Mountainbiker ans Licht holen
Vor etwa einem Jahr haben Mountainbiker, Wanderer, Jäger, Naturschützer und Waldbesitzer bei runden Tischen angefangen, gemeinsam an einem legalen Trailkonzept zu arbeiten. Erste Trails im Plattenwald können nun legal befahren werden, weitere werden angelegt.
Von Kristin Doberer
Backnang/Oppenweiler. Nur wenige Meter neben einem Schotterweg in der Nähe des Waldfriedhofs arbeiten einige Freiwillige mit besonderen Geräten zwischen den Bäumen. Mit einem starken Laubbläser wird der Untergrund freigelegt, dann schwingen sie immer wieder die etwas ungewöhnlichen geformten Hacken, sie entfernen Wurzeln und Moos, stopfen Löcher, klopfen den Untergrund fest. Denn im Plattenwald entsteht aktuell ein neuer Mountainbiketrail – und das ganz legal. Eigentlich wird das Fahrradfahren im Wald auf Wegen unter zwei Metern Breite verboten, auf bestimmten Trails soll es nun Ausnahmegenehmigungen geben. „Wir wollen die Mountainbiker ans Licht holen, wir müssen für diese Gruppe endlich benutzerorientierte Angebote schaffen“, sagt Ulrich Häußermann, stellvertretender Amtsleiter des Forstamts. Bei erfahrenen Mountainbikern wird der neu angelegte Trail am Waldfriedhof vermutlich keine Adrenalinschübe auslösen, er schlängelt sich ohne große Hürden oder steile Abhänge am Schotterweg entlang. „Dadurch haben wir aber eine Entlastung auf dem normalen Spazierweg“, erklärt Janet Weick von der Deutschen Initiative Mountainbike (Dimb), Interessensgruppe Rems-Murr.
Kinder- und Familienkurse auf dem Trail und einer Übungsstrecke
Außerdem soll der neue Trail speziell für die Kinder- und Familienkurse genutzt werden. So gibt es innerhalb der Skiabteilung der TSG Backnang seit 2019 die Sparte Mountainbike, die von Bastian Burr betreut wird. Unter dem Motto „NatureRide – Kids on Bike“ bietet er Kurse und Trailausflüge an – und kann sich vor Anfragen kam retten. „Wegen der Zweimeterregel sind wir dabei haftungsrechtlich immer in einem Graubereich“, sagt Burr. „Bisher fehlte uns einfach eine Sportstätte, um Jugendarbeit leisten zu können.“ Er freue sich, dass sich die Stadt bei dem Thema so offen gezeigt hat. Bei den Kursen lernen die Kinder außerdem nicht nur die richtige Fahrtechnik, sondern auch den bewussten Umgang mit der Natur und dem heimischen Wald sowie ein respektvolles Miteinander auf den Trails. Für die ganz Kleinen soll auch ein Übungsgelände unterhalb des Waldheims entstehen. „Wir brauchen Angebote statt Verbote, damit wir als Verein nicht mehr illegal unterwegs sind“, sagt Burr.
Das Legalisieren der Trails bedeute aber nicht, dass nun überall im Wald der Weg frei ist für die Mountainbiker. „Wir schaffen eine sinnvolle Benutzerlenkung“, sagt Häußermann. So wurden sensible Bereiche wie zum Beispiel Naturschutzgebiete oder Rückzugsorte für Tiere konsequent als Tabu erklärt und sollen durch eine entsprechende Wegeführung umfahren werden. „Bisher wussten ja viele Mountainbiker gar nicht, wo Biotope oder Wildeinstände sind“, erklärt Patrick Ortwein von der Dimb IG Rems-Murr. Die Mountainbiker gehen fest davon aus, dass – solange das Angebot gut ist – ein sehr großer Teil der Sportler die legalen Trails nutzen und Tabubereiche umfahren wird. „Wir finden es ja selbst nicht cool, irgendwo illegal zu fahren“, sagt Markus Oesterle, der beim Anlegen des Trails hilft. „Es ist nicht damit getan, irgendwo nur einen Trail zu bauen und das Thema dann abzuhaken“, sagt Häußermann. Stattdessen müsse es ein Trailnetz geben, das auch unterschiedliche Schwierigkeitsstufen bietet.
