Schneidertisch des Opas im Museum
Gabriele Pfeil spendet die Werkstatt von Karl Hilt, die er bis in die 70er in Erbstetten betrieb, nach Leutenbach
Auf Märchenbüchern sieht man das tapfere Schneiderlein auf einem Tisch sitzen, das eine Bein angewinkelt. „So saß auch mein Opa Karl Hilt auf seinem Tisch, das linke Bein stellte er auf einen Hocker, auf dem angewinkelten Bein hatte er sein Nähzeug“, beschreibt Gabriele Pfeil das Bild aus ihren Kindertagen. Dieses 2,80 Meter lange Möbel steht nun im Heimatmuseum.

© Gabriel Habermann
Elisabeth Nieratka und Franz Herrschlein, Vorsitzende des Historischen Vereins, haben für den Schneidertisch von Gabriele Pfeils Großvater eine Ecke des Heimatmuseums umgestaltet (von links). Foto: Habermann
Von Regina Munder
BURGSTETTEN/LEUTENBACH. „Alles hätte ich weggeworfen, mein Opa hatte viele wertvolle Antiquitäten, aber die Schneiderwerkstatt? Das hätte mir das Herz zerrissen“, sagt Gabriele Pfeil. Im Heimatmuseum Erbstetten, dem sie den Schneidertisch aus dem gleichen Ort zuerst anbot, winkte man mangels Platzes ab. Der Zufall und Pfeils Arbeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin führten sie mit Franz Herrschlein vom Historischen Verein zusammen. Nun zeigt dessen Museum am ersten Publikumstag der Saison, am 7. April, wieder etwas Neues aus alten Zeiten in der umgebauten Schneiderecke.
Gabriele Pfeil wird an dem Tag auch im Museum sein und von ihrer Familie erzählen. Sie saß als Kind oft beim Großvater, natürlich genauso wie er, im Schneidersitz auf dem Tisch, und nähte an einem Stück Stoff. Die beiden mochten einander sehr. Die Faszination am Handwerk ist ihr bis heute geblieben, wenn sie Zeit hat, näht sie selber gern. „Es gab ja früher nur Maßgeschneidertes“, blättert sie eins der Maßbücher auf, in dem ihr Opa für jeden Kunden Ober-, Unter- und Gesäßweite, Arm- und Beinlänge eingetragen hat. Eine Rechnung von 1954 weist auf, dass ein Anzug damals 53 Mark Arbeitslohn gekostet hat – ein hoher Betrag, von dem man lange einen Nutzen haben musste. Heute ist ein Maßanzug ein exklusives Vergnügen, weiß Franz Herrschlein vom Herrenschneider bei einem großen Edelkaufhaus in Stuttgart. Nur ein Jackett koste mehrere Tausend Euro.
Auf dem großen Schneidertisch findet außerdem ein Kästchen mit vielen flachen Schubladen Platz, in dem Fadenspulen, Nadeln, Reißverschlüsse und Knöpfe aufbewahrt werden. „Was er immer wieder zur Hand haben musste, war in diesem offenen Kasten“, zeigt Gabriele Pfeil auf ein weiteres Kistchen mit Rollschneider, Nadelkissen, Fäden und dem Pfriem, mit dem man Nähte auftrennt. Schulterpolster, die Schneider Hilt aus Stoffabfällen und Schaumstoff selbst herstellte, und Schnittmuster aus Papier ergänzen die kleine Werkstatt.
Früher standen dort neben dem Tisch nur ein Kanonenofen und ein Schrank für die fertigen Kleider. Gegen später kam auch eine Nähmaschine dazu, aber nur für die langen Nähte, zum Beispiel für Hosenbeine. Das meiste nähte der Opa in feinen, akkuraten Stichen von Hand, Knopflöcher versäuberte er nie anders. Ach ja, und dann ist da ja noch das rund acht Kilogramm schwere Bügeleisen. „War ein Kleidungsstück fertig, brauchte er bestimmt eine Stunde, um es zu glätten“, sagt Gabriele Pfeil und zeigt ein wichtiges Hilfsmittel mit witzigem Namen: den Ditscher. Ein zusammengerolltes Stück Stoff, die Enden in Fransen geschnitten, tauchte der Opa in eine Wasserschale und besprenzte dann das Stück Stoff, das er bügeln wollte.