwähnte Formulierung unglücklich sei und geändert werden müsse. Die Überschrift „Was gibt es an Angeboten?“ sei besser als „Wie komme ich zu einem Kita-Platz?“.
Pia Täpsi-Kleinpeter gab Schweizer zwar einerseits recht, dass auch auf Angebote wie Tagesmütter oder Spielgruppen hingewiesen werden sollte. Auf der anderen Seite betonte sie auch die Wahlfreiheit und bemerkte in Richtung des CIB-Rats: „Kein Mensch zwingt die Eltern, ihre Kinder in die Kita zu schicken. Aber wir wollen es denen ermöglichen, die darauf angewiesen sind.“
Umfrage Vor einigen Monaten ist bereits in einer ersten Umfrage ermittelt worden, ob die Angebote der Kinderbetreuung auch zu den Bedürfnissen der Eltern passen (wir berichteten). Damals blieben einige Fragen offen, weshalb eine Arbeitsgruppe des Kita-Beirats von der Verwaltung eine zweite Elternabfrage forderte, bei der geklärt werden sollte, wie viele Eltern von Kindern, die jünger sind als drei Jahre, einen Betreuungsplatz für ihren Sprössling benötigen.
Warteliste Mario Wolf, der als Sachgebietsleiter im Amt für Familie, Jugend und Bildung für die Kitas verantwortlich ist, stellte in der jüngsten Sitzung des Kita-Beirats die Ergebnisse der telefonischen Umfrage vor. Demnach wurden von den 150 Familien, die einen Bedarf angemeldet hatten und auf der Warteliste standen, bis auf vier alle erreicht. Bei 61 Familien hatte sich das Thema aus den unterschiedlichsten Gründen bereits erledigt. Sie hatten schon eine Zusage erhalten, waren weggezogen, hatten eine Tagesmutter engagiert oder der Bedarf hatte sich geändert. Somit blieben 89 Kinder auf der Warteliste übrig, die bis einschließlich September dieses Jahres einen Betreuungsplatz benötigten.
Vergabe Mitte April wurden die ersten U-3-Plätze vergeben. Die Familien von 62 Kindern konnten sich freuen, sie erhielten Zusagen für eine Betreuung. Die restlichen 27 Familien stehen weiter auf der Warteliste. Doch Wolf relativierte: Zwei Familien stammen nicht aus Backnang und hätten keinen Anspruch und bei den übrigen habe die Abfrage ergeben, „dass die Eltern keinen besonderen Druck haben und auf einen Kitaplatz warten können“. Sollten Absagen eingehen, dass Eltern einen bereits zugesagten Platz nicht benötigen, so würden diese freien Plätze sofort neu vergeben werden. Auch würden Härtefälle berücksichtigt werden.