Matarazzo beim VfB: Länger hielt sich zuletzt nur Labbadia
dpa/lsw Stuttgart. Seit zwei Jahren trainiert Pellegrino Matarazzo nun schon den VfB Stuttgart - für die Verhältnisse der Schwaben eine kleine Ewigkeit. Der Italo-Amerikaner hat zum Wandel des Clubs beigetragen - und in Sportchef Sven Mislintat eine Art Schutzschild.
Pellegrino Matarazzo lachte. „Lass uns in vier, fünf Jahren nochmal darüber sprechen“, sagte der Trainer des VfB Stuttgart kürzlich. Ein Journalist hatte ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, zehn Jahre lang als Coach für den gleichen Fußball-Bundesligisten zu arbeiten. So wie Christian Streich vom SC Freiburg, der diese Marke gerade erreicht hat.
Es war aber nicht die Vorstellung, derart lange beim VfB zu verweilen, die Matarazzo so amüsierte. Der 44-Jährige wirkte erheitert, dass so etwas im modernen Fußball überhaupt möglich ist. In Baden ist es das. Bei den Schwaben - und nicht nur dort - sah es zuletzt ganz anders aus. Matarazzo immerhin hält sich nun aber schon zwei Jahre auf dem lange wackeligen VfB-Trainerstuhl.
Am 30. Dezember 2019 verkündeten die Stuttgarter Matarazzo als Nachfolger des wenige Tage zuvor entlassenen Tim Walter. An das Projekt mit dem forschen 46-Jährigen, der inzwischen den Hamburger SV trainiert, hatten die VfB-Verantwortlichen um Vorstandschef Thomas Hitzlsperger und Sportdirektor Sven Mislintat nicht mehr geglaubt - obwohl die Mannschaft damals als Tabellendritter der Zweiten Liga überwinterte. Mit dem noch weitgehend unbekannten Matarazzo, der bis dahin als Co-Trainer der TSG 1899 Hoffenheim gearbeitet hatte, gingen sie noch mehr ins Risiko - und wurden belohnt. Zumindest bislang.
Nach dem nicht ganz so souveränen Aufstieg 2020 wurde der VfB in der vergangenen Saison überraschend Bundesliga-Neunter, begeisterte mit offensivem Fußball und einer hungrigen Mannschaft voller Talente. Es ist eine neue Generation junger Wilder herangewachsen in Stuttgart - und Matarazzo eines der Gesichter, die dem Club neue Sympathien eingebracht haben. Der Wandel des VfB ist es auch, von dem der Coach aktuell - in der sportlich schwierigsten Phase seiner noch jungen Laufbahn - profitiert. Obwohl die Schwaben zur Saisonhalbzeit nur auf dem Relegationsrang 16 liegen und den dritten Abstieg in sechs Jahren fürchten müssen, gilt Matarazzo intern als unumstritten.
Sportdirektor Mislintat ist eine Art fleischgewordener Schutzschild des Italo-Amerikaners. Er glaubt an seine Fähigkeiten. Und wurde im Verlauf der strapaziösen Hinrunde nicht müde, auf die verletzungs- oder krankheitsbedingten Ausfälle zu verweisen, die Matarazzos Team immer wieder verkraften musste. „Selbst wenn wir absteigen, ist und bleibt Rino unser Trainer“, hatte Mislintat schon vor der Saison klargestellt. Jetzt, wo sich die Lage tatsächlich zugespitzt hat, weicht er kein Stück von ihm ab. „Wenn's um die Aufstellung geht, nimmt Rino mich mit wie einen Co-Trainer. Wenn's um Transfers geht, nehme ich ihn mit als wäre er der wichtigste Scout, den ich habe“, sagte Mislintat bei Sky kürzlich über die Arbeit mit Matarazzo.
Länger als der in Wayne im US-Bundesstaat New Jersey geborene Sohn italienischer Einwanderer hat sich als VfB-Trainer zuletzt nur Bruno Labbadia gehalten - von Mitte Dezember 2010 bis Ende August 2013. Es folgten Jahre des Niedergangs beim deutschen Meister von 2007. Der einst so stolze Traditions- wurde zum Chaosverein.
Mislintat und Matarazzo gaben und geben ihr Bestes, ihm wieder den alten Glanz zu verleihen. Als der Machtkampf zwischen Präsident Claus Vogt und dem scheidenden Vorstandschef Hitzlsperger Ende vergangenen Jahres eskalierte, dürfte mancher VfB-Fan froh gewesen sein, dass zumindest die sportliche Führung zusammenhielt. Und das tut sie immer noch.
Matarazzo weiß zwar, dass neben den lange verletzten Hoffnungsträgern Silas Katompa Mvumpa oder Sasa Kalajdzic im neuen Jahr auch wieder ein paar Punkte dazukommen sollten. Noch aber sitzt der Trainer fest im Sattel. Und das ist beim VfB keine Selbstverständlichkeit.
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