Klein, aber selbstständig
50 Jahre Gemeindereform: Mit Spiegelberg, Jux und Nassach kam am 1. September 1971 einer der kleinsten Zusammenschlüsse zustande – in friedlichem Beisammensein und ohne Streit, wie der damalige Bürgermeister Friedrich Hiemer die neue Konstellation rückblickend bewertet.
Von Nicola Scharpf
Spiegelberg. „Man ist gut miteinander ausgekommen“, erinnert sich Friedrich Hiemer. „Es gab schon vor der Reform die Chorgemeinschaft. Und die Kirchengemeinde umfasste auch Spiegelberg, Jux und Nassach. Der Zusammenschluss hat sich leicht ergeben.“ Wenn der ehemalige Bürgermeister, der zugleich Spiegelbergs erster und einziger Ehrenbürger ist, an die Zeit vor 50 Jahren zurückdenkt, charakterisiert er die Bemühungen um den Zusammenschluss der ehemals eigenständigen Gemeinden Spiegelberg, Jux und Nassach als „friedliches Beisammensein“. „Man hat eigentlich gar nicht drum gestritten“, sagt der 83-Jährige, der Spiegelbergs Geschicke bis 1999 insgesamt 36 Jahre lang leitete.
Vielmehr sah man in Jux die finanziellen Anreize, die das Land bei freiwilligen Zusammenschlüssen in Aussicht gestellt hatte. Der Bau eines Freibads für Jux, um den Ort für den Fremdenverkehr aufzuwerten, soll im Gespräch gewesen sein. „Ja? Von dem Plan weiß ich nichts“, winkt Hiemer ab. Zwischen Spiegelberg und Jux zeichnete sich auch deshalb schnell ab, dass sie ab 1. September 1971 vereint verwaltet werden, weil Hiemer bereits seit 1965 Bürgermeister beider Orte war. „So eine Personalunion kam schon vor, war aber trotzdem etwas Besonderes.“ Seine Frau Jutta Hiemer ergänzt: „Nach dem Zusammenschluss haben die Gemeinderatssitzungen an nur noch einem Termin gemeinsam stattgefunden. Davon hat unsere Familie profitiert.“ Die 80-Jährige hat schon noch in Erinnerung, dass die Frage, wie es auf kommunalpolitischer Ebene weitergeht, ihrem Mann während der Phase der Reform schlaflose Nächte bereitete. „Man trägt die Sorgen mit.“
In Nassach war man nicht von Anfang an auf Kooperationskurs.
Die Bestrebung der Nassacher war zunächst, so lange wie möglich eigenständig zu bleiben – so ein Gemeinderatsbeschluss im März 1970. Ein Zusammenschluss lediglich von Spiegelberg und Jux hielten die beiden Gemeinderäte der Orte allerdings nicht für ausreichend. Um eine größere, leistungsfähige Gemeinde zu bilden, fühlte man also in Neulautern vor und fing sich eine Absage ein. Sie hing auch mit der Neueinteilung der Landkreise zusammen, da das Landratsamt Heilbronn wünschte, Neulautern möge sich Wüstenrot anschließen, um ein Schulzentrum bei Weihenbronn realisieren zu können. Als die Kreisgrenzen ins Wanken gerieten, begann mancherorts das Tauziehen um grenznahe Gemeinden, um die Kreisgrenzen von der Gemeindeebene her zu beeinflussen. So streckte der Kreis Heilbronn seine Fühler in Richtung Nassach aus. Der Wille der Bevölkerung entschied jedoch, diese Zuordnung abzulehnen. Nassachs damaliger Bürgermeister Georg Maier, der sich mit 26 Amtsjahren als dienstältester Bürgermeister des Kreises Backnang im November 1971 in den Ruhestand verabschiedete, war aber vehement dafür, dass sich Nassach Spiegelberg und Jux anschließt, rekapituliert Bürgermeister Uwe Bossert im Gespräch mit Hiemer, seinem Vorvorgänger im Amt.
