Mit Kanistern zum Wasserholen
Wegen der Verunreinigung des Trinkwassers müssen sich Anwohner aus Burgstall anderweitig aushelfen. Michael Hofmann beispielsweise holt sich jeden Tag zehn Liter bei der Verbandszentrale. Weitere Versorgungsstellen bietet die Gemeinde auf dem Friedhof in Burgstall an.

„Leitungswasser zum Abfüllen“ gibt es auf dem Friedhof in Burgstall. Foto: F. Muhl
Von Florian Muhl
Burgstetten. Michael Hofmann aus Burgstall ist seit einigen Tagen täglich am Freibad anzutreffen. In Erbstetten arbeitet er und nach der Arbeit schnappt er sich seine beiden Fünfliterkanister und füllt gegenüber des Bädles bei der Verbandszentrale der Wasserversorgung Söllbachgruppe mit einem derzeit im unteren Teil Burgstalls knappen Gut ab: mit frischem Trinkwasser.
Nachdem eine Verdachtsstelle als wahrscheinliche Ursache für die Verunreinigung des Trinkwassers mit coliformen Bakterien und Enterokokken im Leitungsnetz der „Unteren Zone“ in Burgstall ermittelt werden konnte (wir berichteten), wurde der Chlorgehalt nochmals deutlich erhöht, um mögliche Erreger zuverlässig zu beseitigen. „Dieser Chlorgehalt ist zulässig, aber trotzdem sollte das Leitungswasser nicht für Nahrung oder Getränke benutzt werden“, teilt die Gemeinde mit. „Wenn wir bei uns zu Hause morgens den Wasserhahn aufmachen, riecht das wirklich extrem nach Chlor. Man denkt, man befindet sich in einem Hallenbad“, berichtet Hofmann. Die zehn Liter Wasser, die er täglich mit nach Hause schleppt, müssen für die vierköpfige Familie für das Nötigste ausreichen. Seine beiden Kinder, die 17-jährigen Zwillinge, die ins technische Gymnasium in Backnang gehen, finden’s langsam lästig.
Zehn Liter Trinkwasser pro Tag müssen für eine vierköpfige Familie ausreichen
Am Anfang habe er das Wasser abgekocht, aber das sei sehr mühsam gewesen, weil ein Wasserkocher dafür nicht infrage kam. Denn das Wasser sollte nicht nur kurz aufsprudeln, sondern einige Minuten sprudelnd kochen. Also kam der Kochtopf auf den Herd. Jetzt könnte er auch auf den Friedhof gehen, um sich Trinkwasser zu holen. Der liegt im höher gelegenen Teil von Burgstall, wo das Wasser nicht belastet ist. „Aber der Friedhof..., ne, das ist irgendwie...“ Hofmann stockt und muss lachen. Da ist ihm die Alternative in Erbstetten lieber. Am frühen Abend füllt er dann mit den Kanistern zunächst die Zahnputzbecher voll, der Rest wird zum Kochen verwendet, für Tee und auch für Kaffee.
Gemeinderat Klaus Schwaderer, der auch im unteren Teil von Burgstall wohnt, ist auch betroffen, holt sich aber kein Wasser und trinkt auch keines. „Bei mir gibt’s Apfel- oder Weinschorle“, sagt er. Bei ihm sei der Chlorgeruch nach der Spülung der Stadtwerke am Montagabend weggewesen. Das Spülen war notwendig, damit sich das gechlorte Trinkwasser bis zu den Endschächten besser verteilt, teilt die Gemeinde mit.
Wie berichtet waren die ersten Verunreinigungen Anfang September aufgetreten. Im Trinkwasser wurden coliforme Bakterien und Enterokokken gefunden. „Nicht viele, aber dennoch über dem Grenzwert liegend“, hatte Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz auf Anfrage unserer Zeitung gesagt. Die fäkalen Verunreinigungen kommen von außen ins Trinkwasser. Die Ursache zu finden, ist oft nicht einfach. Denn es können örtliche hygienische Probleme wie technische Störungen bei der Abwasserreinigung dazu führen, aber auch Havarien oder Erneuerungsarbeiten im Leitungsnetz. Das kann auch bei Reparaturen oder Neuanschlüssen von Leitungen im Haus passieren.
Betroffen ist etwas mehr als das halbe Dorf, inklusive der Bergsiedlung und der Wohnplätze „Auf den Rüdern“ und Neumühle. In den ersten Wochen waren die betroffenen Bürger aufgefordert worden, das Trinkwasser abzukochen. Ein Anwohner schilderte den „neuen Familienalltag“ wie folgt: „Wir haben jetzt immer den größten Topf, den wir haben, mit abgekochtem Wasser auf dem Herd stehen.“ Aus dem Topf entnimmt sich jeder das Wasser zum Kaffeekochen, zum Zähneputzen und zum Obstwaschen. „Wenn wir mal zwei Stunden nicht im Bad waren und dann wieder die Tür öffnen, riecht’s da drinnen wie im Hallenbad“, beschreibt der Anwohner, der namentlich nicht genannt werden will, den Chlorgeruch. Aber er habe auch eine für ihn ganz neue und wichtige Erkenntnis gewinnen können: „Mir ist zum ersten Mal bewusst geworden, welch hohes und kostbares Gut das Trinkwasser doch ist und dass es nicht unbedingt selbstverständlich ist, jederzeit rund um die Uhr einfach nur den Hahn aufdrehen zu müssen, um frisches Trinkwasser zu erhalten.“
Erst wenn der Chlorgehalt abgesunken ist, können Proben entnommen werden
Der weitere Zeitplan sieht wie folgt aus: Seit vorgestern (Mittwoch) werden die Wasserspeicher wieder „abgewirtschaftet“, das heißt, das gechlorte Wasser wird so schnell wie möglich über das Leitungsnetz abgeführt und durch Frischwasser ersetzt. „Erst wenn der Chlorgehalt in den Leitungen entsprechend abgesunken ist, können erneut Proben zur Untersuchung entnommen werden“, teilt die Gemeinde mit. Und weiter: „Dies wird voraussichtlich ab Montag, 18. Oktober, der Fall sein.“ Die Bürgermeisterin weiß, dass es Unannehmlichkeiten gibt. „Unsere Trinkwasserversorgung ist aber so wichtig, dass unbedingt alle Maßnahmen, die notwendig sind, ergriffen werden müssen, um die Gesundheit unserer Bürger zu schützen“, sagt Wiedersatz. Leider nehme dies längere Zeit in Anspruch, da es sich um ein sehr komplexes System handele. Die Verwaltung bittet um Verständnis, „da es leider keine andere Möglichkeit gibt, um die Versorgung mit sauberem Trinkwasser wiederherzustellen“, so die Rathauschefin.

© Alexander Becher
Michael Hofmann füllt jeden Tag zwei Kanister bei der Verbandszentrale ab. Foto: A. Becher