Mit dem Kaelble-Areal zur IBA 2027?
Stadt Backnang will sich an Internationaler Bauausstellung beteiligen – Investor Püttmer hält an seinem Masterplan fest
Über die Zukunft des ehemaligen Kaelble-Areals ist in den vergangenen zwei Jahren zwar viel diskutiert und gestritten worden, einer Lösung sind die Stadt Backnang und Investor Hermann Püttmer dabei aber nicht nähergekommen. Jetzt startet Baudezernent Stefan Setzer einen neuen Anlauf: Er schlägt vor, die Reaktivierung der Industriebrache zu einem Projekt für die Internationale Bauausstellung 2027 zu machen.

© Florian Muhl
Fünf Hektar in bester Lage warten auf eine neue Nutzung: Das Kaelble-Areal könnte zu einem Vorzeigeprojekt bei der Internationalen Bauausstellung in der Region Stuttgart werden. Foto: F. Muhl
Von Kornelius Fritz
BACKNANG. Die Weißenhofsiedlung am Stuttgarter Killesberg gilt bis heute als ein Meilenstein der modernen Architektur. Die 21 Flachdachhäuser von weltberühmten Architekten wie Walter Gropius oder Le Corbusier sind 1927 im Rahmen einer Internationalen Bauausstellung (IBA) entstanden, ihr Baustil war für die damalige Zeit revolutionär.
2027 findet erneut eine IBA in Stuttgart statt, diesmal wird allerdings die gesamte Region mit einbezogen. Und wie vor 100 Jahren geht es darum, Quartiere zu errichten, die ihrer Zeit voraus sind. „Wir wissen schon heute, dass wir nicht mehr lange so weitermachen können wie bisher“, sagt IBA-Intendant Andreas Hofer. Die Tage der fossilen Brennstoffe sind gezählt, die Mobilität wird sich verändern, der Klimawandel schreitet voran, der demografische Wandel ebenso. „Wir suchen Projekte, die sich mit dieser Perspektive auseinandersetzen“, sagt Hofer. In fünf sogenannten IBA-Quartieren will der Schweizer in acht Jahren Besuchern aus aller Welt die Siedlungsformen der Zukunft präsentieren.
Wenn es nach dem Backnanger Baudezernenten Stefan Setzer geht, soll eines dieser Quartiere an der Murr entstehen. Das ehemalige Kaelble-Areal wäre dafür aus seiner Sicht prädestiniert: „Um eine Brache im Herzen der Stadt mit schwierigen Rahmenbedingungen zu entwickeln, braucht es überzeugende Konzepte“, sagt Setzer. Die IBA wäre aus seiner Sicht die Chance, dort zusammen mit internationalen Architekten etwas Außergewöhnliches zu entwickeln.
„Bei einer IBA geht es nicht um Durchschnitt, sondern um Avantgarde“, sagt Setzer. Deshalb dürfe es auch keine Denkverbote geben. Neue Wohn- und Arbeitsformen könnten ebenso erprobt werden wie neue Arten der Mobilität, etwa der Einsatz von Seilbahnen. Auch Andreas Hofer kann sich ein IBA-Quartier in Backnang gut vorstellen: „Von der Dimension und der Aufgabenstellung ist die Fläche geeignet. Ich fände das spannend“, sagt der Intendant.
Intendant soll im Streit mit Investor vermitteln
Allerdings steht für Hofer auch fest, dass so ein Projekt nur funktionieren kann, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Und das war beim Kaelble-Areal bisher nicht der Fall: Riva-Chef Hermann Püttmer, der das fünf Hektar große Gelände 2016 erworben hatte, liegt mit der Stadt im Dauerclinch. Nachdem der Masterplan des Stararchitekten Helmut Jahn in Verwaltung und Gemeinderat auf wenig Gegenliebe gestoßen war, warf Püttmer den Verantwortlichen im Rathaus öffentlich Untätigkeit und Unfähigkeit vor. In einem schriftlichen Statement legt er jetzt noch einmal nach: „Der Stadtverwaltung scheint viel daran gelegen zu sein, die 50000 Quadratmeter Betonwüste mit zahlreichen Industrieruinen im Herzen der Stadt zu erhalten“, erklärt Püttmer und wirft der Verwaltung vor, sie befinde sich in einem „nun schon eineinhalb Jahre dauernden Winterschlaf“.
Stefan Setzer hofft, dass eine IBA-Bewerbung helfen könnte, den festgefahrenen Streit beizulegen. „Intendant Andreas Hofer kann ein Integrator sein, der die unterschiedlichen Interessen verbindet“, sagt der Baudezernent. Auch Hofer selbst traut sich diese Rolle zu. Klar ist allerdings, dass auch Hermann Püttmer Kompromissbereitschaft zeigen müsste. Denn der Intendant kann in Jahns Masterplan zwar interessante Ansätze erkennen, hält ihn in der jetzigen Form aber nicht für IBA-tauglich. „Wir sollten noch einmal zwei, drei Schritte zurückgehen und uns auch anschauen, wie andere Architekten das machen würden“, sagt Hofer und empfiehlt dem Investor, „seinen Ideenhorizont zu erweitern.“
Ob Hermann Püttmer dazu bereit ist, ist die Frage, denn der Investor ist nach wie vor von den Plänen seines Freunds Helmut Jahn überzeugt: „Unser Masterplan zeigt eine zukunftsorientierte Vision, die, dem innovativen Leitmotiv des Bauhauses folgend, auch in Jahrzehnten ein attraktives Quartier bilden wird“, teilt der Unternehmer mit. „Wir würden uns von den zuständigen Stellen der Stadt Backnang den Mut und die Innovationsbereitschaft erhoffen, mit uns in einen konstruktiven Dialog zu treten, auch wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass es sich für manche hierbei um Fremdwörter handelt“, erklärt der Investor.
Das klingt nicht unbedingt wie ein Friedensangebot, Baudezernent Setzer und Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann halten eine Einigung aber trotzdem für möglich: „Unsere Zielrichtung ist dieselbe“, versichert Setzer. Wie Hermann Püttmer wolle auch die Stadt auf dem Kaelble-Areal mehr als Durchschnittsarchitektur. Und die Bauausstellung biete die einmalige Chance, zusammen mit internationalen Architekten und Experten, die sonst wahrscheinlich nie nach Backnang kommen würden, dort etwas wirklich Zukunftsweisendes auf die Beine zu stellen.
Zuvor muss sich die Stadt aber erst einmal bewerben und vom IBA-Kuratorium ausgewählt werden, was nicht einfach werden dürfte: „Das Interesse in der Region ist groß“, weiß Großmann. Die Entscheidung über die fünf IBA-Quartiere soll laut Andreas Hofer noch in diesem Jahr fallen. Anschließend geht es mit Hochdruck an die Umsetzung der Vorzeigeprojekte. Denn wenn in acht Jahren bis zu zwei Millionen Besucher in die Region Stuttgart strömen werden, will ihnen der Intendant keine Pläne präsentieren, sondern fertige Gebäude.