Langohr-Fledermaus stoppt Abbruch
Streng geschützte Art auf dem Areal entlang der Eugen-Adolff-Straße nachgewiesen – Arbeiten gehen erst im Sommer 2020 weiter
Die Abrissarbeiten entlang der Eugen-Adolff-Straße in Backnang sind vorerst gestoppt. In einem Teil des Areals wurde die Existenz einer grauen Langohr-Fledermaus nachgewiesen. Und die ist streng geschützt. Der Baustopp ist für die Stadt jedoch kein großes Ding. Zwar können die restlichen Gebäude frühestens im Sommer nächsten Jahres weggebaggert werden, aber die positiven Effekte der angestrebten Frischluftschneise sind bereits mit dem jetzt erreichten Baufortschritt eingetreten.

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Der mittlere Teil des Gebäudekomplexes darf noch nicht abgerissen werden. Ärgerlich für den Bauherrn. Aber auch für die Verkehrsteilnehmer, weil die Straße nochmals gesperrt werden muss. Foto: A. Becher
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Während der gesamten Sommerferien war die Eugen-Adolff-Straße zwischen der Chelmsfordbrücke und der Abzweigung nach Sachsenweiler halbseitig gesperrt. In dieser Zeit sollten die abbruchreifen Gebäude der ehemaligen Schlosserei Schwarz mit den Hausnummern 26 bis 28 abgerissen werden. Doch irgendwie ist der Wurm drin in dem Projekt. Anfangs verzögerte sich der Abbruch, weil zuerst für die Straßenbeleuchtung eine neue Lösung realisiert werden musste. Bislang nämlich hingen die Straßenlampen an Seilen, die über die Straße von einem Haus zum nächsten Haus gespannt waren. Mit dem Abbruch der Häuserzeile auf der einen Straßenseite war dies nicht mehr möglich. Deshalb setzte die Syna auf einer Länge von 300 Metern neue Straßenlaternen und verlegte Stromleitungen.
Nachdem das Problem mit der Straßenbeleuchtung gelöst war, ging es anfangs mit Vollgas weiter, drei Gebäudeteile waren innerhalb weniger Tage eingerissen. Dann jedoch trat Stillstand auf der Baustelle ein. Im Gegenteil sogar, an einem Anbau des ehemaligen Wohnhauses wurde die offene Fassade mit Brettern gegen Sturm und Wind gesichert. Der Grund: Bei einer Begehung mit Experten des Naturschutzes waren Kotproben gesammelt worden. Und als spätere Untersuchung ergaben, dass sich in dem Anbau einmal eine graue Langohr-Fledermaus aufgehalten haben muss, wurden die Arbeiten in Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde eingestellt.
Tobias Großmann, der Leiter des Stadtplanungsamts, gibt sich jedoch ganz unaufgeregt. Er verweist zwar darauf, dass es sich bei dem Fledertier um eine „ganz besonders geschützte Art“ handelt. Die Kotproben seien bei der Begutachtung des Geländes im Vorfeld des Abbruchs gefunden worden. Und inzwischen sei auch der Nachweis gelungen, dass es sich um eben jene Fledermausgattung handelt. Allerdings scheint es sich nicht um eine ganze Kolonie zu handeln, sondern eher um wenige Tiere, eventuell sogar nur um eines. Und der derzeit ausgebremste Bauherr Dirk Veeser fügt noch an, dass sich dieses Tier vermutlich auch nicht in diesem Jahr in dem Gebäude aufgehalten hat, „sondern vermutlich in früheren Jahren und dann auch nur ein paar Nächte“.
