Rekordschaden durch Enkeltrick
Auch Betrugsmasche mit falschem Polizeibeamten ist noch immer aktuell – Bankmitarbeiter werden sensibilisiert

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Von Lorena Greppo
BACKNANG/AALEN. Es klingelt, vor der Haustür steht eine Person, die sich als Polizeibeamter ausgibt. Sie warnt vor Diebstählen in der Nachbarschaft und fordert den Gesprächspartner auf, seine Wertsachen in Sicherheit zu bringen. Und wo sind der Schmuck und das Bargeld sicherer, als bei der Polizei? Das schlägt der angebliche Polizeibeamte dann auch vor und drängt darauf, die Wertsachen in Obhut zu nehmen. Nur, dass die Wertgegenstände bei ihm alles andere als in Sicherheit sind. Denn der Besucher ist ein Betrüger, der ahnungslose Opfer bestehlen will.
„Man fragt sich: Müsste man da nicht vorher aufmerken?“, weiß Kripo-Chef Reiner Möller. Dennoch führe die Masche immer wieder zum Erfolg, denn die Betrüger arbeiten höchst professionell. Sie seien besonders redegewandt, hätten bei einem Treffen gefälschte Dienstausweise dabei und richteten es bei den telefonischen Versuchen der gleichen Masche ein, dass auf dem Telefondisplay die Polizeinotrufnummer 110 als Anrufer angezeigt wird. 48 derartige Straftaten verzeichnete das Polizeipräsidium Aalen, unter dessen Zuständigkeitsbereich auch der Rems-Murr-Kreis fällt, im vergangenen Jahr. Bei der Hälfte blieb es beim versuchten Betrug, in 24 Fällen hatten die Täter Erfolg. Die Aufklärungsquote liegt laut Polizei bei 20,8 Prozent, die von den Tätern ergaunerten Vermögenswerte bei etwas über 100000 Euro. Aber zusätzlich zum Sachschaden werde auch das Vertrauen in die Polizei missbraucht.
Zwar ist die Fallzahl im Vergleich zu 2017 (53 Delikte, davon 34 erfolgreich) rückläufig, von einer Trendwende könne aber keinesfalls die Rede sein, so Möller. Landesweit stieg die Fallzahl sogar um über 230 Prozent, berichtet er. Der Schaden liege hier bei über 6,7 Millionen Euro. Und die Betrüger lassen sich immer wieder etwas Neues einfallen. Beispielsweise habe vor Kurzem ein Bürger einen Anruf von einem angeblichen Microsoft-Mitarbeiter gemeldet. Und auch der sogenannte Enkeltrick funktioniert immer noch. Hierbei rufen die Betrüger ältere Menschen an und geben sich als deren nahe Verwandte aus. 59 derartige Straftaten gab es 2018, im Jahr zuvor waren es 23. „Jedes Opfer ist eines zu viel“, findet Reiner Möller. Zumal die Betrogenen oftmals um ihre Altersersparnisse gebracht würden. Der dadurch verursachte Schaden lag 2018 bei 354000 Euro – das ist ein Rekord. Allerdings blieben etwa 80 Prozent der Delikte im Versuchsstadium stecken. „Das heißt, entweder hat der Anrufer es gleich mitbekommen, oder die Bank ist – wie kürzlich passiert – auf die völlig unübliche Abhebung aufmerksam geworden und hat dann mit Angehörigen und im weiteren Verlauf mit der Polizei gesprochen“, führt Reiner Möller aus. An dieser Stelle versuche die Polizei viel Prävention zu leisten, sagt auch Polizeipräsident Roland Eisele. Sei es mit Vorträgen, Beratung oder Sensibilisierung der Banken. „Langsam aber sicher trägt das auch Früchte, dass die Mitarbeiter in den Banken reagieren und schneller als sonst die Polizei verständigen“, hat er festgestellt. Auch gebe die Polizei Warnungen aus, wenn sich in einer Gegend wieder die Anrufe häufen, erklärt Möller.
Beide Maschen, der falsche Polizeibeamte wie auch der Enkeltrick, würden aus dem Ausland von Callcentern aus als Massengeschäft betrieben. „Mit welcher Vehemenz diese Callcenter sich an die Opfer wenden, ist wirklich erstaunlich“, findet Möller. Eisele erzählt von seiner Schwiegermutter, die über 80 ist und einen derartigen Anruf bekommen hat: „Sie hat um das Thema gewusst, hat sich das aber mal angehört. Über eine Viertelstunde hat der Anrufer auf sie eingeredet.“ Der Druck, den die Anrufer aufbauen, sei massiv. Ein Ehepaar, das durch die Enkeltrickmasche beinahe um viel Geld gebracht wurde, habe sich mit einem zweiseitigen Brief an die Polizei gewandt, der „eindrücklich beschreibt, wie sie, obwohl sie immer dachten, es könne ihnen nie passieren, fast auf die Masche reingefallen wären“, erzählt Möller. Er empfiehlt, im privaten Umfeld über das Thema zu sprechen und die Senioren zu sensibilisieren.

„Langsam aber sicher trägt die gezielte Schulung von Bankmitarbeitern auch Früchte.“
Roland Eisele
Polizeipräsident
Wenn fremde Personen sich vor der Haustür oder am Telefon als Polizeibeamte oder nahe Verwandte ausgeben und um Geld oder Wertsachen bitten, ist Vorsicht geboten. Folgende Tipps gibt die Polizei:
Lassen Sie grundsätzlich keine Unbekannten in Ihre Wohnung.
Fordern Sie von angeblichen Amtspersonen den Dienstausweis.
Rufen Sie beim geringsten Zweifel bei der Behörde an, von der die angebliche Amtsperson kommt. Suchen Sie dabei die Telefonnummer der Behörde selbst heraus oder lassen Sie sich diese durch die Telefonauskunft geben. Wichtig: Lassen Sie den Besucher währenddessen vor der abgesperrten Tür warten.
Die Polizei ruft niemals von der Notrufnummer 110 an.
Die Polizei wird Sie niemals um Geldbeträge bitten.
Geben Sie am Telefon keine Details zu Ihren finanziellen Verhältnissen preis.
Lassen Sie sich am Telefon nicht unter Druck setzen. Legen Sie einfach auf.
Übergeben Sie niemals Geld an unbekannte Personen.