Pyrotechniker-Paar: Sie sind die Experten fürs Feuerwerk

An Silvester zünden Millionen Menschen jedes Jahr Raketen und Böller. Das Ehepaar Rau macht das beruflich: Die beiden vertreiben in den Tagen vor Silvester Feuerwerk und sind als Pyrotechniker auch das ganze Jahr über beim Aufbau von Großfeuerwerken dabei.

Bei Großfeuerwerken müssen die einzelnen Effekte genau geplant und aufeinander abgestimmt werden. Fotos: privat

Bei Großfeuerwerken müssen die einzelnen Effekte genau geplant und aufeinander abgestimmt werden. Fotos: privat

Von Kristin Doberer

Backnang/Wüstenrot. Seit dem 28. Dezember kann man wieder Raketen, Böller und Batterien kaufen, mit denen man in der Silvesternacht das neue Jahr einleiten kann. Lediglich an den drei Werktagen vor Silvester ist der Verkauf überhaupt erlaubt. Für Christina und Christian Rau aus Wüstenrot ist es eine anstrengende Zeit, denn seit 2013 verkauft das Ehepaar nebengewerblich unterschiedlichste Feuerwerksartikel. „Das ist jedes Jahr wieder eine chaotische Zeit“, sagt Christina Rau.

Der Trend gehe auch in diesem Jahr immer mehr zu Batterien, weiß die Pyrotechnikerin. „Die Batterien werden immer größer, manche haben bis zu 28 Kilogramm. Die Leute wollen nicht mehr eine Menge von einzelnen Raketen abschießen, sondern lieber eine Batterie zünden, damit sie die Minute auch wirklich genießen können. Dafür geben die Leute dann gerne mehr Geld aus.“ Sie begrüßt den Trend zur Batterie aber auch aus anderen Gründen. „Raketen sind gerade mit etwas Alkohol einfach unberechenbare Flugobjekte.“ Bei den Batterien könne man dagegen gar nicht so viel falsch machen, diese würden jedes Jahr sicherer werden und auch das Aufräumen gestalte sich deutlich schneller als beim Schießen von mehreren Einzelraketen.

Lange Lieferzeit: Schon im März muss die erste Ware für Silvester bestellt werden

Wer aber denkt, dass das Geschäft mit dem Feuerwerk nur in den Tagen vor Silvester Arbeit macht, der täuscht sich. Natürlich sind die Verkaufstage vor dem Jahreswechsel am stressigsten, doch tatsächlich beschäftigen sich die beiden zum ersten Mal im März mit dem Silvesterfeuerwerk – oder zumindest mit der Bestellung der ersten Ware. „Die Lieferanten müssen genug Zeit haben, um die Ware zu liefern“, sagt die Pyrotechnikerin. Das kann zum Teil tatsächlich ganz schön lange dauern, denn viele Feuerwerkskörper kommen aus dem Ausland, häufig aus China. Da es sich allerdings um explosive Ware handelt, gelten für den Transport sehr aufwendige Regelungen. „Die meisten Lieferungen kommen trotz früher Bestellung erst Ende Dezember an.“ Immer wieder komme es auch zu Problemen. Wenn zum Beispiel die Feuchtigkeit in einem Container zu hoch ist, kann das die Ware unbenutzbar machen. Und auch die weitere Verteilung hierzulande ist nicht ganz einfach. So müssen spezielle Logistikunternehmen beauftragt werden, die das Gefahrgut auch transportieren dürfen, erklärt die gebürtige Backnangerin, die 2001 nach Wüstenrot gezogen ist.

Hin und wieder werden besonders große Effekte gezündet, ein Highlight auch für Christian Rau.

Hin und wieder werden besonders große Effekte gezündet, ein Highlight auch für Christian Rau.

Doch was unterscheidet ihre Ware eigentlich von den Raketen, Böllern und Batterien, die in den Supermarktregalen zu finden sind? „Wir schauen ganz gezielt, dass wir eben nicht die Ware anbieten, die man in jedem Discounter findet“, erklärt sie. Stattdessen gibt es auch etwas außergewöhnlichere Ware, auf die es die Kenner in der Branche besonders abgesehen haben. „Es gibt einen Anbieter, der nur ganz wenig produziert und schnell ausverkauft ist.“ Außerdem sei ihr auch eine Beratung wichtig. Vor Corona hatte das Ehepaar sogar einen kleinen Laden, in dem es seine Ware vor Silvester verkauft hat. „Wir geben dann auch Tipps und verraten Tricks zum Anzünden. Manche Leute sind schon etwas eingeschüchtert“, sagt Christina Rau. „Einmal war eine Oma da, sie wollte zum ersten Mal in ihrem Leben auch an Silvester schießen. Sie wusste aber gar nicht, wie sie das machen soll“, ergänzt ihr Mann Christian. Ihre Kundschaft nämlich sei ganz bunt gemischt, von den absolut Feuerwerkbegeisterten, die das ganze Jahr über sparen, um sich an Silvester mit allen möglichen Batterien und Böllern einzudecken, bis hin zu denen, die nur mal ausprobieren wollen.

