Mehr Vorsorge-Checks in Apotheken?
Damit medizinische Auffälligkeiten früher entdeckt werden, plant der Bundesgesundheitsminister, honorierte Vorsorgeuntersuchungen in Apotheken zu etablieren. Die Ärzte der Region Backnang üben Kritik. Die Apotheker betonen ihren Schulterschluss mit den Ärzten.
Von Anja La Roche
Rems-Murr. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant gerade so einiges, um die medizinische Versorgung auf dem Land durch die Apotheken zu verbessern. Die Apotheken sollen künftig eine aktivere Rolle einnehmen, beispielsweise auch beim Thema Prävention. Apotheker sollen etwa verstärkt Checks wie das Messen von Bluthochdruck, Blutzucker und Cholesterin bei Kunden durchführen. Dadurch will Lauterbach die Hemmschwelle von jungen Menschen senken, sich präventiv untersuchen zu lassen. Die Apotheker sollen für diese zusätzlichen Leistungen von den Krankenkassen entsprechend vergütet werden. Zwar hat der Minister noch kein ausgereiftes Konzept vorgestellt, doch sein Vorhaben wurde bereits diskutiert. Was halten die Apotheker und Ärzte in der Region Backnang von seiner Idee?
Die Apotheken grundsätzlich bei der Prävention stärker einzubinden, hält Ulrich Heigoldt für möglich, aber sinnlos. Er ist Inhaber der Rats-Apotheke in Allmersbach im Tal, der Täles-Apotheke in Weissach im Tal sowie der Auenwald-Apotheke. Die von Lauterbach angeführten Leistungen wie Blutzuckermessen „sind Tätigkeiten, die viele Apotheken bereits machen“, sagt er. Er selbst bietet Blutdruck- und Blutzuckermessungen als kostenfreie Serviceleistungen an. Das würde aber wenig nachgefragt. Cholesterinwerte misst er nicht, aber er kenne viele Apotheken, die auch das bereits anbieten. Bei seinen Kunden sei die Nachfrage zu gering. Die würden das beim Arzt untersuchen lassen, weil das zu den Kassenleistungen zähle.
Lauterbach spiele mit unausgereiften Ideen Lobbygruppen gegeneinander aus
Die Prävention sieht Heigoldt nicht verbessert, nur weil ein paar junge Leute mehr sich beispielsweise ihren Blutdruck in Apotheken messen lassen würden. Dass die Politik grundsätzlich den Weg vom Packungshonorar hin zur Vergütung von Gesundheitsleistungen geht, sei aber gut, schränkt Heigoldt ein. Als Beispiel nennt er die sogenannten pharmazeutischen Leistungen, mit denen Apotheker seit 2022 bestimmte Beratungen vergütet bekommen, beispielsweise wenn es um Wechselwirkungen von Medikamenten geht. Zu Lauterbachs vorgeschlagenen Vorsorgeuntersuchungen sagt er, dass der Minister mit seinen unausgereiften Ideen Lobbygruppen gegeneinander ausspiele. „Statt die wichtigen Dinge zu regeln, macht er andere Vorschläge.“ Als wichtig erachtet der Apotheker beispielsweise, die Arzneimittelengpässe zu beheben.
Thomas Förster, Inhaber der Johannes-Apotheke und der Apotheke im Gesundheitszentrum in Backnang, bietet seinen Kunden ebenfalls Blutdruck- und Blutzuckermessungen als Service an. Um Cholesterinwerte zu messen, bräuchte er ein entsprechendes Gerät. Grundsätzlich wäre er bereit, vergütete Vorsorgeuntersuchungen in seiner Apotheke anzubieten, und erachtet das durchaus als sinnvoll. „Aber welche Angebote wir machen können, das muss genau mit den Ärzten abgestimmt werden“, betont Förster. Er versteht auch den Ärger vonseiten der Ärzteschaft, weil Lauterbach seinen undurchdachten Vorschlag an die Öffentlichkeit kommuniziert hat, ohne diesen mit den Fachverbänden abzusprechen.
