Spielfreude kennt kein schlechtes Wetter

Es regnet. Ein Grund, den Tag in den eigenen vier Wänden zu verbringen und sich vor dem Fernseher zu verkriechen? Nichts da! Lieber ab nach draußen – und so richtig schön dreckig werden. So zumindest empfiehlt es Miriam Hozak, die als Naturpädagogin auch zahlreiche Tipps für die Zeit draußen im Freien hat.

Pepe (rechts) und Toni Hozak genießen das Spielen in freier Natur bei fast jedem Wetter. Toni bearbeitet ausdauernd die Baumwurzel mit einem Stock, den er eigens aus seiner Stöckesammlung ausgesucht hat, wie er dem Fotografen fachkundig erklärt. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Pepe (rechts) und Toni Hozak genießen das Spielen in freier Natur bei fast jedem Wetter. Toni bearbeitet ausdauernd die Baumwurzel mit einem Stock, den er eigens aus seiner Stöckesammlung ausgesucht hat, wie er dem Fotografen fachkundig erklärt. Foto: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

BACKNANG. Wie kann man Kinder dazu bewegen, raus in die Natur zu gehen? Für Miriam Hozak ist das die falsche Frage. Eigentlich müsste es heißen: Wie kriegt man denn die Erwachsenen raus aus dem heimeligen Wohnzimmer? Denn wenn die Eltern Naturliebhaber und gern draußen sind, dann bekommt man auch die Kinder leicht dazu, sich für die Natur zu begeistern.

Und dann gilt auch die allseits bekannte Devise, dass es kein schlechtes Wetter gibt, sondern nur die falsche Kleidung. Ein Picknick im Regen? Wie zauberhaft! Geschützt unter einer Plane oder auf einem überdachten Grillplatz kann man das Prasseln der Regentropfen auf dem Dach genießen. Eine ganz eigene Art der Musik. Und bei Sonnenschein kann das sowieso jeder. Die Naturpädagogin spricht aus Erfahrung, denn sie bietet Naturgeburtstage an und draußen zu essen ist immer ein Highlight.