Trotzdem, geschützt ist geschützt. Deshalb werden in den kommenden Monaten verschiedene Ersatzquartiere vergleichbar mit Nistkästen im Innenstadtgebiet und im Bereich der Murr aufgehängt. Wo genau, das bestimmen die Experten der Behörde, „sie geben Empfehlungen, damit die Ersatzquartiere auch angenommen werden“, so Veeser. Eile ist keine geboten, denn die Tiere befinden sich derzeit im Winterquartier. Im nächsten Jahr beobachten Gutachter über vier Monate hinweg, wie sich die Tiere verhalten. Wenn keine mehr im Baustellengelände abhängt, können in den nächsten Sommerferien wieder die Bagger rollen. Veeser: „Dann muss die Eugen-Adolff-Straße im August während der Sommerferien erneut für die Abbrucharbeiten halbseitig gesperrt werden. Dann allerdings nicht mehr so lange, da ein Großteil des Abbruchs schon erledigt ist. Aber ohne Sperrung geht es nun mal nicht.“
Die Unterbrechung der Arbeiten bezeichnet Veeser zwar als „höchst ärgerlich, aber in Bezug auf den Zeitplan auch nicht als tragisch“. Der Mitgeschäftsführer der DVA Projektentwicklungs-GmbH sieht sogar einen Vorteil darin: „Wenn man es positiv sehen will, dann haben wir jetzt eine Simulation, wie sich die Frischluftsituation in dem Straßenzug nach der künftigen Teilbebauung verhält.“ Bislang hat sich Dirk Veeser noch nicht mit der Neubebauung beschäftigt. In den nächsten Monaten möchte er sich mit den Vertretern der Stadt abstimmen. Und er sieht noch einen Vorteil in der Verzögerung des Projekts. „Wenn es mit der Planung gut läuft, dann können wir vielleicht nach dem Abschluss der endgültigen Abrissarbeiten gleich loslegen mit dem Wiederaufbau.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem nahtlosen Weiterbau kommt, ordnet er jedoch als eher gering ein, schließlich hat sein Unternehmen das Grundstück erst vor Kurzem erworben und die Neubauplanung ist noch völlig unausgegorenen. Zumal das Baugelände aufgrund der Randbedingungen wie dem Gleiskörper der Bahn oder der verkehrsreichen Straße – Stichwort Erschließung – alles andere als einfach ist. Dass sich in dem Areal überhaupt schon etwas getan hat, liegt an zwei Dingen. Erstens wurde der Abbruch vorgezogen, um Fördermittel zu erhalten. Und zweitens hilft die Frischluftschneise der Stadt zumindest befristet bei der Einhaltung der Schadstoffobergrenzen in diesem Gebiet. Wie konkret sich die Werte entwickeln, das steht derzeit noch nicht fest. Es besteht aber die Hoffnung, dass die Schadstoffwerte so weit sinken, dass Fahrverbote verhindert werden können.

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Ganz ehrlich, man kann’s auch übertreiben. Da wird ein Projekt gestoppt, das den Menschen Vorteile in Form von Frischluft bringt, nur weil sich vermutlich vor Jahren einmal vermutlich eine Fledermaus vermutlich zwei, drei Nächte in einem Anbau aufgehalten hat. Gesehen wurde sie nie, auch nicht bei insgesamt vier Begehungen des Objekts zu unterschiedlichen Dämmerungs- und Nachtzeiten. Nur den Kot hat man gefunden. Von einer Fledermausart wohlgemerkt, über die es bei Wikipedia heißt, sie sei in ganz Europa verbreitet. Vom Aussterben bedroht ist sie zumindest nicht.
Aber das ist typisch deutsch. Wo sonst könnte ein relativ häufig vorkommendes Tierchen ein sinnvolles Projekt höchstvermutlich unnötigerweise lahmlegen wenn nicht hierzulande. Da stimmt etwas im System nicht. Das ist keine Kritik am Artenschutz. Der ist heute ganz sicher wichtiger denn je. Aber der Schutz der Tiere muss verhältnismäßig sein. Und sinnvoll. Die Fledermaus ist derzeit nicht im Gebäude, sondern in einem Winterquartier. Mit dem Baustopp soll also lediglich verhindert werden, dass die Fledermaus im Frühjahr beim Flug durch die Eugen-Adolff-Straße geschockt feststellen muss, upps, mein Unterschlupf ist weg. Selbst die Experten bezweifeln, dass sie die Ersatznistkästen annimmt. Trotzdem wird die Forderung eisern durchgezogen.
m.nothstein@bkz.de