Neuer Kurs für Eltern in Trennung

Die Beratungsstelle für Familien und Jugendliche bietet mit einem mehrteiligen Kurs Hilfe für Eltern in Trennung. Der Fokus richtet sich auf das Wohl der Kinder. Der Beratungsbedarf ist deutlich gestiegen, sagen die beiden Kursleiterinnen und auch die Initiatorin einer Selbsthilfegruppe.

Aufbruch in eine neue Lebenssituation: Das Wohl ihrer Kinder haben Eltern nach der Trennung oft nicht im Blick. Foto: www.stock.adobe.com/S. Kobold

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Aufbruch in eine neue Lebenssituation: Das Wohl ihrer Kinder haben Eltern nach der Trennung oft nicht im Blick. Foto: www.stock.adobe.com/S. Kobold

Von Nicola Scharpf

Backnang. Zuerst der Idealfall: Ein Paar, das Kinder in die Welt gesetzt hat, versteht sich nicht mehr und trennt sich. Es lernt, mit dem Trennungsprozess und der Krise umzugehen. Trotz aller Verletzungen, die möglicherweise entstanden sind, gelingt ihm der Übergang von Elternschaft mit Paarbeziehung zur reinen Elternschaft, sodass die Kinder spüren: Meine Eltern funktionieren noch als Eltern, trotz Trennung ziehen sie als Eltern an einem Strang.

Mit dem Idealfall haben es sowohl Jacqueline Gerhardt und Annette Finzelberg als auch Simona Lindacher in der Regel nicht zu tun. Die beiden Erstgenannten betreuen als Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin in der Backnanger Beratungsstelle für junge Menschen und Familien unter anderem Eltern, die ihre Trennung nicht wie im Bilderbuch meistern. Jedes Jahr im Herbst bietet die Beratungsstelle des Jugendamts den Kurs „Trennung meistern – Kinder stärken“ an, den zuletzt Finzelberg und Gerhardt gemeinsam leiteten. Simona Lindacher hat mit „Herzensangelegenheiten“ die einzige Selbsthilfegruppe im Landkreis gegründet, in der Trennungsfrauen eine Anlaufstelle für ihre Anliegen finden.

„Der Blick auf die Kinder


geht oft verloren“

Das Kursangebot der Beratungsstelle wurde vor drei Jahren geschaffen. Es hat sich etabliert, „weil der Bedarf zugenommen hat“, sagen die beiden Beraterinnen Finzelberg und Gerhardt. Männer würden sich zunehmend auch nach der Trennung weiterhin als Väter einbringen wollen. Das erfordere, mehr Absprachen zu treffen, was wiederum mehr Konfliktpotenzial bergen und zu mehr Beratungsbedarf führen könne. Eine schlechte Entwicklung sehen die beiden darin nicht, obwohl sie mehr Konflikte mit sich bringt. Die Initiatorin der Selbsthilfegruppe bestätigt, dass Gesprächs- und Beratungsbedarf gestiegen seien. Oft gehe es um Streit ums Sorgerecht oder um Unterhaltszahlungen. „Die Kinder werden dabei immer mit thematisiert. Für sie ist es immer schwer und ein Spagat.“

Umso wichtiger ist es also, den Fokus auf die Kinder zu richten: „Dieser Blick geht oft verloren“, sagen die beiden Beraterinnen vom Jugendamt. Sie verwenden für den Extremfall den Begriff der Kriegselternschaft. Er bedeutet, dass Kinder zum Werkzeug, zur Waffe, zum Kampfobjekt werden. Sie geraten in Loyalitätskonflikte, weil die Eltern sich gegenseitig entwürdigen. Oder sie werden emotionale Stützen für ihre Eltern, obwohl die Rollen eigentlich umgekehrt sein müssten. Oder sie werden parentifiziert, indem sie Verantwortung und Sorge für jüngere Geschwister übernehmen müssen. Hochstrittige Eltern, deren Denken und Handeln von starken Affekten und Emotionen wie Wut, Angst, Kränkung oder Verlustgefühlen gelenkt wird, schaffen eine Lebenssituation, die für ihre Kinder durch emotionalen Dauerstress und Hilflosigkeit, weniger Wärme und geringere emotionale Verfügbarkeit der Eltern gekennzeichnet ist. Die Kinder sind gezwungen, eigene Verarbeitungs- und Anpassungsmechanismen zu entwickeln: „Sie haben Auffälligkeiten und können ihre Entwicklungsaufgaben nicht bewältigen“, formuliert es Gerhardt.

Wer sich für den Kurs „Trennung meistern – Kinder stärken“ anmeldet, will es so weit nicht kommen lassen. Aufgrund der freiwilligen Entscheidung, den sechsteiligen Kurs zu besuchen, erlebe sie die Teilnehmenden als sehr motiviert und lernbereit, sagt Gerhardt, die alle drei bislang stattgefundenen Kursangebote geleitet hat. In der Gruppe, die aus maximal acht Teilnehmenden besteht, trete schnell eine Entwicklung und Öffnung ein. Jeder habe seine persönliche Geschichte, befinde sich in einer unterschiedlichen Phase der Trennung, habe Kinder in unterschiedlichem Alter.