Viele Erwachsene sehen im Regen nur schlechtes Wetter. „Doch das ist Ansichtssache“, findet die gelernte Erzieherin aus dem Backnanger Raum. „Es ist einfach Regenwetter.“ Ihre eigenen beiden Kinder lieben Regenwetter. Dann kann man nämlich in Pfützen hüpfen. Oder Matschkugeln formen. Matschgesichter auf Bäume malen. Matsch und Wasser üben überhaupt eine große Faszination auf Kinder aus. Wenn auch eher weniger auf Eltern, die sich häufig darüber Gedanken machen, dass die eingesauten Kleider nachher wieder gewaschen werden müssen. Doch Kinder lieben es einfach, sich dreckig zu machen, mit vollem Einsatz zu spielen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Daher: Wenn man rausgehen möchte, sollte man immer Kleidung tragen, bei der es egal ist, wie sie hinterher aussieht. Übrigens auch empfehlenswert für den erwachsenen Begleiter. Denn, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, macht es nicht auch als Erwachsener noch Spaß, dabei mitzumachen? Selbst in Pfützen zu springen und Zielgenauigkeit beim Matschkugelweitwurf zu testen? Miriam Hozak ermuntert dazu, ein Eltern-Kind-Gemeinschaftserlebnis daraus zu machen. Und Wasser bietet noch viel mehr. So kann man etwa Staudämme an Regenrinnsalen oder am Bächlein bauen oder Schiffe schwimmen lassen (funktioniert auch sehr gut mit Zweigen oder Blättern). Und was gibt es an schönen Dingen, die man einfach nur im Herbst erleben kann, wenn es mal keinen Regen gibt? Einmal das Rascheln des bunten Laubs, wenn man hindurchgeht. „Alles, was die Sinne berührt, macht viel Spaß“, erklärt die Mutter zweier Jungs. „Wir sammeln beispielsweise Farben.“ Da ist natürlich beim Spaziergang durch Wald und Wiese besondere Aufmerksamkeit gefragt. Braun, Gelb oder Grün finden sich recht leicht. Doch ist auch noch etwas Rotes oder gar etwas Blaues zu finden? Ein schön geformter Pilz, eine letzte Blume? Das stärkt spielerisch die Wahrnehmung von Kindern. Und kann man womöglich ein Gesicht in diesem Blatt erkennen? Hozak rät, beim Spaziergang durch die Natur immer eine Tasche dabeizuhaben, in der Naturschätze aufgesammelt werden können, Blätter, Zweige, Schneckenhäuser, Steine... Und zu Hause lassen sich daraus fantasievolle Bilder gestalten, die sogar zwei Effekte haben. Zum einen sehen sie schön aus, zum anderen lehren sie Vergänglichkeit. Denn nach einiger Zeit sind die Blätter verschrumpelt und zerbröseln. Das Schneckenhaus fällt vielleicht zu Boden und zerbricht. Doch im Jahr darauf findet man wieder neue Schneckenhäuser und neue Blätter. Für die Naturpädagogin bietet die Natur viele Chancen, sich selbst kennenzulernen. Und in jeder Jahreszeit stellt sie unendlich viele Möglichkeiten bereit, zu spielen: „Es ist immer anders. Man muss sich immer wieder auf die Natur einstellen.“ Wenn man seine Zeit nur drinnen verbringt, macht man gar nicht die Erfahrung, wie es ist, wenn einem plötzlich kalt wird. Und was man dagegen dann tun könnte. Der Neurobiologe Gerald Hüther sieht die Natur als den angestammten Entwicklungsraum von Kindern. Sie biete ihnen die Möglichkeit, ihr „eigenes Ding“ zu machen, frei und ohne Zwänge. Sie erlaubt etwas Unmittelbares, bildet Widerstandsfähigkeit aus und gibt Raum, eigene Abenteuer zu erleben. So entwickelt sich eine Verbundenheit und auch Wertschätzung zwischen Mensch und Natur, mit den Pflanzen, den Tieren, die darin leben. Hozak zitiert Qing Li, den Präsidenten der Japanischen Gesellschaft für Waldmedizin: „Menschen haben ein angeborenes Bedürfnis, mit der Natur in Verbindung zu treten. Wir haben uns in der Natur entwickelt, das bedeutet, die Menschheit hat den größten Teil ihres Bestehens in der natürlichen Welt verbracht. Die Liebe zum Leben und der lebendigen Welt steckt in uns. Wir sind Teil der Natur.“ Vor acht Jahren hat die Erzieherin die Weiterbildung zur Naturpädagogin abgeschlossen, sie ist mittlerweile selbstständig, gibt Kurse für Kinder und Erwachsene bei verschiedenen Bildungsträgern und ein wichtiges Anliegen ist es ihr, Menschen für die Natur zu begeistern: „Wenn ich Kindern zeige, wie toll es in der Natur ist, dann entwickeln sie eine Liebe dazu. Und wenn ich etwas liebe, dann weiß und verstehe ich auch, warum ich es schützen soll.“

Bei ihren beiden Söhnen Pepe (4) und Toni (6) funktioniert das. Es gefällt ihnen sehr gut im Wald. Der Regen ist an diesem Tag überhaupt kein Thema. Toni ist schon ganz matschverschmiert und befreit mit großem Eifer eine umgestürzte Baumwurzel von Erde, die zwischen den Verwurzelungen festsitzt. Augenzwinkernd meint Miriam Hozak: „Am besten nimmt man sich bei Regenwetter einen warmen Tee mit und lässt die Kinder machen.“ Da haben dann alle was davon.

Miriam Hozak

Miriam Hozak

Tipps für draußen

Miriam Hozaks Tipps für eine abwechslungsreiche Zeit in der Natur: Picknick im Wald, ein Lager bauen, Tierspuren suchen, bestimmte Orte suchen, eine Lupe mitnehmen und etwas genauer betrachten, ein Fernglas mitnehmen und beobachten, Stöcke/buntes Laub/Zapfen/Früchte sammeln und daraus etwas basteln, Nachtwanderung mit der Taschenlampe machen, auf beliebte Kinderthemen eingehen (Feen, Einhörner suchen, Ninjago spielen), Geräusche sammeln, coole Fotos machen, Geocaching, bei warmem Wetter barfuß gehen, ein Lager bauen und so fort. Weitere Infos unter www.frischlufterlebnis.de.

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Erstellt:
13. November 2020, 11:30 Uhr

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