Konzept

Schulen sollen besser vor sexueller Gewalt schützen

Die Zahl von Schülerinnen und Schülern, die in ihrem Leben mit sexueller Gewalt konfrontiert werden, ist erschreckend hoch. Das Land will nun dagegen angehen.

Kerstin Claus (links) und Theresa Schopper schauen ein Plakat gegen sexualisierte Gewalt an.

© dpa/Marijan Murat

Kerstin Claus (links) und Theresa Schopper schauen ein Plakat gegen sexualisierte Gewalt an.

Von Christian Gottschalk

Statistisch gesehen sind ein bis zwei Schüler pro Klasse in ihrem Leben mindestens ein Mal Opfer von sexualisierter Gewalt, sagt Kultusministerin Theresia Schopper (Grüne). Aus diesem Grund haben am Dienstag alle Schulen im Land Post aus Schoppers Haus bekommen. Baden-Württemberg will Schutzkonzepte gegen sexuelle Gewalt etablieren, verbindlich und an allen Schulen im Südwesten, von der Grundschule bis zum Gymnasium, von der Gemeinschaftsschule bis hin zu den beruflichen Schulen.

Basis dafür ist ein Konzept, welches Kerstin Claus, die unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs erarbeitet hat – in Zusammenarbeit mit zahlreichen Hilfsorganisationen und Beratungsstellen. Es gehe vor allem darum, Lehrer dazu zu animieren, in diesem Bereich aktiv zu denken, sagt Claus. Nur wer denke, der könne auch handeln. Die Bundesbeauftragte zieht einen Vergleich mit dem Brandschutz. Da gebe es Regeln, wie man sich im Ernstfall zu verhalten habe, und das werde dann auch noch regelmäßig geübt. Dabei seien Brände selten. Sexuelle Übergriffe gibt es weit häufiger. „Auch da braucht man einen Leitfaden, auch da muss das Vorgehen geübt werden“, sagt Claus.

Täter meist außerhalb des Schulgeländes

Vereinfacht gesagt gibt es drei Fallgestaltungen, in denen Schülerinnen und Schüler Opfer von sexualisierter Gewalt werden können. Durch Lehrer, durch andere Schüler oder durch Menschen die gar nichts mit der Schule zu tun haben, durch Familie, Freunde, Verwandte, Nachbarn. Während in der digitalen Welt mutmaßlich die Gleichaltrigen Opfer und auch Haupttäter seien, seien in der realen Welt vermutlich die Bezugspersonen außerhalb der Schule die häufigsten Täter, mutmaßt die Kultusministerin. Genaue Zahlen dazu gebe es nicht. Doch gerade auch in diesen Fällen soll die Schule der Ort sein, an dem Kinder und Jugendliche Hilfe erwarten und bekommen können.

Baden-Württemberg ist das neunte Bundesland, das sich dazu entschlossen hat, solch ein Konzept zu etablieren. Plakate mit Comic-Zeichnungen sollen das Thema öffentlich machen, Lehrer geschult werden, wie sie kritische Situationen im Schulgelände vermeiden – und wie sie reagieren können, wenn sich ihnen ein Schüler anvertraut. „Die Unsicherheit ist oft ein großes Problem“, weiß Kerstin Claus aus Erfahrung. Regelmäßige Schulungen könnten helfen, dem Entgegenzuwirken. Dabei gehe es auch darum, Täterstrategien zu erkennen. Innerhalb der Schule sei es eher der beliebte Lehrer als der als Stinkstiefel verrufene, der übergriffig werde, sagt Claus.

Andere Konzepte integrieren

Sensibilisierung für das Thema, Erkennen von Anzeichen, dass etwas nicht stimmt und die Ernennung von Vertrauenspersonen, an die sich Betroffene wenden können – all das gehört zu den Vorgaben für das neue Konzept. Und ein digitales Fortbildungskonzept für Lehrer – damit die sich das Wissen dann aneignen können, wenn sie Zeit dafür haben. „Keine Schule fängt bei Null an“, sagt die Ministerin. Vorhandene Strukturen und Projekte können in das neue Programm integriert werden.

Zum Artikel

Erstellt:
11. März 2025, 15:36 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen