Projekt zum Kinderschutz steht vor dem Aus
Neues Fortbildungsangebot des Jugendamts für die Mitarbeiter der Rems-Murr-Kliniken stößt auf mangelnde Resonanz

© MEV
Kinder brauchen eine schützende Hand. Foto: MEV
Von Armin Fechter
WAIBLINGEN. Der Landkreis möchte in den Rems-Murr-Kliniken ein Kinderschutzprojekt etablieren. Bislang ist er dabei jedoch nicht vorangekommen: Es hat noch keine einzige der anvisierten Schulungen stattgefunden. Mit dieser ernüchternden Botschaft trat Jugendamtsleiter Holger Gläss jetzt vor die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses. „Ich bin im Dilemma“, bekannte er: Einerseits stellt sich für ihn die Frage, wie lange er noch zuwarten soll, bis sich etwas tut, und ob er das Vorhaben vielleicht sogar beerdigen muss. Andererseits sieht er großen Bedarf für das Vorhaben.
Das Projekt sollte vorrangig in der Kinderklinik greifen. Dort werden immer wieder Kinder und Jugendliche mit körperlichen Beschwerden eingeliefert. Bisweilen handelt es sich um schwere, lebensbedrohliche Verletzungen, mitunter sind bleibende Schäden zu befürchten. Alle diese Fälle werden von den Medizinern versorgt und vom Pflegepersonal betreut. Aber die Symptome, die am Patienten festzustellen sind, haben oftmals komplexen Charakter. So kann sich im Verlauf der Untersuchung und Behandlung der Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung zeigen. Da schrillt dann die Alarmglocke, dass mehr hinter einer Wunde stecken könnte als ein Unfall, mehr als Pech, mehr als ein bloßes Missgeschick, ja, dass möglicherweise eine Misshandlung vorliegt. Ziel des Projekts ist es deshalb, Medizinern und Pflegekräften mehr Sicherheit im Umgang mit dem sensiblen Thema zu geben.
Eine Konzeption zum Kinderschutz in den Kliniken wurde vor zwei Jahren ausgearbeitet und im Jugendhilfeausschuss vorgelegt sowie im Juni 2017 verabschiedet. Geplant war, dass das auf drei Jahre angelegte Projekt im März 2018 anlaufen sollte. Die Trägerschaft übernahm der Jugendhilfeverbund der Paulinenpflege.
Das Programm beinhaltet drei aufeinander aufbauende Module. Erster Baustein ist eine umfassende Schulung zu Fragen des Kinderschutzes. Diese soll den Kinderärzten und dem Pflegepersonal Sicherheit geben, damit sie einen Fall von Kindeswohlgefährdung erkennen können und wissen, wie damit umzugehen ist. Diese Schulung schließt viele Aspekte ein – von Recht und Pädagogik bis hin zu Psychologie. Die Fachkraft, die die Fortbildung leitet, soll zudem für Ärzte und Pflegepersonal zur Beratung zur Verfügung stehen. Für diesen weiteren Baustein ist eine Präsenzzeit von zweimal zwei Stunden pro Woche vorgesehen, damit das Klinikpersonal Rat in konkreten Fällen einholen kann.
Ein dritter Baustein beinhaltet ein Beratungsangebot für die Eltern – dies in Form einer Wegweiserfunktion: Der Aufenthalt in der Kinderklinik soll genutzt werden, um Familien an entsprechende Beratungsstellen im Kreis zu vermitteln.
Auch mit modifiziertem Programm bleiben die Anmeldungen aus
Das Projekt ist aber dann nicht so ins Laufen gekommen, wie sich das die Verantwortlichen vorgestellt hatten. Sowohl die Klinik als auch der Projektträger signalisierten, dass das Angebot auf wenig Resonanz stieß. Erste Vermutungen, dass es sich dabei um bloße Anlaufschwierigkeiten für eine neue Sache handelte, bewahrheiteten sich aber nicht. Deshalb gab es im Oktober vergangenen Jahres eine Runde zwischen Klinik, Projektträger und Kreisjugendamt. In den Gesprächen wurde vereinbart, die zunächst ganztägig geplanten Schulungen zu entzerren und in zwei Teile zu trennen. Ferner wurde die Wegweiserberatung für Hilfe suchende Familien gestrichen, diese soll stattdessen vom psychologischen Dienst der Klinik erbracht werden. Und schließlich wurden die ursprünglich vorgesehenen Präsenzzeiten der Fachkraft in eine Rufbereitschaft umgewandelt.
Trotz dieser Änderungen blieben aber die Anmeldungen aus, sodass keine Kurse stattfinden konnten. Lediglich zwei Beratungssequenzen kamen bislang zustande. Damit steht das Projekt nun auf der Kippe. Bevor es aber eingestellt wird, will die Klinikleitung, wie Gläss berichtete, noch einmal Möglichkeiten des Nachjustierens ausloten.
„Die Botschaft könnte sehr viel erfreulicher sein“, räumte Gläss ein, während Landrat Richard Sigel bekannte: „Wir wollten berichten, auch wenn’s mal nicht so gut läuft.“ Alexander Bauer (SPD) warf derweil die Frage auf, wo die Gründe für die mangelnde Resonanz liegen. Sigel warnte jedoch davor, die Schuld hin oder her zu schieben, und versicherte: „Die Klinikleitung will das Projekt.“ Man sei mit Nachdruck dahinter her und wolle das Beste herausholen.