Mit Google Street View durch Backnang
Einige Plätze und Straßen sind in dem Online-Kartendienst Google Maps nicht verzeichnet – bis vor Kurzem war auch der Backnanger Chelmsford-Platz darunter. Google Street View ist in der Gegend generell erst wenig verbreitet.
Von Melanie Maier
Rems-Murr. Sich in einer neuen Stadt oder in einer ungewohnten Umgebung zurechtzufinden ist dank Online-Kartendiensten wie Google Maps, Openstreetmap oder Maps.me heute kein Problem mehr. Das Smartphone oder Navigationsgerät im Auto lotst zuverlässig zum Zielort – eigentlich. Denn einige blinde Flecke haben die Karten noch immer. Der Backnanger Chelmsford-Platz beim Obstmarkt zum Beispiel war bis vor Kurzem nicht auf Google Maps auffindbar. Obwohl er mitten in der Innenstadt liegt – und regulär mit einem Straßenschild ausgewiesen ist. Erst seit Mitte Januar kennt Google den Platz. Die Stadt Backnang habe die Lücke nach einer Nachfrage der BKZ selbst gemeldet, berichtet Melanie Schuler, die persönliche Referentin von Oberbürgermeister Maximilian Friedrich.
Der Chelmsford-Platz ist sicherlich nicht die einzige Fehlstelle in Backnang und der Umgebung auf Google Maps. Gerade etwas abgelegene Straßen oder Örtlichkeiten sind oft nicht in dem Kartensystem verzeichnet. Sucht man etwa die Straße Mühlhau in Aspach, wird nur der Spielplatz Mühlhau an der Straße Erlenhau angezeigt, nicht aber die Straße selbst. Diese bleibt selbst dann namenlos, wenn man so nah wie möglich an sie heranzoomt. Die Adresse Mühlhau 1 findet Google Maps hingegen problemlos.
Neue Straßennamen melden die Städte und Gemeinden Google nicht
Auch bei Neubaugebieten dauert es nicht selten eine Weile, bis die Straßennamen sich auf Google wiederfinden. Denn die Städte und Gemeinden geben die Information in der Regel nicht von sich aus an den Konzern weiter. „Da gibt es zumindest bei unserer Verwaltung keinen Automatismus oder Verwaltungsablauf“, berichtet beispielsweise Ruth Deichmann, Sachgebietsleiterin Liegenschaftsamt und Wirtschaftsförderung in Aspach. Der Grund dafür sei, dass es sich bei Google Maps um ein privatwirtschaftliches Unternehmen handle. „Letztlich sind Infos, die sich ein Bürger über Google Maps oder ähnliche Quellen beschafft, ja auch keine verifizierten Quellen“, erklärt Ruth Deichmann.
Weil sie die BKZ-Anfrage neugierig gemacht hatte, hat die Rathausmitarbeiterin bei dem Vermessungsbüro Stöckl in Großaspach nachgefragt, ob von deren Seite eine Meldung an Google erfolge. Das sei aber ebenfalls nicht der Fall, teilt sie mit.
Die Infos kommen aus vielen Quellen
Doch woher stammen die Daten dann, die Google für seinen Kartendienst nutzt? Nach Angaben des Unternehmens selbst wertet es Satellitenbilder und Fotos aus und nutzt Informationen verschiedener Quellen – darunter Statistikinstitute, Verwaltungen, Wohnungsbauunternehmen und wissenschaftliche Behörden. Im Fall von Backnang lautet die Quellenangabe häufig Geobasis-DE BKG – dahinter steckt das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie. Aber auch Privatpersonen können Google Maps und Street View befüllen (siehe Infotext).
Ein regelmäßiger Abgleich, ob die Daten auch den amtlichen Kartengrundlagen entsprechen, sei der Stadt Backnang nicht möglich, da es neben Google noch viele weitere private Anbieter von Online-Karten gebe, so Pressesprecher Christian Nathan.
Backnang ist auf Google Street View auf den ersten Blick ein weißer Fleck
Der allergrößte Teil des Backnanger Stadtgebiets und der umgebenden Gemeinden ist aber bei Google Maps auffindbar. Auffallend schlecht abgedeckt ist fast der gesamte Rems-Murr-Kreis dagegen von dem Maps-Zusatzdienst Google Street View. Während die Städte Stuttgart, Ludwigsburg und Heilbronn fast komplett von blauen Linien und Punkten durchzogen sind, ist das im Kreis nur in Waiblingen der Fall. Backnang scheint auf den ersten Blick ein weißer Fleck zu sein. Erst wenn man etwas näher an die Karte heranzoomt, sieht man, dass neben der B-14-Strecke, die offenbar von Google-Autos (siehe Foto oben) komplett abgefahren wurde, auch ein paar blaue Punkte in der Stadt sind. Klickt man darauf, kann man sich virtuell dorthin beamen. So gelangt man in Sekundenschnelle beispielsweise auf den Stiftshof, in die Grabenstraße, auf den Marktplatz oder ans Murrufer.
Die 360-Grad-Bilder sind ein Sprung von Jahreszeit zu Jahreszeit: Bei einem Foto der Brücken-Apotheke in der Sulzbacher Straße vom Dezember 2023 zum Beispiel ist die Auslage weihnachtlich geschmückt. Wichtel mit roten Zipfelmützen stehen auf weißen Wattebäuschen im Schaufenster. Sommerlich warm ist es dagegen auf einem Foto der Oberen Bahnhofstraße vom August 2023.