Ein wenig Geschacher war also vorhanden – und auch Abtrünnigkeitsbestrebungen. Der Versuch aus Vorderbüchelberg, sich vom Mutterort Spiegelberg loszusagen und eine Umgemeindung und Umkreisung ins benachbarte Wüstenrot anzustreben, stieß in Spiegelberg auf Ablehnung. Der Gemeinderat war nicht gewillt, vor der anstehenden Gemeindereform einzelne Gemeindeteile abzutreten, was den Anfang der Selbstauflösung der Gemeinde bedeutet hätte, berichtete die BKZ damals. Eine Interessengruppe aus Vorderbüchelberg akzeptierte dies nicht so ohne Weiteres und richtete ein Schreiben an das Innenministerium mit dem Antrag auf Umgemeindung. Spiegelberg seinerseits beantragte, Dauernberg möge eingemeindet werden, falls Vorderbüchelberg an Wüstenrot geht. „Aus Jux heraus kam die Idee, sich Sulzbach anzuschließen“, bringt Hiemer eine weitere Konstellation ins Spiel, die damals diskutiert wurde. „Das ist aus einer Unzufriedenheit heraus entstanden. Unter dem Strich war es eine Minderheit der Bürger.“
Die drei Lautertalgemeinden wiesen Erpressermethoden zurück.
Womit er wohl recht hat: Spiegelberg, Nassach und Jux hatten alle aus Sulzbach gleichlautende Angebote bekommen und waren gelockt worden, dass diejenige Lautertalgemeinde, die sich Sulzbach als Erste anschließt, eine Sonderprämie erhalten würde. In scharfer Form wiesen die Gemeinderäte diese Art der Verhandlungsführung zurück, so steht in einem Zeitungsbericht: „Werden schon die ,freiwilligen‘ Gemeindezusammenschlüsse durch das Land mit Zuckerbrot und Peitsche auf wenig demokratische Art betrieben, so sollten doch Erpressermethoden unter den betroffenen Gemeinden unterbleiben. Der Gemeinderat Spiegelberg ist sich bewusst, würde eine der angesprochenen Gemeinden dieses Angebot akzeptieren, wäre das Schicksal der übrigen besiegelt. (...) Der Gemeinderat Spiegelberg betrachtet das Eingehen auf dieses Verhandlungsangebot als unter seiner Würde.“ Auch Bürgeranhörungen ergaben jeweils deutliche Mehrheiten für eine Dreierkonstellation im Lautertal.
So kam es also zwischen Jux, Nassach und Spiegelberg bei der „Gipfelkonferenz“ – sie fand im höchstgelegenen Ortsteil im Gemeindehaus Jux statt – zur Vertragsunterzeichnung und damit zu einem der kleinsten Zusammenschlüsse, zählte die neue Gemeinde Spiegelberg damals rund 1800 Einwohner. Sechs Jahre später fand die Gemeindereform mit der Eingliederung Dauernbergs eine Abrundung: Der Bürgermeister von Sulzbach stellte, wie auch der Bürgermeister von Spiegelberg, den Antrag, die Reichenberger Teilorte Bernhalden und Dauernberg von der weit entfernten Muttergemarkung zu lösen. Nach einer Bürgeranhörung am 24. Oktober 1976 stimmten acht Bürger für Spiegelberg und 25 dagegen. Mit zehn weiteren Fällen zusammen wurde der Fall Dauernberg in die Rechtsverordnung des Innenministeriums einbezogen, mit der Folge, dass Dauernberg zum Januar 1977 nach Spiegelberg eingegliedert wurde. Im November 1980 gab der Gemeinderat seine Zustimmung zum neuen Wappen der Gemeinde Spiegelberg, die bisherigen Wappen entfielen.
Gemeinsames Wappen, gemeinsame Verwaltung: Friedrich Hiemer und Uwe Bossert legen Wert auf die Feststellung, dass die Orte trotz der Einheitsgemeinde ihre Individualität, ihr aktives Dorfleben bis heute bewahren konnten. Hat Hiemer anfangs noch häufig Sprechstunden in den Verwaltungsaußenstellen der Ortsteile abgehalten, war dieses Angebot in Bosserts Amtszeit aufgrund schwindenden Interesses seitens der Bevölkerung rückläufig. Bossert: „In allen drei Ortsteilen haben wir Einrichtungen wie die Feuerwehrstandorte oder die Gemeindehalle erhalten.“