Mit Softairpistole fünfstellige Summe erbeutet
21-Jähriger gesteht vor dem Landgericht Überfall auf einen Discounter in einer Murrtalgemeinde

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Von Hans-Christoph Werner
BACKNANG/STUTTGART. Vor dem Stuttgarter Landgericht hat sich ein 21-jähriger Mann derzeit wegen schwerer räuberischer Erpressung zu verantworten. Im Juli des Jahres 2017, so wird ihm zur Last gelegt, soll er den Rewe-Markt in Sulzbach überfallen und dabei die erkleckliche Summe von über 14000 Euro erbeutet haben.
Die vorsitzende Richterin gibt gleich zu Beginn der Verhandlung einen rechtlichen Hinweis. Der Angeklagte soll bei seinem Überfall ein „silberfarbenes Schießeisen“ den drei noch anwesenden Verkäuferinnen unter die Nase gehalten haben. Anders ausgedrückt: eine Pistole. Aber war es wirklich eine Pistole? War sie geladen? War sie schießbereit? Die Richterin sagt, es war eine Softairpistole, eine „Scheinwaffe“. Der entsprechende Strafrechtsparagraf sei damit nicht erfüllt, was wiederum Auswirkungen auf die Strafzumessung hat. Und der Verteidiger des Angeklagten fügt später hinzu, dass er seinen Mandanten dazu befragt habe. Wenn die Verkäuferinnen den wahren Charakter der Waffe erkannt hätten, so der Angeklagte zu seinem Verteidiger, hätte er den Überfall abgebrochen.
Die Angaben zur Person machen den Anfang. Gerade mal zwei Jahre war er alt, da kam der Angeklagte von der Mutter weg in eine Pflegefamilie. Zwölf Jahre ging das gut. Dann wurde das beendet, weil er, so sagt der Angeklagte, sich nicht an Regeln gehalten habe. Für mehr als ein Jahr lebt der Angeklagte wieder bei seiner leiblichen Mutter. Erst kurz zuvor war ein intensiverer Kontakt zwischen den beiden wieder zustande gekommen. Leider ist das Wohnen bei der Mutter auch nicht von langer Dauer. Die Mutter hat einen neuen Partner, mit dem der Angeklagte nur schwer auskommt.
Längere Untersuchungshaft geht voraus
Mit dem Neuen hat die Mutter drei Kinder, der Angeklagte damit drei Stiefgeschwister. Die Finanzen sind ein ständiges Thema. Und der Kontakt mit dem leiblichen Vater? Briefe gehen zwischen dem Angeklagten und seinem Vater hin und her. Mehr ist nicht drin, denn der Vater sitzt wegen eines Tötungsdelikts ein. Von der Mutter kommt der Angeklagte in eine Wohngruppe. Aber dort hält er es nur zwei Monate aus. Ein unstetes Leben beginnt für den Angeklagten, das 2015 nur durch eine längere Untersuchungshaft unterbrochen wird. Zurück im Rems-Murr-Kreis wohnt er kurz bei seiner früheren Pflegefamilie, dann lebt er auf der Straße. Für die Justizbehörden ist er infolgedessen nicht erreichbar. Dabei muss er doch noch eine Reststrafe absitzen. Am 5. Juli hätte er antreten müssen. Aber er tut es nicht. Am Tag darauf marschiert er mit der Softairwaffe in den Discountermarkt. Die Beute verhilft dem Angeklagten vorübergehend zu einem sorglosen Leben. Für sich und seine Freundin kauft er wertvolle Smartphones. Freunde beglückt er mit einer Party, nicht ohne zuvor alle Partyteilnehmer mit ein- und demselben Hemd einer Nobelmarke auszustatten. Er genießt es, dass er durch seine neu erlangten finanziellen Möglichkeiten im Hotel übernachten kann. Einen großen Teil der Beute versenkt er in einem Spielcasino. Irgendwie wird der Angeklagte von der Polizei wieder geschnappt. Seit März dieses Jahres sitzt er ein.
Auch nach seiner Schulbildung fragt die Richterin. Die Hauptschule hat der Angeklagte ohne Abschluss verlassen. Später, in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim, hat er diesen nachgeholt. Gegenwärtig versucht er sich im Gefängnis als Reiniger. Wenn er denn wieder freikomme, so sagt der Angeklagte, würde er gern eine Ausbildung in der Metallverarbeitung machen. Seine Bekanntschaft mit den verschiedensten Drogen will der Angeklagte nicht vor Gericht ausbreiten. Sein Verteidiger weist nur darauf hin. Vor allem: Von dem erbeuteten Geld habe er sich keine Drogen gekauft.
Gerade mal eine Dreiviertelstunde währt die Verhandlung, da sind die Angaben zur Person gemacht und die Vorsitzende Richterin unterbricht für einen Verständigungsversuch. Verteidiger, Staatsanwältin und die Große Strafkammer beraten über den Fortgang des Verfahrens. Doch die Verständigung scheitert am Einspruch der Staatsanwältin. Als es weitergeht, erklärt der Verteidiger für seinen Mandanten, dass dieser den Überfall einräumt. Die Beweisaufnahme kann damit erheblich verkürzt werden. Man kommt überein, auf einen Teil der Zeugen zu verzichten. Insbesondere die Verkäuferinnen werden damit nicht nochmals mit Fall konfrontiert. Auch die Freundin des Angeklagten bleibt außen vor. Man entscheidet, dass nur ermittelnde Polizeibeamte gehört werden sollen. Die Verhandlung wird fortgesetzt.