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Die Bilder sind stumme Zeitzeugen: Ein Foto vom Mai 2017 zeigt etwa den noch zugänglichen Murrsteg an der Bleichweise. Die hölzerne Fußgängerbrücke ist bekanntlich schon seit Oktober 2020 gesperrt.
Wer die Fotos wann hochgeladen hat, sieht man auf dem Nachweis links oben am Bildrand. In Backnang stammen viele Bilder von Privatpersonen. Auch die Stadt hatte bereits eine Anfrage von Google, Innenaufnahmen ihrer Gebäude zu erstellen und zu veröffentlichen. „Dies haben wir jedoch aus sicherheitstechnischen Gesichtspunkten bisher abgelehnt“, teilt Rathausmitarbeiterin Melanie Schuler mit. Auch Außenaufnahmen hat die Stadt ihr zufolge nicht beigesteuert.
Die meisten Gemeinden der Umgebung sind zumindest vereinzelt bei Street View vertreten. So kann man etwa den schönen Ausblick vom Schloss Ebersberg genießen, über den Pausenhof des Bildungszentrums Weissacher Tal spazieren oder den Juxkopfturm aus der Vogelperspektive betrachten.
Das Programm macht süchtig: Man weiß nie, wohin der nächste Klick führt
Einige kleine Weiler haben dagegen noch keinen einzigen Street-View-Punkt. Zum Beispiel der Backnanger Weiler Unterschöntal, der Aspacher Weiler Fürstenhof oder der Auenwalder Weiler Däfern. Zum Glück sind in der Gegend aber noch genug Punkte da, durch die man sich klicken kann. Denn das Hüpfen von Foto zu Foto macht süchtig: Man weiß vorher nie, was genau man zu sehen bekommt. Vor dem Bandhaus-Theater etwa schaut man plötzlich ins Gesicht eines Google-Nutzers, der sich im April 2014 offensichtlich verewigen wollte. Nur einen Klick weiter entdeckt man ein Zelt, das auf einer Wiese in der Nähe des Etzwiesenstadions aufgestellt worden ist.
Da nicht nur Privatpersonen, sondern auch die Inhaber von Läden und Firmen Inhalte hochladen dürfen, kann es sein, dass man sich plötzlich im Wonnemar wiederfindet.
Oder in einer Zahnarztpraxis mit Blick auf den Stadtturm.
Wer möchte, kann vor dem Einkauf auch schon mal die Auslagen einiger Supermärkte inspizieren. Achtung ist nur bei den Preisen gefragt: Die Fotos des Rewe-Markts in der Blumenstraße beispielsweise stammen von Februar 2022. Sie dürften inzwischen wohl etwas höher sein.
Maps Der Kartendienst Google Maps ist 2003 als Downloadprogramm der Firma Where 2 Technologies aus Sydney gestartet. Ein Jahr später wurde das Unternehmen von Google gekauft. Die Markteinführung von Google Maps erfolgte 2005. Seit 2006 sind auch hochauflösende Aufnahmen aus Deutschland verfügbar. Inzwischen finden sich rund 200 Millionen Einträge auf den Karten von 220 Ländern und Regionen.
Street View Der Google-Maps-Zusatzdienst Street View ist 2007 eingeführt worden. Unzählige 360-Grad-Panoramabilder sollen zusammen einen virtuell begehbaren Stadtplan bilden. Punkte kennzeichnen Örtlichkeiten wie ein Café, Linien markieren Straßen. Die Inhalte stammen aus zwei Quellen: von Google selbst sowie von Nutzerinnen und Nutzern. Die Quelle ist links oben am Bildrand vermerkt. Seit Kritik an Datenschutzlücken aufkam, macht Google Gesichter und Kfz-Kennzeichen unkenntlich. Das Angebot ist in 100 Ländern verfügbar.
Aufnahmen Google nimmt sowohl mit Street-View-Autos (siehe Foto oben) als auch mit portablen Kamerasystemen Bilder auf. So können auch schwer zugängliche Orte wie zum Beispiel die peruanische Inkastätte Machu Picchu abgedeckt werden.
Local Guides Um Rezensionen, Fotos und Videos zu Google Maps hinzuzufügen, Straßennamen zu korrigieren oder Details zur Barrierefreiheit zu ergänzen, können sich Nutzer beim Google-Freiwilligenprogramm Local Guides anmelden. Obwohl es für das Bildmaterial Richtlinien gibt und die Inhalte geprüft werden, werden immer wieder auch falsche Daten veröffentlicht. Bekanntestes Beispiel hierzulande sind wohl die Gegner des Youtubers Drachenlord (bürgerlich
Rainer Winkler), der wegen seiner Videos massiv gemobbt wurde. Teile dieser sogenannten „Hater-Community“ manipulierten 2021 wiederholt Straßennamen in Winklers damaligem Wohnort Altschauerberg.
Road Mapper Seit 2021 gibt es zudem das Programm Road Mapper, das man nur nach vorheriger Freigabe nutzen kann. Die Freiwilligen müssen im Gegensatz zu den Local Guides nicht vor Ort sein, um fehlende Straßen auf Satellitenbildern zu markieren. Road Mapper erfasst nur Straßen, die mit zweispurigen Fahrzeugen passierbar sind.