Spielplatz der Superreichen

Größer als World Trade und Rockefeller Center: Hudson Yards sind das ehrgeizigste Städtebauprojekt, das New York je gesehen hat

Der Immobilienentwickler Steve Ross hat 25 Milliarden Dollar in seine Vision einer goldenen Stadt innerhalb der Stadt investiert. Das Projekt direkt am Fluss ist sehr umstritten.

New York City Manhattan ist um eine Attraktion reicher. Hudson Yards hat die nie um einen vermarktbaren Namen verlegene Immobilienbranche das neue Stadtviertel getauft. Die fünf zentralen Türme, deren Pläne alle aus den Büros von Star-Architekten stammen, ragen mit HD-Schärfe in den Himmel. Ein neues Strahlen und Funkeln lässt das alte New York, das dahinter versinkt, schäbig und alt aussehen.

Die Hudson Yards sind das ehrgeizigste Städtebauprojekt, das New York je gesehen hat. 25 Milliarden Dollar hat der Immobilienentwickler Steve Ross in seine Vision einer goldenen Stadt innerhalb der Stadt investiert. Sechzehn Wolkenkratzer wird der Komplex beherbergen, wenn er in den kommenden zwei Jahren endgültig fertig ist, mit 560 000 Quadratmeter Bürofläche, 5000 Luxuswohnungen und einer Shopping-Zone von 70 000 Quadratmetern. Weder der neue World Trade Center Campus noch das historische Vorbild Rockefeller Center können von Tragweite und Ambition her auch nur annähernd mithalten.

Anziehungspunkt wird vermutlich vor allem die Aussichtsplattform The Edge werden. Garniert wird das Ganze durch einen avantgardistischen Kunst- und Performance-Raum, genannt The Shed, der sich anschickt, dem MoMA und dem Lincoln Center den Rang als Zentrum des kulturellen Lebens der Stadt abzulaufen. Und in der Mitte des Campus steht ein begehbares Kunstgebilde, genannt The Vessel, das der Schöpfer Thomas Heatherwick gerne als den „Eiffelturm von New York“ bezeichnet.

Doch trotz der unverhohlenen Megalomanie des Projekts ist das neue Viertel in den vergangenen Jahren beinahe unbemerkt herangewachsen. Man wusste vage, dass da an der Westseite irgendetwas passiert. Doch selbst von der Tenth Avenue aus, die man mangels Einzelhandels und Gastronomie ohnehin nur besucht, wenn man durchfährt oder dort arbeitet, war bis auf einen Bauzaun kaum etwas zu hören und zu sehen.

Die Hudson Yards sind an den Rand von Manhattan angeheftet wie vergessener Zusatz. Anders als beim World Trade Center oder seinerzeit beim Rockefeller Center hat sich bei der Planung nie das Problem gestellt, das Quartier in das Stadtgefüge integrieren zu müssen. Im Gegenteil, der Reiz an dem Projekt, das über die Schienen des U-Bahn-Depots gebaut wurde, war, dass man ohne Rücksicht auf den Kontext vollkommen vom Reißbrett planen konnte.

Herausgekommen ist eine autarke „gated community“, ein abgesperrter Bereich für Superreiche, in dem sie schlafen, arbeiten, einkaufen, essen und ins Theater gehen können, ohne sich dem Chaos und dem Schmutz der Stadt auszusetzen. Alles an den Hudson Yards ist vom Feinsten – die Restaurants mit Starköchen, die Luxusboutiquen, das Kulturangebot. „Die Bewohner sollen das Gefühl haben, dass sie von allem nur das Beste bekommen“, schreibt Justin Davidson, der Kritiker des „New York Magazine“. „Man wohnt im besten Gebäude in der besten Gegend in der großartigsten Stadt der Welt.“

Für New York sind die Hudson Yards ein dramatischer Paradigmenwechsel. Der Megablock entrümpelt die chaotische Stadt, in welcher die Baudichte über mehr als ein Jahrhundert hinweg jene viel zitierte „Kultur der Dichte“ geschaffen hat, die für jene betörende Anarchie und Pluralität sorgt, die einst als die Essenz der Stadt galt. An ihre Stelle tritt geordnete, hotelartige Sterilität, abgeschottet vom Leben der Metropole. Jeremiah Moss, Autor des Buches „Vanishing New York“, einer Klageschrift über die verlorene Seele New Yorks, nennt die Yards deshalb auch eine „Anti-Stadt“ oder auch eine „plutokratische Wolke“.

Doch die Entwicklung ist kein Zufall. Sie folgt der Vision von Bürgermeister Michael Bloomberg, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, die Stadt in ein „Luxusprodukt“ umwandeln zu wollen. In seinen zwölf Amtsjahren hat Bloomberg die Nutzungsbestimmungen für 40 Prozent der Stadtfläche geändert und somit privaten Entwicklern den Weg bereitet.

Die Hudson Yards waren Bloomberg von Anfang an eine Herzensangelegenheit. Die letzte Brachfläche von Manhattan über den Gleisen des U-Bahn-Depots war dem Unternehmer schon immer ein Ärgernis. So nutzte er 2001 kurz nach seinem Amtsantritt die Olympiabewerbung der Stadt dazu, das Areal umzuwidmen.

Aus der Bewerbung wurde nichts, doch der Startschuss zur Entwicklung der Ecke von Manhattan, die keinen Profit abwarf, war gefallen. Und mit Steve Ross fand Bloomberg einen Partner, der nicht nur die tiefen Taschen für ein solches Megaprojekt hatte, sondern auch Bloombergs Vision eines aufgeräumten, keimfreien Manhattans für die Wohlhabenden teilte.

Nun, da Bloomberg seit fünf Jahren nicht mehr im Amt ist, fragt sich New York freilich, ob die Hudson Yards ein Überbleibsel seiner Ära sind, die längst zu Ende gegangen ist, oder ob die Epoche der Hypergentrifizierung der Stadt nie aufgehört hat. Die Fortsetzung von Bloombergs Planungspolitik durch seinen Nachfolger Bill DeBlasio – den Mann, der eigentlich behauptet hatte, sich für größere soziale Gerechtigkeit starkzumachen –, macht leider wenig Hoffnung. Gerade hat DeBlasio in Queens ein Areal von der siebenfachen Größe der Hudson Yards zur Entwicklung freigegeben.

Trost findet Justin Davidson in der Tatsache, dass die Hudson Yards so stark vom Rest der Stadt abgetrennt sind. „Vielleicht“, so sein Kommentar, „schwebt die Gegend ja wie ein Raumschiff, das nicht landen mag, über der Stadt, während unter ihm das alte, chaotische, schmutzige und laute Leben von New York wie immer weitergeht.“

Zum Artikel

Erstellt:
18. März 2019, 03:04 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen