Mutter gesteht Gürtelhieb gegen den Sohn

Berufungsverfahren vor dem Stuttgarter Landgericht endet für Angeklagte aus Backnang mit Geldstrafe statt Freiheitsentzug

Von Bernd S. Winckler

BACKNANG. „Ich habe ihn nicht geschlagen“. Die fünffache Mutter aus Backnang, die vor dem Stuttgarter Landgericht in zweiter Instanz wegen Misshandlung ihres zehnjährigen Sohnes angeklagt ist, wiederholt diese Unschuldsbeteuerung insgesamt vier Mal. Dann aber, nach Anhörung der Zeugen, knickt sie ein und gesteht die Schläge mit dem Gürtel an dem Jungen und auch den Fußtritt, der ihr zur Last gelegt wurde. Aufgrund dieses Geständnisses kommt sie mit einer Geldstrafe von 3375 Euro davon.

In der ersten Instanz vor dem Backnanger Amtsgericht sah die Sache für die 43-jährige Frau vor einem knappen Jahr noch ganz anders aus. Dort verurteilten sie die Richter wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, und der Geldbuße von 1800 Euro, zu zahlen an den Kinderschutzbund Baden-Württemberg. Dazu verordnete ihr das Amtsgericht noch 40 gemeinnützige Arbeitsstunden, die sie zu verrichten hätte.

Gegen diesen Entscheid hatte die Frau Berufung eingelegt mit der Begründung, dass sie ihren kleinen Sohn niemals geschlagen oder misshandelt habe. Der Vorwurf jedoch war auch vor dem Backnanger Amtsgericht juristisch nicht von der Hand zu weisen gewesen, nachdem alle 15 Zeugen vernommen worden waren. Dabei erdrückten die Indizien und Beweise die Angeklagte so schwer, dass der erhoffte Freispruch ausblieb.

Im gestrigen Berufungsverfahren vor der 41. Strafkammer am Stuttgarter Landgericht wurde zunächst der Sachverhalt besprochen und das erste Urteil mit der Begründung verlesen, wobei die Richter zunächst einmal über anderthalb Stunden auf das Erscheinen der Angeklagten warten mussten. Sie hatte durch ihre Anwältin mitteilen lassen, sie sei krankgeschrieben und befinde sich in stationärer Behandlung. Die Entschuldigung nahm das Gericht nicht an. Und ohne die Angeklagte werde man nicht verhandeln. Schließlich kam die 43-Jährige dann doch noch. Sie war nämlich schon am Tag zuvor aus der Klinik entlassen worden. Inzwischen war es 15 Minuten vor 12 Uhr.

Frau beteuert zunächst, das Kind nicht misshandelt zu haben

Dass zumindest ein kräftiger Schlag mit einem Gürtel auf den im Jahr 2015 gerade zehn Jahre alten Sohn ausgeführt wurde, wollte die Angeklagte zu Beginn des gestrigen Berufungsprozesses nicht wahrhaben. Ebenso bestritt sie auch, ihn getreten zu haben. Der Zehnjährige habe heimlich Zigaretten in seinem Kinderzimmer aufbewahrt, die er zuvor gestohlen hatte. Da habe sie ihn lediglich lautstark ausgeschimpft, sagt sie dem Gericht. Mehr sei nicht geschehen: „Ich habe ihn niemals geschlagen“, ruft sie in den Gerichtssaal und wiederholt dies ein ums andere Mal.

Die ersten Zeugen werden vernommen. Insgesamt 16 Zeugen hatte die Berufungskammer geladen, wobei der Auftritt dem heute 13-jährigen Sohn erspart blieb. Man verzichtete darauf. Ebenso verzichteten die Angeklagte und die Staatsanwältin auf die nochmalige Vernehmung der Töchter der Frau und des weiteren Sohnes. Schließlich hatten alle inzwischen schriftlich mitteilen lassen, dass sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Vernommen wurde der Ex-Freund der Beschuldigten, der auch der Vater des misshandelten Sohnes ist und der Striemen am Körper des Jungen festgestellt haben will. Auch habe ihm damals sein Sohn von den Schlägen mit dem Gürtel erzählt. Auch von den Schmerzen, die er dabei erlitten habe.

In der ersten Instanz vor dem Backnanger Amtsgericht hatte er die Mutter ebenfalls beschuldigt. Auch seine Geschwister, die dabei waren, hatten von diesen Vorfällen berichtet. Der Vater des Sohnes weiß auch von früheren Schlägen der Mutter gegen den Jungen, der sich seit damals in einem Jugendheim befindet, zu berichten.

Nach der Mittagspause dann die Wende in dem Verfahrens: Der Vorsitzende Richter der 41. Strafkammer unterbreitet einen mutigen Verständigungsvorschlag und bietet der Angeklagten an, sie könne bei einem Geständnis und der Beschränkung ihrer Berufung auf das Strafmaß mit der Abänderung des ersten Schuldspruches rechnen. Statt einem Jahr Haft könne man daran denken, nur noch eine Geldstrafe im Bereich um die 120 bis 150 Tagessätze zu verhängen. Auch die Staatsanwältin schloss sich dem richterlichen Vorschlag an.

Kurze Beratung mit ihrer Verteidigerin. Dann schließlich gibt die 43-jährige Mutter den einen Gürtelschlag zu und erspart damit den Auftritt der weiteren vor dem Gerichtssaal wartenden fünf Zeugen. Damit war das Ende des Prozesses, der nach der Terminierung bis zum späten Freitagabend stattgefunden hätte, schnell erreicht.

Das Amtsgerichts-Urteil wurde aufgehoben. Dafür verurteilte die 41. Kammer jetzt die Frau wegen Körperverletzung zu der Geldstrafe von 135 Tagessätzen zu je 25 Euro, zusammen also 3375 Euro.

Die Milde begründete der Vorsitzende Richter am Landgericht damit, dass die Frau bisher nicht vorbestraft ist, der Sohn keine bleibenden Schäden erlitten und es sich bei dem Schlag und dem Tritt um keine „bösartige Tat“ gehandelt habe. Daher sei eine Freiheitsstrafe, wie sie das Backnanger Amtsgericht verhängt hatte, nicht nötig. Zudem handele es sich bei der Körperverletzung um einen „minder schweren Fall“.

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Erstellt:
21. Juli 2018, 06:00 Uhr

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