Kritik an Vergabemodus für Solarförderung
Ein KfW-Zuschuss für Ladestation, Fotovoltaikanlage und Solarstromspeicher ist innerhalb von wenigen Stunden vergriffen. Verärgerung und viel Frust bei Bürgerinnen und Bürgern, die nicht schnell genug sind und auch kein Glück haben. Die Kfz-Innung moniert die Vergaberichtlinien.
Von Florian Muhl
Backnang. „Das ging so schnell, dass bei uns gar niemand damit aufgeschlagen ist“, sagt Markus Mulfinger zu der Vergabe der Fördermittel, die am Dienstag, 26. September, innerhalb von wenigen Stunden vergriffen waren. „Wir hatten eine einzige Anfrage, die aber nicht zustande gekommen ist“, so der Chef der Autohaus Walter Mulfinger GmbH in Backnang. Bei der Vergabe der Zuschüsse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) herrschte das Windhundprinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. „Mein Freund hat einen Zuschuss erwischt“, meint Simon Kosi. Wie er das gemacht hat? „Er hat die Uhrzeit in Erfahrung gebracht, ab wann man Anträge einschicken kann, hat sich dann einen Wecker gestellt und seinen Antrag gleich losgeschickt“, verrät der Energieberater aus Steinheim an der Murr, der einen Kunden in Althütte hat, der auch gerne in den Genuss eines Zuschusses gekommen wäre.
„Respekt vor der Leistung, innerhalb kürzester Zeit 33000 Anträge zu genehmigen“, kommentiert Simone Lebherz den Vorgang. Aber die hauptamtliche Klimamanagerin der Stadt Backnang wundert sich nicht über die große Resonanz am Förderprogramm. „Das war zu erwarten. Die Fördersumme je Antragsteller ist hoch und die Kombination für viele E-Auto-Besitzer attraktiv“, sagt sie. Im Bereich der erneuerbaren Energien gebe es aktuell eine große Fülle an attraktiv ausgestatteten Förderprogrammen von Bund und Land.
Die Stadt Backnang beobachtet fortlaufend die Förderlandschaft
In diesem Zusammenhang weist die Klimamanagerin auf das mittlerweile aufgestockte Förderprogramm der Stadt für Balkonkraftwerke hin. „Zumindest derzeit sehen wir keine Notwendigkeit, hier ein weiteres Förderprogramm mit kommunalen Mitteln aufzulegen. Wir beobachten aber fortlaufend die Förderlandschaft und reagieren, wenn wir feststellen, dass eine Nachsteuerung oder Ergänzung durch die Stadt Backnang sinnvoll wäre“, sagt Simone Lebherz abschließend.
Weil der Landkreisverwaltung die finanziellen Mittel für Solarförderprogramme dieser Art fehlen, kann der Kreis keine Anreize wie der Bund setzen. „Daher begrüßen wir das KfW-Förderprogramm des Bundes. Ein solches Programm sollte aber nicht zu Enttäuschungen führen, sondern die Bürgerinnen und Bürger vielmehr motivieren“, meint Melanie Barth, Pressesprecherin des Landratsamts Rems-Murr-Kreis.
Dass die Vergabe der Solarstromfördermittel für viele Menschen zu Frust führen würde, war auch für Stephan Klüe im Vorfeld klar. Der Geschäftsführer von „Plan4 Photovoltaik“ aus Plüderhausen, der dieser Tage bei der Firma Feucht in Backnang einen Vortrag über Fotovoltaik hielt, hat seinen Kunden im Rems-Murr-Kreis Wochen vorher dazu geraten, den Antrag schon mal fertig auszufüllen, sodass sie ab Abgabebeginn nur noch auf den Versenden-Knopf drücken müssen. „Angesichts des großen Interesses, 1,17 Millionen Anträge sollen wohl vorgelegen haben, war für mich klar: Das wird ne Sache von wenigen Stunden. Und so kam es dann auch“, sagte Klüe in Backnang auf Anfrage unserer Zeitung.
Kfz-Innung: Bund hat Chance verpasst
Harsche Kritik an den Vergaberegeln der Bundesmittel übt die Kfz-Innung Region Stuttgart. Dass das Förderprogramm „Solarstrom für Elektromobilität“ bereits nach wenigen Stunden gestoppt werden musste, da die Fördermittel für das Jahr 2023 erschöpft waren, sei keine Überraschung gewesen. Ein besonders kritikwürdiger Punkt sei die Förderung von Antragstellern, die bereits Elektroautos besitzen. „Es gibt Mitnahmeeffekte von Hausbesitzern, die es gar nicht brauchen“, so Geschäftsführer Christian Reher. Dies habe dazu geführt, dass das Fördervolumen von 300 Millionen Euro bei nur 33000 Anträgen komplett aufgebraucht worden sei.
Obermeister Torsten Treiber äußerte sich dazu wie folgt: „Der Bund hat hier eine Chance verpasst, zusätzliche Elektrofahrzeuge in den Verkehr zu bringen. Kunden, die auf das Programm gehofft und ein neues E-Fahrzeug bestellt hatten, sind teilweise wieder abgesprungen, weil sie bei der Förderung nicht zum Zug gekommen sind.“ Stattdessen würden nun Hausbesitzer profitieren, die oft schon ein E-Auto fahren würden. „So rückt das Ziel von 15 Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030 in weite Ferne“, so das Fazit des Obermeisters.
Forderung nach weiteren Fördermitteln
„Man kann hier klar von einem Fehlstart sprechen“, sagt Torsten Treiber weiter. „Um die Elektromobilität und den Ausbau von PV-Kapazitäten sinnvoll voranzutreiben, müsste die Anschaffung eines neuen Elektroautos Förderkriterium sein.“ Die Beschränkung auf PV-Anlage, Speicher und Wallbox greife dabei deutlich zu kurz.
Die Kfz-Innung Region Stuttgart fordert daher die Bundesregierung auf, erneut Fördermittel bereitzustellen und die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen als Förderkriterium miteinzubeziehen. Damit soll das Programm „Solarstrom für Elektromobilität“ effektiv dazu beitragen, die Elektromobilität zu fördern und nicht nur die Kapazitäten für Fotovoltaikanlagen zu erhöhen.
Zuschuss Von der KfW gibt es einen Zuschuss von bis zu 10200 Euro für den Kauf und Anschluss von Ladestation, Fotovoltaikanlage und Solarstromspeicher.
Zielgruppe Berechtigt sind Eigentümer von selbst genutzten Wohngebäuden, die ein Elektroauto besitzen.
Zuschussgeber Der Zuschuss wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) gewährt.
Ausgeschöpft Aufgrund des enormen Interesses und der hohen Nachfrage sind die gewährten Haushaltsmittel in Höhe von 300 Millionen Euro für das Jahr 2023 laut KfW bereits ausgeschöpft. Insgesamt wurden rund 33000 Anträge positiv entschieden.
Alternative Im Jahr 2024 ist die weitere Bereitstellung von 200 Millionen Euro für neue Anträge geplant. Den Zeitpunkt, ab dem wieder Anträge gestellt werden können, will die KfW noch bekannt geben.
Wichtig Fördermittel kann man auch dann, 2024, nur beantragen, bevor man Liefer- und Leistungsverträge abschließt.