Ein Problem dabei: Mountainbiken ist ein Individualsport, bisher haben sich Sportler kaum in Vereinen gebündelt, die Meinungen zu sammeln war nicht einfach. Auch hatten andere Waldnutzer so keine Ansprechpartner, wenn es Probleme oder Fragen gab. Das hat sich nun geändert, durch die Dimb-Interessensgruppe Rems-Murr. Das erleichtert auch die Arbeit von Paul Bek, dem Revierförster. „Ich bin froh, dass wir auf einer guten Ebene kommunizieren“, sagt er. So könne er zum Beispiel Jugendliche, die er im Wald beim Bauen eines illegalen Trails erwischt, an Weick verweisen, diese können dann bei den legalisierten Trailbaus helfen. „Das ist eine gute Alternative statt als Förster dann der Böse zu sein.“ Bei aller Freude über die legalisierten Trails ist für alle Beteiligten aber auch klar: Die Trails sind für lokale Mountainbiker. „Das ist kein Tourismuskonzept, wir wollen die Leute nicht von außerhalb herlocken“, sagt Burr. Stattdessen hoffe Weick, dass sie das „Image der illegalen Rowdys“ ablegen können, „indem wir endlich legale Angebote erhalten und als das wahrgenommen werden, wie sich die große Mehrheit von uns sieht: als Natursportler, die sich gleichberechtigt im Wald mit anderen Nutzern bewegen möchten“.
Konflikte Die Ansprüche an den Wald als Erholungsgebiet wurden gerade in der Pandemie immer höher, unter den verschiedenen Nutzern kam es immer häufiger zu Konflikten. Im Sommer 2020 hat das Kreisforstamt im Rems-Murr-Kreis deshalb zu einer Auftaktveranstaltung im Wald bei Oppenweiler eingeladen. Das Ziel: Kommunikation der verschiedenen Gruppen untereinander, gemeinsame Verhaltensregeln im Wald und die Überlegung, wie und wo legale Trails funktionieren können.
Runde Tische Im letzten Jahr fanden in der Folge dann zahlreiche runde Tische mit vielen unterschiedlichen Interessengruppen wie Jägern, Naturschützern, Wanderverbänden, Förstern, Wandervereinen und eben Mountainbikern statt, um gemeinsame Regeln zu erarbeiten. „Das Schöne war, alle waren sich einig, dass es keine Nutzergruppen gibt, die stören, sondern dass es das Verhalten eines jeden Einzelnen ist, was in Einzelfällen zu Konflikten führen kann“, sagt Weick. Man habe viel Vertrauen zueinander aufgebaut und sei zu guten Kompromissen gekommen.
Trailplanung Aus den runden Tischen nahmen die Mountainbiker die Aufgabe mit nach Hause, eine Bestandsanalyse von Trails zu erheben und den Bedarf zu kartieren, um diese mit unterschiedlichsten Interessengruppen so weit abzustimmen, dass später eine bestmögliche, konsensfähige Trailkarte ins formelle Verfahren gegeben werden kann.
Beschilderung Ganz stolz präsentieren die Verantwortlichen deshalb die selbst gestalteten Schilder, welche die Mountainbiker später durch den Wald leiten sollen. Auf den Plaketten befindet sich nämlich nicht nur das Logo der Dimb, sondern auch das Logo des Forstamts, des Landkreises und des Schwäbischen Albvereins. Dass diese und weitere ganz verschiedene Interessensgruppen nun gemeinsam hinter dem Lenkungskonzept stehen, ist nicht selbstverständlich.