Natur im Brigachtal für Beton in Backnang
Ausgleichsmaßnahmen für Bauprojekte müssen nicht zwingend vor Ort erfolgen – Backnang kauft Ökopunkte bei Flächenagentur
Wenn in Deutschland gebaut wird, dann gilt in Bezug auf Natur und Landschaft ein generelles Verschlechterungsverbot. Das heißt: Für alle Eingriffe muss es einen adäquaten Ausgleich gegeben. Wenn also beispielsweise fruchtbarer Ackerboden zubetoniert wird, muss an anderer Stelle etwa ein gewöhnlicher Acker in ein wertvolles, artenreiches Biotop umgewandelt werden. Die Stadt Backnang versucht, einen solchen Ausgleich wenn möglich in räumlicher Nähe zu erzielen. Das klappt nicht immer.

© Pressefotografie Alexander Beche
Die Pfaffenrinne zwischen Backnang und Steinbach an der Murr ist ein gelungenes Beispiel für eine gelungene Ausgleichsmaßnahme. Im Jahr 2012 wurde hier Ersatz dafür geschaffen, dass beim Bau des Familien- und Sportbads in die Natur und Landschaft eingegriffen wurde. Foto: A. Becher
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Dieser Tage im Ausschuss Technik und Umwelt. Die Stadträte sollen den Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan Ungeheuerhof-Süd fassen und tun das auch einstimmig, schließlich ist das Projekt an sich unproblematisch: Fahrrad Urban möchte aufgrund des Pedelec-Booms einen größeren Neubau errichten. Weil das am angestammten Platz nicht geht, soll das Projekt auf einem Eckgrundstück zwischen der Weissacher Straße und der Verbindungsstraße zum Ungeheuerhof entstehen.
Aber trotz des einstimmigen Beschlusses gab das Projekt wegen der erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen Anlass zu einer kurzen, aber intensiven Diskussion. Denn der im Umweltbericht ermittelte Ausgleich kann in diesem Fall nicht vollständig im Plangebiet umgesetzt werden. Das ist an sich nichts Außergewöhnliches. Für Irritationen sorgte der „planexterne Ausgleich“ aber deshalb, weil er in der Nähe von Villingen-Schwenningen erfolgen sollte. Baudezernent Stefan Setzer erläuterte: „Die fehlenden Ökopunkte werden von der Flächenagentur Baden-Württemberg gekauft.“ Die Beschreibung des Projekts lautet: „Die Maßnahme, die als Ersatz herhalten muss, dient der Extensivierung artenarmer, nährstoffreicher Wirtschaftswiesen im Gewässerumfeld des Alten Holenbachs im Brigachtal. Durch die Extensivierung entstehen artenreiche Magerwiesen und Nasswiesen, die der Förderung des Ökosystems des naturnahen Holenbachs sowie der Entwicklung der Feuchtwiesen-typischen Flora und Fauna dienen.“
Mehrere Stadträte kritisieren die große räumliche Entfernung
Heinz Franke (SPD) äußerte als einziger grundsätzliche Bedenken gegen das Vorhaben, da es sich bei dem Baugebiet um bestes Ackerland handele. Am Ende stimmte aber auch er „zähneknirschend“ zu, da er keine räumliche Alternative für die Ansiedlung des für Backnang wichtigen Betriebs sah. Mehrere Ausschussmitglieder kritisierten jedoch die große räumliche Entfernung, in der der Ausgleich vorgenommen werden soll. Sie forderten generell eine Verpflichtung, den Ausgleich zumindest in räumlicher Nähe vorzunehmen. Willy Härtner (Grüne) fragte etwa: „Wie findet die Kontrolle statt?“ Zudem verwies er darauf, dass es auch vor Ort genügend Möglichkeiten für solche Ersatzmaßnahmen gebe, etwa in Form von Bachbettrenaturierungen.
Doch Setzer erklärte: „Wir greifen als Stadt nur in Ausnahmefällen auf die Flächenagentur zurück.“ Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass die örtlichen Ausgleichsmaßnahmen aber auch sinnvoll sein müssen. „Es geht nicht, 20 Obstbäume mitten in die Landschaft zu setzen und dann kümmert sich keiner mehr drum.“ Die Stadt habe bereits die Gelegenheit genutzt, ein Ökokonto anzulegen, aber das Angesparte reiche nicht aus. Setzer verteidigte das Vorgehen aber auch aus einem anderen Grund. So sei es nicht zwingend schlecht, wenn man auf die Flächenagentur zurückgreife. Denn deren Ersatzmaßnahmen würden von Fachleuten konzipiert und würden eine ökologische Aufwertung im entsprechenden Naturraum darstellen. Es können auch flächenmäßig größere, kostspielige, naturschutzfachlich sinnvolle, interessante (Groß-)Projekte durchgeführt werden, für die eine Kommune nicht die personelle und finanzielle Ausstattung hätte. Bei jedem Ausgleich der Stadt stellt sich zudem die Frage: „Wie sichern wir diese Maßnahmen ab?“ Der Bauhof könne die Projekte nicht über eine Laufzeit von 25 Jahren kontrollieren.
Im Fall Urban wird ein Teil des geforderten Ersatzes auf der Eingriffsfläche ausgeglichen. Konkret bedeutet das eine Dachbegrünung auf dem Firmengebäude, eine Fettwiese auf dem Firmengelände, Zierrasen, 20 Laubbäume auf der Fettwiese beziehungsweise dem Parkplatz und eine Feldhecke zur freien Landschaft als Eingrünung. All dies ist über Festsetzungen im Bebauungsplan gesichert. Dort werden auch 70 Stellplätze gefordert. Eine Anzahl, die von einigen Stadträten als zu viel angesehen wurde.