Druck auf Impfgegner steigt: Schärfere Eingriffe möglich

dpa/lsw Stuttgart/Baden-Baden. Die Impfbereitschaft in Baden-Württemberg steigt viel langsamer als erhofft, nach wie vor sind zu viele Menschen nicht geimpft. Das Land will deshalb den Druck auf Impfgegner erhöhen. Aber es regt sich auch Kritik an den neuen Ideen.

Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) spricht. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) spricht. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Das Land will Impfgegner weiter unter Druck setzen und schließt auch schärfere Eingriffe ins Privatleben von Menschen nicht aus, die sich nicht impfen lassen wollen. Inzwischen gebe es eine „Pandemie der Ungeimpften“, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Dienstag bei SWR Aktuell. Die Sieben-Tages-Inzidenz bei Geimpften liege bei 13, die der Ungeimpften dagegen bei knapp 150. Sollten sich die Zahlen nicht verbessern, sei auch eine sogenannte 2G-Regel der „richtige Schritt“, sagte er. Das würde bedeuten, dass nur noch Geimpfte oder Genesene etwa Restaurants besuchen dürften.

Im Moment gilt in Baden-Württemberg die 3G-Regel. Danach stehen bestimmte Bereiche des öffentlichen Lebens neben den Geimpften und Genesenen auch den negativ auf das Coronavirus Getesteten offen.

Scharf wandte sich Lucha gegen Kritiker der Impfungen. Jeder, der sich nicht impfen lasse, gefährde die gesamtmedizinische Versorgung, sagte er. Herzinfarkte oder Schlaganfälle könnten dann unter Umständen wegen der Überlastung des Personals nicht mehr behandelt werden. „Wir haben es [das Personal] aufgebraucht, wir haben es "verbrannt", um es mal drastisch zu sagen, nur weil manche zu bequem sind, zum Impfen zu gehen“, sagte der Grünen-Minister.

Firmen soll nach dem Willen des Landes auch erlaubt werden, ihre Beschäftigten nach dem Impfstatus zu fragen. Dies geht Datenschützern aber viel zu weit. Für den Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink wäre eine solche Abfrage „ein massiver Eingriff in die Privatsphäre“. Er habe Verständnis dafür, dass es für Arztpraxen und Krankenhäuser die rechtliche Möglichkeit gibt, den Impfstatus ihrer Beschäftigten abzufragen, sagte er der dpa. Es sei denkbar, das auf Pflegeeinrichtungen auszuweiten. „Aber das muss die Ausnahme bleiben“, forderte der Datenschützer.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigt sich dagegen offen für eine solche Abfrage. Er sei gerade hin- und hergerissen, ob man diese den Arbeitgebern zumindest für die nächsten sechs Monate gesetzlich ermöglichen solle, sagte der CDU-Politiker am Montagabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“. So werde es ja im Restaurant auch gemacht. Auf die Frage, wie seine Haltung dazu sei, sagte Spahn: „Ich tendiere zunehmend zu ja.“ Er argumentierte: „Wenn alle im Großraumbüro geimpft sind, kann ich damit anders umgehen, als wenn da 50 Prozent nicht geimpft sind.“

Auch Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) dringt auf die Abfrage des Impfstatus. „In der derzeitigen Situation, mitten in der vierten Welle der Corona-Pandemie, halte ich es für grundfalsch, wenn Arbeitgeber nicht fragen dürfen, ob ihre Beschäftigten geimpft sind oder nicht.“ Er könne sich gut vorstellen, dass der Bund zeitlich begrenzt diese Möglichkeit schafft. „Ich kann doch keinem Menschen erklären, warum Gastwirte ihre Gäste nach dem Impfstatus fragen dürfen und im gleichen Gastraum Beschäftigte arbeiten, denen der Gastwirt die gleiche Frage nicht stellen darf.“

Das Sozialministerium in Stuttgart hat den Bund aufgefordert, bei der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes eine Rechtsgrundlage für die Abfrage in weiteren Bereichen zu schaffen. Brink bemängelte, aus dem Brief gehe nicht klar hervor, ob die Regierung in Stuttgart auch privaten Unternehmen die Abfrage erlauben möchte.

So hat der Arbeitgeberverband Südwestmetall den Brief des Sozialministeriums zum Anlass genommen, die Abfrage für alle Unternehmen zu fordern. „In einer Pandemie bisher ungekannten Ausmaßes darf der Datenschutz nicht in jeder Situation über den allgemeinen Gesundheitsschutz gestellt werden“, kritisierte Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick am Dienstag. Der Gesundheitsschutz in den Betrieben würde sich deutlich besser für die Beschäftigten organisieren lassen, wenn Arbeitgeber erfahren könnten, welche Arbeitnehmer gegen Corona geimpft sind und welche nicht.

Die Evangelische Heimstiftung geht noch weiter. „Wir brauchen die Impfpflicht und das Recht, den Impfstatus des Mitarbeiters laufend abfragen und dokumentieren zu dürfen“, sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider der dpa. „Ich bin ziemlich sicher, dass diejenigen Mitarbeitenden, die sich bislang noch nicht für eine Impfung entscheiden konnten, ihre Meinung auch in den nächsten Wochen nicht ändern werden.“ Deshalb müsse eine Impfpflicht her.

Datenschüter Brink hält eine Impfpflicht auch für denkbar, das sei wenigstens konsequent. Aber die Abfrage durch private Firmen lehnt er ab. Bisher habe man erfolgreich dafür gesorgt, dass Gesundheitsdaten für Arbeitgeber tabu bleiben. „Dieses Fass aufzumachen, wäre ein Tabubruch.“

© dpa-infocom, dpa:210831-99-33344/5

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Erstellt:
31. August 2021, 09:06 Uhr

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