Ehepaar Rau ist wieder bei Großfeuerwerken beteiligt

Und obwohl diese Tage sicher die arbeitsreichsten sind, sind es nicht die einzigen, an denen sie Feuerwerke zünden. Bei Veranstaltungen ist das Ehepaar immer wieder beim Aufbau von Großfeuerwerken beteiligt. Mit dem Anzünden einer Batterie an Silvester hat das dann nur noch sehr wenig zu tun. Denn dabei werden minutenlange Feuerwerke genau geplant und so geschaltet, dass sie zum Beispiel zu Musik passen. Im Gegensatz zu den Silvesterfeuerwerken muss dafür einiges an Vorbereitung stattfinden. Allein das Feuerwerk genau zu planen, die einzelnen Effekte aufeinander abzustimmen und zeitlich genau richtig zu timen benötige viel Zeit am Computer. „Ich habe ein spezielles Programm, mit dem man die Effekte auswählen kann, die man zu einem bestimmten Zeitpunkt haben möchte. Das Programm berechnet dann, wann genau diese abgefeuert werden müssen, damit oben alles richtig zusammenkommt“, sagt Christina Rau. Für ein zehnminütiges Programm brauche sie gut eine Woche Planung nur am Computer. Dazu kommen dann noch die zahlreichen Auflagen, um die man sich bei solchen Feuerwerksshows abseits von Silvester kümmern muss. Zwei Wochen vor dem Feuerwerk müsse man dem zuständigen Amt genau mitteilen, was wo wann geplant ist. Sind alle Vorbereitungen erledigt, geht die handwerkliche Arbeit los. Für große Feuerwerke wie zum Beispiel beim Blühenden Barock in Ludwigsburg oder bei der Einweihung des Testturms in Rottweil zieht sich der Aufbau über Stunden bis Tage. „Das sind ja alles Einzeleffekte, die dann im genau richtigen Moment das Signal bekommen müssen“, erklärt sie.

Bei Großfeuerwerken kommen teils auch Geschosse zum Einsatz, die fast so groß sind wie die Pyrotechnikerin selbst.

Bei Großfeuerwerken kommen teils auch Geschosse zum Einsatz, die fast so groß sind wie die Pyrotechnikerin selbst.

Doch wie kommt man eigentlich darauf, Pyrotechnikerin oder Pyrotechniker zu werden? „Als Kind war ich beim Feuerwerk sogar eher ängstlich“, erinnert sich Christina Rau. Doch dann habe sie vor einigen Jahren das Feuerwerksfestival Flammende Sterne in Ostfildern besucht. „Ich habe gesehen, wie schön das Feuerwerk zu Musik ist, und habe mir gedacht: Das will ich auch mal machen.“ Gesagt, getan. Im Jahr 2012 hat sie ihre Lizenz bekommen. Dafür musste sie zunächst 20-mal bei einem Feuerwerk mithelfen. Hat man diese 20 Helferscheine, kann man selbst an einem Kurs teilnehmen, der unter anderem in Spreng- oder Feuerwerkerschulen absolviert werden kann. Bei Christina Rau dauerte der Kurs eine Woche und bestand aus theoretischem sowie praktischem Unterricht. Die Teilnehmer lernen unter anderem den sicheren Umgang mit Feuerwerk und Zündern, die gesetzlichen Regelungen, wann und wo ein Großfeuerwerk abgebrannt werden darf und welche Schutzabstände eingehalten werden müssen. Außerdem muss man eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen. Dies ist ähnlich wie ein polizeiliches Führungszeugnis, nur noch ausführlicher.

Um ihren Schein zu behalten, müssen Pyrotechniker außerdem alle fünf Jahre einen zweitägigen Lehrgang absolvieren. Für Rau völlig in Ordnung, sagt sie. Dabei könne man sich dann nicht nur neue Inspirationen holen und auf dem aktuellsten Stand bleiben, sondern treffe auch die Kollegen. „Das ist immer auch ein netter Austausch. Die Pyrobranche ist ja recht klein“, sagt Christina Rau. Das Paar selbst feiert übrigens immer noch gerne Silvester, von Feuerwerk habe man dann trotz des Verkaufsstresses der vergangenen Tage nicht genug. „Da können wir Neuheiten selbst ausprobieren“, meint Christian Rau. „Man hat auf jeden Fall noch Spaß dabei.“

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Erstellt:
30. Dezember 2023, 15:30 Uhr

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