Rems-Murr-Kreis: Der Hygienepranger hat sich etabliert
Seit fünf Jahren werden landesweit gravierende Verstöße bei Lebensmittelkontrollen unter Nennung des Betriebs online veröffentlicht. Lief dieses Verbraucherschutzangebot anfangs noch schleppend an, so ist die Nutzung im Rems-Murr-Kreis inzwischen rege.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Wenn die Kontrolleure in einem Betrieb der Lebensmittelbranche aktiv sind, werden sie zwar meist fündig. Doch nicht immer sind die Hygienemängel gravierend, im Gegenteil. Im Jahr 2022 waren laut Landratsamt 8136 Betriebe im Rems-Murr-Kreis registriert, die vom Fachbereich Lebensmittelüberwachung überprüft werden. Im Lauf des Jahres wurden 2887 Kontrollbesuche abgestattet. Das ergibt eine Kontrollquote von 35,5 Prozent. „2022 wurden 44 Bußgeldverfahren eingeleitet, sieben Verwarnungsgelder ausgesprochen und 30 Strafverfahren eingeleitet“, resümiert die Behörde. Die meisten Betriebe also genügen des Hygieneanforderungen.
Doch manchmal fallen den Prüfern eben auch unhaltbare Zustände auf wie verdorbene Lebensmittel oder verschmutzte Maschinen zu deren Verarbeitung. Sind die Verstöße in Lebensmittelbetrieben gravierend, so werden diese seit fünf Jahren auf dem Verbraucherinformationsportal des Landes (siehe Infotext) veröffentlicht. Das ist dann der Fall, wenn sie in nicht unerheblichem Ausmaß oder wiederholt erfolgen und wenn ein Bußgeld von über 350 Euro oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist. Nach Paragraf 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sind dann „Veröffentlichungen zum Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen vorzunehmen“.
Zwischen 500 und 100 Klicks im Monat auf der Seite des Kreises
Genannt werden der Name des Betriebs und das Datum der Kontrolle, außerdem werden die vorgefundenen Mängel aufgelistet. Entlastende Angaben für den Betrieb werden in der Spalte „Hinweise“ aufgenommen – etwa dass beanstandete Lebensmittel noch vor Ort entsorgt wurden oder dass eine Nachkontrolle keine Beanstandungen mehr ergeben hat. Nach sechs Monaten werden die Veröffentlichungen wieder gelöscht.
Anfangs lief der sogenannte Hygienepranger nur schleppend an. Die zuständigen Landratsämter kamen oftmals nicht hinterher, die Fälle, welche die Kriterien erfüllen, auch wirklich auf dem Portal einzustellen (wir berichteten). Der Rems-Murr-Kreis gehörte zu den wenigen Behörden, die schon von Beginn an an der Umsetzung mitwirkten. Inzwischen scheint das Verbraucherportal nicht nur gewissenhaft befüllt zu werden, es wird nach Angaben des Landratsamts auch „relativ interessiert und regelmäßig angenommen. Die Liste wird auf unserer Homepage monatlich zwischen 500- und 1000-mal angeklickt.“ Den Eindruck bestätigen diverse Posts in den regionalen Facebook-Gruppen, welche auf Veröffentlichungen im Portal hinweisen. Diese werden dann auch stets eifrig kommentiert.
Michael Matzke, Vorsitzender des Gastroverbands Dehoga im Rems-Murr-Kreis, sieht die Sache relativ entspannt. „Wir kriegen recht wenig davon mit“, sagt er. Das schreibt er vor allem den Bemühungen des Verbands zu, durch Aufklärung und Schulungen der Mitglieder die Gefahr zu minimieren, dass diese auf dem Portal landen. Zudem werden ja auch andere Bereiche als die Gastronomie erfasst, etwa Supermärkte oder Ähnliches. Auch seien viele Betriebe, beispielsweise Imbisse, für gewöhnlich nicht Mitglied im Verband.
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Natürlich könne es immer mal vorkommen, dass irgendwo im Kühlschrank ein abgelaufenes Lebensmittel steht, so der Verbandsvorsitzende. Aber solange dieses nicht in den Verzehr gebracht wird, handele es sich um eine Kleinigkeit. Wer hingegen vorsätzlich gesundheitsgefährdende Lebensmittel in Umlauf bringt, für den findet Michael Matzke klare Worte: „Das gehört geahndet, im Zweifelsfall auch durch die Stilllegung des Betriebs.“ Die Veröffentlichung auf dem Verbraucherportal sei da noch deren kleinstes Problem. „Wer das nicht kapiert hat, ist in der Gastronomie fehl am Platz.“ Über die Sinnhaftigkeit des Portals ließe sich sicherlich streiten, sagt Matzke. Denn schließlich sei die Grenze von 350 Euro beim Bußgeld recht willkürlich. Schwierig findet er es beispielsweise, wenn eine Betriebsübergabe stattfand und der Nachfolger mit dem schlechten Ruf des Vorgängers leben muss.
Verschmutzte Maschinen und verdorbene Lebensmittel
Aktuell finden sich im Portal sieben Einträge der Lebensmittelkontrolleure im Rems-Murr-Kreis. Drei davon betreffen Betriebe in Backnang, zwei beziehen sich auf Betriebe in Waiblingen, außerdem findet sich je ein Fall aus Winnenden und Schwaikheim. Die festgestellten Mängel decken eine große Bandbreite ab, bei manchen ist ein starker Magen gefragt. Bei einem Restaurant in Winnenden nahmen die Kontrolleure die Eismaschine aus dem Betrieb, weil diese innen mit Schimmel verunreinigt war und sich im hinteren Bereich, wo die Eiswürfel produziert werden, „eine rötlich-braune, schmierige Schicht“ befand. Die Maschine wurde außer Betrieb genommen, die Eiswürfel wurden entsorgt.
In einem Lebensmittelmarkt in Waiblingen beanstandeten die Kontrolleure mehrere Maschinen wie etwa einen Fleischwolf, die diverse Altverschmutzungen aufwiesen. Sie wurden stillgelegt, eine sofortige Reinigung wurde angeordnet. Bei einem Lieferdienst in Backnang, welcher zweimal kontrolliert wurde, verzeichnet die Behörde beide Male eine hohe Belastung mit „typischen verderbniserregenden Mikroorganismen“, bei der zweiten Probe wurden zudem Keime nachgewiesen, die Lebensmittelintoxikationen und Infektionen verursachen können. Beinahe harmlos erscheint dagegen der Fall eines Schwaikheimer Lebensmittelmarkts. Hier waren mehrere Lebensmittel aus der Obst- und Gemüseabteilung matschig, teilweise auch schimmelig und drei Snackprodukte waren seit einem Tag abgelaufen. Die beanstandeten Lebensmittel wurden vor Ort sofort entsorgt, heißt es.
Vor der geplanten Veröffentlichung erhalten die Betriebe die Möglichkeit zur Stellungnahme, teilt das Landratsamt mit. „Vereinzelt werden gegen die Veröffentlichung Rechtsmittel eingelegt.“ Laut Michael Matzke ist die Rückmeldung vonseiten der Betriebe im Dehoga-Verband auf eine Veröffentlichung im Portal aber überschaubar. „Der Aufschrei ist nur dann groß, wenn jemand das Gefühl hat, ungerecht behandelt zu werden. Oftmals halten die Betriebe aber still und hoffen, es zieht keine großen Kreise.“
Neuerungen Das Verbraucherinformationsportal www.verbraucherinfo-bw.de wurde anwenderfreundlich modernisiert. Das Portal bietet nun eine schnelle, übersichtliche und aktuelle Informationsquelle über behördliche Veröffentlichungen von Verstößen in Gaststätten, Restaurants, Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen. Die neu eingeführte Suchfunktion ermöglicht es Nutzern, nach Stichworten in den einzelnen Veröffentlichungen zu suchen. Mittels einer Filterfunktion können Veröffentlichungen verschiedener Behörden zusammengestellt werden. Zudem ist die Darstellung der Veröffentlichungen auf mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets optimiert worden.
Resonanz Der Grünen-Landtagsabgeordnete und ernährungspolitische Sprecher seiner Fraktion, Ralf Nentwich, äußerte sich erfreut über die Neuerungen: „Diese Weiterentwicklung des Verbraucherportals ist ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Transparenz und zur Stärkung des Verbraucherschutzes im digitalen Zeitalter. Es ist unerlässlich, dass unsere Bürgerinnen und Bürger auf einfache und schnelle Weise Zugang zu wichtigen Informationen haben.“ Im Koalitionsvertrag hat sich die Landesregierung das Ziel gesetzt, den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher auf allen Ebenen zu verstärken und zu modernisieren.