Rems-Murr-Kreis: So steht es um KI in der Landwirtschaft
Schlaue Systeme (8) Die Landwirtschaft bietet viele Ansatzpunkte für den Einsatz künstlicher Intelligenz. Allerdings sind die Hürden vor allem für kleine Betriebe hoch, weswegen die Technologien in der Region noch kaum angekommen sind.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Die Landwirtschaft befindet sich in einer spannenden Zeit, findet Albrecht Schwarz, Geschäftsführer der Aspacher Firma Schwarz GmbH Landtechnik-Ökotech Vertrieb. „KI macht an vielen Stellen in der Branche Sinn. Inzwischen ist die Hardware so weit, dass man sie sinnvoll anwenden kann, und die künstliche Intelligenz macht riesige Fortschritte.“ Die Landwirtschaft sei einer der Vorreiter der KI-Nutzung im ländlichen Umfeld, fügt David Benzin, Pressesprecher des Bauernverbands Schwäbisch Hall/Hohenlohe/Rems an.
Einige der KI-gestützten Systeme hat die Firma Schwarz in ihrem Angebot. Der Geschäftsführer weiß aber auch, dass diese noch nicht in der Fläche genutzt werden: „Momentan sind das vor allem die Pioniere, also Landwirte, die gerne vorne mit dabei sein wollen.“ Stefan Zoller, Geschäftsführer des Maschinenrings Rems-Murr/Neckar/ Enz, sieht die Anwendungen zwar in der Landwirtschaft angekommen, schränkt aber auch ein: „Eine große Verbreitung in der Praxis gibt es derzeit noch nicht zu verzeichnen.“ Im Ringgebiet seien ihm keine Betriebe bekannt, die KI-gestützte Systeme anwenden. Was aber genau macht die KI in der Landwirtschaft eigentlich möglich? Hierfür gibt es verschiedene Einsatzgebiete:
Pflanzenschutz Bisher findet die chemische Unkrautbekämpfung ganzflächig statt. „Da wird pauschal die komplette Fläche behandelt, auch wenn der Befall nur in einem Teilbereich ist“, sagt Albrecht Schwarz. Hier setzt die KI beim sogenannten Spot Spraying an. Durch Drohnenflug wird die Fläche registriert, die Maschine lernt, Unkraut zu erkennen, und errechnet so ein gezieltes Spritzprogramm. So können Unkräuter gezielt bekämpft werden. „Der Schlepper wird dann von der KI gelenkt und macht an geeigneter Stelle die Düsen auf“, erklärt Albrecht Schwarz. Sprich: Nur wo auch wirklich Unkraut wächst, wird gespritzt. So könne ein großer Teil an Pflanzenschutzmitteln eingespart werden – das schont Umwelt und Geldbeutel. Erste Ringe in Baden-Württemberg bieten ihren Mitgliedern diese Dienstleistung bereits an, sagt Stefan Zoller. „Unser Nachbarring, der Maschinenring Schwäbisch Hall, bietet das zum Beispiel für die Ampferbekämpfung im Grünland an.“
Düngung Wie viel Nährstoffzufuhr braucht der Boden? Und wo ist er überhaupt aufnahmefähig? Das können Sensoren ermitteln. Laut Albrecht Schwarz gibt es sowohl Bodenscanner wie auch eine KI-gestützte Auswertung von mehrjährigen Satellitenaufnahmen einer Fläche. „Anhand der Grünfärbung errechnet das Programm, wie gut der Boden versorgt ist“, erklärt der Experte. Diese Erfassung wird in einer Applikationskarte ausgespielt, welche die Grundlage für eine automatisierte, zielgerichtete Düngung bietet. So könne verhindert werden, dass Nitrat ins Grundwasser sickert, weil der Boden dieses nicht mehr aufnehmen kann. Die Vorstufe dessen, also eine satellitengestützte Düngung ohne den Einsatz von KI, nutzt Peter Treiber in Fellbach in diesem Jahr erstmals. Positiv hebt er hervor, dass die Düngung maximal effizient genutzt wird. „Man bringt nur dort Dünger aus, wo die Pflanze ihn gut verwerten kann.“ Ob das in der Summe aber dadurch zu weniger Düngereinsatz führt, könne er nicht sagen.
Beregnungssteuerung Bereits im Angebot der Firma Schwarz ist die intelligente Beregnung von Flächen. Sensoren messen die Bodenfeuchtigkeit, laden die Daten in eine Cloud, wo sie von der KI mit den Wettervorhersagen für den Standort abgeglichen werden. Diese wägt ab: Wie lange hält die Pflanze noch ohne Wasser durch und wann soll es wie stark regnen? Entsprechend wird ein passgenaues Beregnungssystem erstellt.