Weitere Themen

Es finde zwar keine Einzelfallberatung statt, aber es gebe bewusst Raum für Fragen. „Die Gruppe profitiert von diesen Fragen.“ Und es sei nicht so, dass sie als Kursleiterinnen immer Rückmeldung geben. „Die Teilnehmer unterstützen sich, stärken sich gegenseitig“, schildert Gerhardt das Interesse der Teilnehmenden an ihren Gegenübern. Die Kursstunden beginnen jeweils mit Entspannungsübungen, bei denen die Leiterinnen ein breites Spektrum vorstellen, „sodass jeder etwas für sich finden kann“. Es gehe vor allem darum, Möglichkeiten der Selbstfürsorge kennenzulernen. Denn da kommen die Kinder ins Spiel: Wer angemessen Selbstfürsorge betreibt, hat mehr Kraft, für seine Kinder zu sorgen.

Konfliktsituationen werden


in Übungen nachgespielt

Einer Anfangsrunde, in der jeder Teilnehmer etwas von sich erzählen kann, folgen theoretische Inputs und anschließend Übungen. Darin spielt die Gruppe Konfliktsituationen durch, lernt Handlungsmöglichkeiten und Lösungsansätze kennen – beispielsweise für die Situation der Übergabe, die konfliktträchtig sein kann. Es geht um den Perspektivwechsel: Wie fühlt sich der andere Elternteil? Es geht um den Teufelskreis der Kommunikation: An welcher Stelle ist ein Ausstieg aus dem Konfliktgeschehen möglich? Es geht darum, sensibel zu werden: Wie wirken Erfahrungen aus der Kindheit noch heute? Sind sie der Auslöser für Reaktionen, die nicht so passend für einen Außenstehenden sind? „Es ist viel wert, das zu erkennen“, so Gerhardt. Die Übungen „sind nachhaltiger, als es nur theoretisch zu besprechen“. Das würden auch die Teilnehmenden als Rückmeldung geben.

Die erarbeiteten Ressourcen sollen dazu beitragen, die Kooperation und Kommunikation zwischen den Eltern, ihr Konfliktverhalten und ihre Erziehungskompetenz zu verbessern, um Kinder von Loyalitätskonflikten zu entlasten und ihre Bedürfnisse besser zu erkennen. „Ich tue es für mein Kind“, benennt Gerhardt den Antrieb aller Eltern, sich zum Kurs anzumelden.

Hilfe für den Trennungsfall

Verhaltenstipps Kinder reagieren auf die geänderte Lebenssituation, die durch Trennung/ Scheidung der Eltern entsteht, verschieden. Eltern sollten sich fragen: Was braucht mein Kind nach der Trennung, was sind seine Bedürfnisse? Wichtig ist, in der Umbruchphase gezielt gemeinsam Zeit mit dem Kind zu verbringen. Eltern sollten sich dafür einsetzen, dass das Umfeld des Kindes stabil bleibt, es also weiterhin in den Sportverein geht oder seine Freunde und andere wichtige Bezugspersonen besucht. Es sollte darüber reflektiert werden, ob das Residenzmodell, das Nestmodell oder das Wechselmodell am geeignetsten ist. Lösungen müssen nicht für viele Jahre festgezurrt, sondern können veränderten Gegebenheiten angepasst werden. Getrennte Paare sollten für Geburtstage und Feiertage Umgangsvereinbarungen im Sinne des Kindes treffen. Beide Elternteile sollten kompromissbereit sein. Ein neuer Partner/ eine neue Partnerin sollte gegenüber dem Kind behutsam eingeführt und auch dem Ex-Partner/der Ex-Partnerin vorgestellt werden. Großeltern sollten vor dem Enkelkind nicht über den Ex-Schwiegersohn oder die Ex-Schwiegertochter lästern.

Kursangebote Im Rems-Murr-Kreis gibt es für in Trennung lebende Eltern verschiedene Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen. Das nächste Elterntraining „Trennung meistern – Kinder stärken“ der Beratungsstelle für Familien und Jugendliche findet im Herbst in Backnang, Waiblingen und Schorndorf statt. Anmeldung und Infos unter Telefon 07191/8954039. Außerdem bietet Pro familia in Waiblingen den Kurs „Meinem Kind soll es gut gehen“ an, der von Stefani Brenner, systemische und entwicklungspsychologische Beraterin, geleitet wird. Der nächste Kurs in Waiblingen findet ab dem 18. April an vier Terminen jeweils von 19.30 bis 21 Uhr statt. Ein weiterer Kurs startet im November. Eine Anmeldung ist erforderlich, Telefon 07151/982248940. Weitere Infos zur Selbsthilfegruppe „Herzensangelegenheiten“ gibt es bei Gruppenleiterin Simona Lindacher unter 0160/93071372. Ein neues Angebot der Selbsthilfegruppe, das sich explizit auch an Männer richtet, ist an den Dienstagen 14. Mai und 11. Juni, jeweils von 18 bis 20 Uhr im Familienzentrum Schorndorf geplant: Frauen und Männer, die in Trennung oder Scheidung leben, kommen dabei zusammen, reflektieren ihre Lage, wechseln auch mal die Perspektive und unterstützen sich gegenseitig in der Bewältigung der Trennung. Die Gruppe wird geleitet von Simona Lindacher und Heilpraktikerin Juliana Fourkalidis.

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Erstellt:
12. März 2024, 06:00 Uhr

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