Senior mit angeblichen Handwerkerleistungen betrogen
Anlagenmechaniker kassiert von 89-Jährigem insgesamt 26500 Euro. Schöffengericht verurteilt 32-Jährigen zu drei Jahren Gefängnis.

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Das Urteil des Schöffengerichts ist noch nicht rechtskräftig. Foto: okanakdeniz - stock.adobe.com
Von Hans-Christoph Werner
Backnang. Vor dem Schöffengericht hat sich ein 32-jähriger Anlagenmechaniker wegen Betrugs zu verantworten. Er soll einen 89-jährigen Hausbesitzer mit fingierten Handwerkerrechnungen um insgesamt 26500 Euro geprellt haben. Der Angeklagte bestreitet die Taten. Nach einem dreistündigen Indizienprozess wird der Angeklagte zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Im April und Mai vergangenen Jahres war’s. Und insgesamt fünfmal gelang die Masche. Wie der Anlagenmechaniker sich bei dem Senior einführen konnte, wird nicht klar. Auf alle Fälle gelingt es ihm, den Hausbesitzer von der Installation eines Selbstreinigungsgeräts für den Öltank zu überzeugen. Der Senior gewährt’s. Das angeblich installierte Gerät entpuppt sich später als eine leere schwarze Plastikbox.
Aber davon hat der Senior zunächst keine Ahnung. Gutgläubig entrichtet er den Kaufpreis von 3840 Euro in bar. Der Anlagenmechaniker gaukelt dabei dem Senior noch besonderes Entgegenkommen vor. Mit seinem Chef telefonierend gewährt er einen großzügigen Rabatt. Aufgrund dessen stimmt dann die ausgestellte Rechnung nicht mehr. Sie muss neu geschrieben und zugestellt werden. Was aber nie geschieht.
Knapp eine Woche später spricht der 32-Jährige erneut bei dem Senior vor. Das angebliche Selbstreinigungsgerät muss in Betrieb genommen werden. Nochmals fallen 3840 Euro an. Damit nicht genug. Keine drei Wochen vergehen, da drängt der Anlagenmechaniker dem Senior ein Ferndiagnosegerät für die Wasserleitung auf. Wieder gibt’s nach erwähnter Methode Rabatt, 4500 Euro sind fällig.
Abermals Wochen später, so wird dem Senior weisgemacht, ist der Einbau eines größeren Ferndiagnosegeräts fällig. Das kostet natürlich mehr: 5300 Euro. Schließlich sind es nur wenige Tage, dass der 32-Jährige erneut vorspricht. Das Abwasserrohr des Hauses sei undicht. Dem Senior hält der Anlagenmechaniker ein Schreiben der örtlichen Gemeindeverwaltung unter die Augen, das von dem Leck der Abwasserleitung zeugen soll. 9080 Euro sind fällig. Der Brief aus dem Rathaus, so die Ermittlungen, stellt sich als Fälschung heraus.
Durch Sprachnachrichten wird deutlich, dass der Angeklagte Spielschulden hat
Tage später legt der Anlagenmechaniker nochmals nach. Gefälschte Fotos sollen den desaströsen Zustand der Abwasserleitung demonstrieren. Zusammen mit seinem Opfer fährt der Anlagenmechaniker bei der Bank vor. Aufgrund der großen Bargeldabhebungen der vergangenen Wochen ist eine Bankangestellte stutzig geworden. Sie verweigert die erneute Auszahlung von 9080 Euro. Und kann noch beobachten, dass der Senior mit einem im Auto wartenden Mann verhandelt. Sie notiert sich das Kennzeichen und meldet die Sache bei Polizei.
Detailliert berichtet ein Polizeibeamter in der Verhandlung über die Ermittlungsarbeit. Über das Autokennzeichen kommt die Polizei an die Firma, bei der der Anlagenmechaniker arbeitet. Die Wohnadresse wird ermittelt. Vor der Tür parkt das Fahrzeug mit dem von der Bankangestellten notierten Kennzeichen. Eine Hausdurchsuchung wird durchgeführt, das Handy des Anlagenmechanikers beschlagnahmt. Gerade die Daten aus Letzterem liefern der Polizei wichtige Puzzlesteine. Navigationsdaten stimmen mit den Terminen der Geldabhebungen durch den Senior überein. Durch Sprachnachrichten an andere wird deutlich, dass der Anlagenmechaniker Spielschulden hat.
Auch der geschädigte Senior und seine Tochter werden als Zeugen vernommen. An vieles kann sich der Senior nicht mehr erinnern. Und der Angeklagte, so sagt der alte Herr, sehe der Person, die ihn um reichlich Barschaft erleichterte, nur ähnlich. Die Tochter berichtet, dass der Vater aus Scham all die Geschäfte mit dem Anlagenmechaniker verheimlichte.
Als über die Vorstrafen des Angeklagten berichtet wird, liest der Vorsitzende aus einem früheren Urteil vor. Sechs Jahre zuvor dieselbe Masche bei alten Herrschaften in Sindelfingen, Unterensingen und Aichwald. Irgendwelche dubiosen Kalkschutzsysteme werden bei älteren Leuten angeblich eingebaut und dafür überhöhte Preise kassiert.
„Sie sind so einer, der sich ältere Opfer aussucht“
Für den Staatsanwalt hat sich die Anklage bestätigt. Zugunsten des Angeklagten vermag er nichts vorzubringen. Schamlos habe dieser die Gutgläubigkeit des 89-Jährigen ausgenutzt. Mit drei Jahren Gefängnis sei die Sache zu bestrafen. Der Verteidiger des Angeklagten gesteht ein, dass es gewisse Indizien gebe, dass sein Mandant die Betrügereien begangen habe. Aber für die Entgegennahme des Geldes durch seinen Mandanten gebe es keine Zeugen. Da die Indizien nicht ausreichten, um zu einer Verurteilung zu kommen, plädierte der Rechtsanwalt für Freispruch.
Das Schöffengericht macht sich im Urteilsspruch den Vorschlag des Staatsanwalts zu eigen. Der Vorsitzende Richter spricht von einem Strauß von Indizien. „In erdrückendem Maß spricht alles gegen Sie“, sagt er. Eine Unverfrorenheit sei es, dies alles in der Gerichtsverhandlung abzustreiten. Anspielend auf die frühere Verurteilung des Anlagenmechanikers fügt der Richter hinzu: „Sie sind so einer, der sich ältere Opfer aussucht.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.