Ladendiebstahl als Freundschaftsdienst
Eine 20-Jährige stiehlt für eine Freundin. Die mitgeführte Schere wertet das Gericht als Waffe.
Von Christoph Zender
Backnang. „Ich bin ein hilfsbereiter Mensch und kann schlecht Nein sein sagen.“ Mit diesem persönlichen Eingeständnis versucht eine 20-jährige Auszubildende, eine Straftat zu erklären, für die sie sich vor dem Jugendgericht in Backnang zu verantworten hat. Was war geschehen? Im Sommer des vergangenen Jahres hatte die Angeklagte in der Stuttgarter Filiale einer bei Jugendlichen beliebten skandinavischen Modekette einen Ladendiebstahl begangen. Dabei habe sie die entwendeten Modeartikel – eine weiße Hemdbluse und Modeschmuck – mit einem Warenwert von rund 100 Euro allerdings nicht für sich persönlich gestohlen, sondern für eine gute Freundin.
Diese habe sie dazu überredet, da sie die gestohlenen Artikel unbedingt selbst für eine Hochzeitsfeier benötigte. Zum Verhängnis wurde der im Backnanger Umland lebenden Heranwachsenden nicht nur, dass sie in flagranti erwischt wurde, sondern auch, dass sie bei dem Diebstahl eine Schere mit sich trug. Damit sollten die Sicherheitsetiketten von den Modegegenständen entfernt werden, um unbehelligt das Geschäft wieder verlassen zu können. Wie der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift ausführt, muss die mitgeführte Schere als Waffe gewertet werden. Folglich lautet die Anklage auf „Jugendlicher Diebstahl mit Waffe“. Eine Straftat und kein Kavaliersdelikt.
30 Sozialstunden als Auflage
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Im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht sieht das Gesetz bei Jugendlichen und Heranwachsenden vor, dass in solchen Fällen die Jugendstrafhilfe eingeschaltet wird. Sie soll prüfen, ob es Alternativen zu einem förmlichen Strafverfahren gibt. Nach Aussage der anwesenden Vertreterin der Jugendstrafhilfe war dies auch hier der Fall. In einem ausführlichen Aufsatz sollte die junge Frau sich mit der von ihr begangenen Tat auseinandersetzen und den Aspekt der Reue thematisieren. Später kamen auf Antrag der Staatsanwaltschaft noch 30 Sozialstunden als Auflage hinzu.
Damit hätte die Angeklagte die Gerichtsverhandlung abwenden können. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen will die noch bei ihren Eltern lebende Auszubildende die diesbezüglichen Schreiben der Jugendstrafhilfe nicht erhalten haben. Auch auf Nachfrage des Richters hin bleibt sie bei ihrer Aussage. So kam es dann doch zu der Verhandlung vor Gericht, in deren Verlauf die 20-Jährige allerdings Reue zeigt und beteuert, den Kontakt zu ihrer damaligen Freundin abgebrochen zu haben. Ebenso schildert sie, dass ihr privates Leben in geordneten Bahnen verlaufe und sie erfolgreich eine Ausbildung zur Pflegefachfrau absolviere. Vom Richter konkret danach befragt, verneint sie, Drogen- und Alkoholprobleme sowie Schulden zu haben.
Da die Angeklagte sich bislang nichts habe zuschulden kommen lassen, geht der Vorsitzende Richter davon aus, dass es sich bei dem Diebstahl wohl um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt hat. „Ich hoffe, Sie haben aus der Geschichte gelernt“, appelliert er eindringlich an das Gewissen der jungen Frau. Gegen eine Geldauflage von 300 Euro ist der Richter bereit, das Verfahren gegen sie einzustellen. Vorausgesetzt, der Betrag wird innerhalb von vier Wochen beglichen.