Mädchen stirbt: Schütteln war Todesursache

Syrerin wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt – Sachverständige: Kind muss massiv geschüttelt worden sein

Foto: Adobe Stock/Romolo Tavani

© Romolo Tavani

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Von Andrea Wüstholz

FELLBACH/STUTTGART. Ein zweijähriges Flüchtlingskind ist gestorben, weil es massiv geschüttelt worden ist: Zwei Sachverständige haben das am Montag vor Gericht bestätigt. Angeklagt ist eine 25-jährige Syrerin, die sich um das Mädchen, eine Nichte ihres Mannes, gekümmert hatte. Die Frau hatte zuvor ausgesagt, das Kind nicht geschüttelt zu haben (wir haben berichtet).

Die Anklage lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge. Das Kind muss geschüttelt worden sein, und zwar massiv: Zwei medizinische Sachverständige ließen am Montag keinen Zweifel an dieser Todesursache. Der Ehemann der Angeklagten und zwei weitere Männer hatten das bewusstlose Mädchen am 11. Dezember 2018, einem Dienstag, ins Rems-Murr-Klinikum Winnenden gebracht. Das Kind wurde in eine Stuttgarter Klinik verlegt, dort operiert – doch es war nichts mehr zu machen. Wenige Tage später stellten Ärzte den Hirntod des Kindes fest. Der Rechtsmediziner Professor Frank Wehner hatte das Mädchen zum ersten Mal untersucht, als es noch im Krankenhaus lag und noch nicht für tot erklärt war. Am Stuttgarter Landgericht berichtete er nun von den Ergebnissen auch der Obduktion. Demnach wies das Kind alle typischen Anzeichen eines Schütteltraumas auf. Mediziner können anhand vielerlei Details feststellen, wie Hirnverletzungen entstanden sein können – und vor allem, wie nicht. Die Angeklagte hatte am ersten Prozesstag ausgesagt, sie habe das Kind gewickelt – und dann sei es plötzlich umgekippt und bewusstlos geworden. Sie habe es an der Wange getätschelt, sagte sie, und ihr Mann habe das Kind später in einer Art und Weise geschüttelt, wie man versucht, einen Menschen ins Bewusstsein zurückzuholen. Laut Wehner lieferten die rechtsmedizinischen Untersuchungen keinerlei Hinweise darauf, dass das Kind bewusstlos geworden sein könnte und erst dann geschüttelt wurde. Diese Art Schütteln bei Bewusstlosigkeit oder auch Toben oder ein Sturz könnten nicht die Verletzungen hervorrufen, die das Kind aufwies. Das Mädchen hatte starke Blutungen an mehreren Stellen im Kopf, sein Gehirn war „massiv angeschwollen“, wie Wehner berichtete.

Zur weiteren Beweissicherung wurden Körperteile des Kindes später in einer Neuropathologie untersucht. Professor Michael Torzewski vom Robert-Bosch-Krankenhaus berichtete am Montag als zweiter Sachverständiger von den Ergebnissen dieser Untersuchungen: Zu den Verletzungen im Gehirn des Mädchens kamen weitere Verletzungen im Rückenmark und im Bereich der Augen. Michael Torzewskis Bewertung aus medizinischer Sicht deckte sich eins zu eins mit den Erkenntnissen Wehners: Das Kind muss massiv geschüttelt worden sein. Von einem „schon sehr ausgeprägten Befund“ sprach der Facharzt.

Das Stuttgarter Katharinenhospital hatte die Polizei informiert, weil schnell zu erkennen war, dass dem Kind wohl Gewalt angetan worden war, wie ein Arzt der Klinik im Zeugenstand berichtete. Ferner gehöre es zur Routine, „dass man in unklaren Situationen den Kinderschutz informiert“. Das Mädchen war im September vergangenen Jahres auf illegalem Wege zur syrischen Flüchtlingsfamilie nach Fellbach gekommen. Die leiblichen Eltern, auch Syrer, konnten das Kind nicht mehr versorgen und überließen es dem Onkel. Dessen Frau, die jetzt angeklagte 25-Jährige, selbst Mutter eines dreijährigen Sohnes, kümmerte sich von September 2018 an um das Mädchen. Die Familie lebte in einer Wohnung in Fellbach. 2015 war das Ehepaar nach Deutschland gekommen.

Der Prozess wird am Mittwoch, 9. Oktober, fortgesetzt.

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Erstellt:
8. Oktober 2019, 06:00 Uhr

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