Lieferengpässe und Apothekensterben wären dringendere Probleme
Nichtsdestotrotz findet auch Förster, dass das Vorhaben von Lauterbach bezüglich der Prävention zu einem Zeitpunkt komme, in der es ganz andere Schwierigkeiten zu beheben gibt. „Gerade im Apothekenwesen existieren viele Probleme, für die Herr Lauterbach noch keine Lösungen geliefert hat“, sagt er und nennt das Apothekensterben und die Lieferengpässe.
Der Landesapothekenverband Baden-Württemberg erachtet die Idee von mehr Vorsorgeleistungen in den Apotheken als sinnvoll: „Grundsätzlich ist die Apotheke vor Ort für viele Menschen eine besonders niedrigschwellige Pforte ins Gesundheitssystem. Insofern ist es sinnvoll, die pharmazeutische Expertise von Apothekerinnen und Apothekern stärker zu nutzen, um die Gesundheit der Menschen zu verbessern“, sagt ein Pressesprecher. Unumstößlich stehe für den Verband aber fest, dass die Apothekerschaft präventive Leistungen nur im Schulterschluss mit Ärztinnen und Ärzten anbieten will, so der Pressesprecher weiter.
Die Ärzteschaft sieht sich von dem Minister übergangen
Dass die Pläne von Karl Lauterbach ohne weitere Abstimmung mit den Fachverbänden an die Öffentlichkeit gelangt waren, hat der Minister inzwischen selbst als Fehler bekundet. Besonders die Gemüter der Ärzte hat er damit erhitzt. Jens Steinat bezieht als Vorsitzender und im Namen der Ärzteschaft Backnang Stellung: „Es zeigt sich leider ein Fortgang des Verhaltensmusters von Gesundheitsminister Lauterbach: Missachtung der niedergelassenen Ärzteschaft durch populistische Maßnahmen, ohne einen Gedanken an Wertschätzung für uns Hausärztinnen und Hausärzte und ohne Beachtung der Qualität und Sinnhaftigkeit der Maßnahmen.“
Die Apotheken würden, ob fachlich und personell qualifiziert oder nicht, mit Zusatzaufgaben versorgt, die dann auch noch zum Teil besser vergütet werden. „Vorsorgemaßnahmen sind wichtig und werden in der ambulanten ärztlichen Medizin auch sorgsam und pflichtbewusst durchgeführt, aber nicht mit der Gießkanne und mal so nebenbei an der Theke“, sagt der Allgemeinmediziner. Die Ärzteschaft heiße das Auslagern von Vorsorgeuntersuchungen nicht gut. Zudem sei es bei der Vorsorge wichtig, dass familiäre und soziale Lebensumstände der Patienten bekannt sind.
Keine Entlastung der Hausarztpraxen
Eine Entlastung der Hausarztpraxen sieht die Ärzteschaft Backnang dadurch ebenfalls nicht gegeben, weil die Kunden der Apotheken bei Auffälligkeiten kostenlos in den Arztpraxen beraten werden müssten, „und das größtenteils unnötig, da zum Beispiel eine leichte Cholesterinerhöhung bei einem sonst gesunden jungen Menschen keine Relevanz hat“, sagt Steinat. So können keine hausärztlichen Strukturen aufrechterhalten werden, weder zeitlich noch finanziell“, fügt er hinzu.
Lauterbach betonte bereits nach der harschen Kritik vonseiten der Ärzte, dass er das Gespräch zum Hausärztinnen- und Hausärzteverband suchen werde. Ihm gehe es mit seinen Plänen vor allem darum, Unterversorgung zu bekämpfen – unter anderem bei Dyslipidämie, einer Fettstoffwechselstörung. Hier könne ein niedrigschwelliger Check in der Apotheke Problemfälle detektieren, zitierte ihn die Ärzte-Zeitung.