Tierhaltung In der Tierhaltung gibt es KI vor allem in der Milchkuhhaltung, so David Benzin. Er nennt etwa automatische Melksysteme und Fütterungsroboter, die das Futter selbstständig an die Fressplätze der Rinder schieben sowie Spaltenböden selbstständig von Kot befreien – „dies ist etwa vergleichbar mit den bekannten Rasenmäh- oder Staubsaugerrobotern, die in vielen Haushalten zu finden sind“. Eine weitere Einsatzmöglichkeit: Über einen sogenannten Bolus (eine Art Sensor, den Milchrinder herunterschlucken und der im Magen bleibt) können Daten zur Verdauung und Gesundheitsparametern von Rindern gesammelt werden, die dem präventiven Gesundheitsschutz der Milchrinder dienen.
Maschinenoptimierung Moderne Erntemaschinen wie Mähdrescher und Häcksler, aber auch Traktoren können inzwischen mithilfe von Sensoren ihre Arbeitsprozesse selbstständig prüfen und laufend an veränderte Bedingungen anpassen. Das spart Kraftstoff und erhöht die Flächenleistung. „Hier ist oftmals der fahrende Mensch ‚nur‘ noch zum Überwachen der Prozesse in der Kabine, und um im Notfall schnell eingreifen zu können“, erklärt David Benzin.
Was alles nach einer ungeheuren Erleichterung für die Landwirte klingt, hat aber auch seine Schattenseiten. Das eine ist der Preis. Ein Beregnungssystem könne man für ein paar Tausend Euro bekommen, sagt Albrecht Schwarz. Aber eine hoch spezialisierte Maschine – da könne es auch gut ein sechsstelliger Betrag werden. „Das ist ein Investment, welches sich für kleine Betriebe vermutlich nicht rechnet – oder nur, wenn sie sehr spezialisiert sind.“ Allerdings weiß Albrecht Schwarz auch: „KI ist kein Rundum-sorglos-Paket.“ Den Sachverstand der Landwirte könne sie nicht ersetzen. „Landwirte kennen ihre Betriebe und wissen, welcher Acker gut ist. Die KI untermauert das dann nur mit genauen Daten.“ Insofern lasse sie Raum für die Optimierung verschiedener Abläufe. Und wenn Betriebe über diese Größe hinauswachsen und sich das Spezialwissen zum eigenen Grundstück verliere, sei ein Einsatz sinnvoll.
Die Maschinenringe seien generell offen für Entwicklungen in diesem Bereich, so Stefan Zoller. Jedoch: „Problematisch sehen wir die hohen Anschaffungskosten der Technik. Die Betriebsstrukturen in unserem Ringgebiet lassen die notwendige Auslastung der teuren Technik oft nicht zu, daher wäre diese prädestiniert für die überbetriebliche gemeinsame Nutzung.“ Was wiederum dagegen spreche, sei die komplexe Bedienung. „Ohne eine intensive Einweisung oder gar einen Lehrgang ist eine optimale Nutzung der neuen Technik oft gar nicht möglich, was wiederum für spezialisierte Dienstleister sprechen würde.“
Auch der Bauernverband Schwäbisch Hall/Hohenlohe/Rems zeigt sich offen für KI, „solange sie die Betriebe und ihre Betreiberfamilien entlastet und Vorteile für gehaltene Tiere und die Arbeitsabläufe hat“. Denn wenn Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Kraftstoff eingespart werden, so schone das zudem die Umwelt. Man wisse aber auch um die Grenzen der KI-Technologien. „Sie ersetzen mittel- und langfristig nicht das Know-how, die Erfahrung und das Bauchgefühl von Fachleuten aus unserer Branche.“ Schließlich sei keine Technologie fehlerfrei. Das habe sich zum Beispiel in Sachen Mähdrusch gezeigt. Es habe Projekte zu autonom fahrenden Traktoren ohne Kabine gegeben – „von denen es in die Praxis meines Wissens keine Maschine geschafft hat“, so David Benzin. KI könne nur so gut sein wie die Menschen, die mit ihr arbeiten. „Ein gutes Hilfsmittel und eine Erleichterung von Aufgaben im Arbeitsalltag sowie ein Türöffner zum Sparen von Ressourcen ist KI aber allemal.“
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert derzeit 24 Forschungsprojekte im Bereich des Pflanzenbaus. Dort werden unter anderem die Schwerpunkte Pflanzenzucht, Ertragsschutz, Pflanzengesundheit, Unkrautkontrolle und vernetzte Landtechnik im Kontext der Nachhaltigkeit für den Einsatz von KI genauer erforscht. Konkrete KI-Forschungsgebiete sind der Einsatz von Robotik und Drohnen, maschinelles Lernen sowie smarte Sensortechnik. Darüber hinaus gibt es viele Anwendungsfälle zu Daten- und Farmmanagementsystemen. Vier weitere landwirtschaftliche Projekte betreffen den Bereich der Nutztierhaltung. Schwerpunkte sind hier insbesondere der Tierschutz und das Tierwohl.