Steinbacher kritisieren Laufzeitverlängerung der Deponie

Die Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) will die Laufzeit der Deponie in Steinbach bis zum Jahr 2055 verlängern. Damit stößt sie bei einer Sitzung des Steinbacher Ortschaftsrats auf Kritik. Einige Bürgerinnen und Bürger befürchten eine jahrzehntelange Belastung des Stadtteils.

Stimmen Backnang und Oppenweiler zu, wird die Deponie bis 2055 betrieben. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Stimmen Backnang und Oppenweiler zu, wird die Deponie bis 2055 betrieben. Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Backnang. Seit über 50 Jahren kocht das Thema Deponie in Steinbach immer wieder hoch. Zumindest in den vergangenen Jahren scheint man sich aber mit der Einrichtung der Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) abgefunden zu haben – schließlich war ein Ende in Sicht. Die Laufzeit sollte eigentlich im Jahr 2032 enden. Nun allerdings hofft der Landkreis auf eine Verlängerung bis 2055. Denn noch gebe es Kapazitäten in Steinbach, die Infrastruktur sei hier bereits vorhanden und die Ausbaukapazitäten in anderen Deponien im Kreis seien beschränkt, erklärt Lutz Bühle von der AWRM bei einer Sitzung des Ortschaftsrats in der Steinbacher Dorfhalle. „Wir wollen die Kapazitäten und Infrastruktur, die wir schon haben, voll nutzen. Die Suche nach einem neuen Deponiestandort ist sehr schwer.“ Damit die Deponie in Steinbach aber bis 2055 weitergeführt werden kann, bedarf es einer Zusatzvereinbarung, der die Stadt Backnang und die Gemeinde Oppenweiler zustimmen müssen (wir berichteten).

Mehrmals ging es in verschiedenen Gremien in den vergangenen Wochen um die mögliche Laufzeitverlängerung. Während sich die Gespräche mal um die ökologischen und ökonomischen Vorteile der Konzeption und mal um Ausgleichszahlungen drehten, war der Ton bei der Sitzung des Ortschaftsrats Steinbach mit Bürgerfragestunde deutlich emotionaler und kritischer. „Seit 60 Jahren sind wir das Mülldorf, irgendwann muss Schluss sein“, meint zum Beispiel einer der etwa 50 anwesenden Bürger. Allerdings wird nicht nur die mögliche Laufzeitverlängerung kritisiert.

Sicheres Ende Für besonders viel Frust bei den Bürgerinnen und Bürgern sorgt das nun geplante Abweichen von der zunächst festgelegten Laufzeit. Ortschaftsrat Günter Remann drückt die große Befürchtung mehrerer Steinbacher in der Dorfhalle aus: „Ist 2055 dann sicher das Ende?“ Auch ein Bürger fragt nach, was passiere, wenn es 2055 noch Kapazitäten in der Deponie gibt. Schließlich werde die Standortsuche in der Zukunft sicher nicht einfacher. Er befürchtet, dass dann die gleiche Argumentation wie jetzt angebracht wird. „Die Abfallwirtschaft ist eine dynamische Branche. Was im Jahr 2055 passiert, weiß keiner“, gibt Bühle zu. Er betont aber zugleich, dass zwischen den beteiligten Kommunen dann ein ganz neuer Vertrag ausgehandelt werden müsste. „Wenn 2055 noch Restvolumen da wäre, müsste man dafür einen neuen Vertrag abschließen“, betont auch Erster Bürgermeister Stefan Setzer, dazu gehöre auch ein neuer Planfeststellungsbeschluss mit allen Gutachten. Wirklich beruhigt sind mehrere Bürger in der Dorfhalle dadurch nicht. „Ich kann der Vereinbarung nicht vertrauen“, meldet sich einer von ihnen. Er habe das Vertrauen in die Lokalpolitik verloren und fühle sich angesichts der Pläne belogen.

Etwa ein Drittel der Anfahrten zur Deponie führt durch Steinbach

Verkehr Wird die Laufzeit verlängert, werden die Steinbacher auch deutlich länger mit den Lasten leben müssen, die so eine Deponie eben mit sich bringt. Allen voran mit dem Lärm durch den Verkehr. Eine Untersuchung ergab, dass etwa ein Drittel der Anfahrten zur Deponie durch Steinbach führt. Die Befürchtung, dass das noch deutlich mehr werden könnte, wenn das Entsorgungszentrum auf der Deponie ausgebaut und modernisiert wird, will Bühle entkräften: „Wir bauen weitere Standorte, zum Beispiel in Winnenden und Murrhardt, modernisieren andere und verlängern Öffnungszeiten. Wir glauben nicht, dass es zu einer Konzentration in Steinbach kommt.“

Lastenausgleich Um die betroffenen Kommunen angesichts dieser Probleme etwas zu entlasten, schlägt die AWRM bei einer Verlängerung der Laufzeit einen Lastenausgleich vor. Pro Tonne Erdaushub könnte dieser bei 1,50 Euro liegen und auf Backnang, Steinbach und Oppenweiler aufgeteilt werden. Der Steinbacher Ortschaftsrat werde selbst darüber entscheiden können, was mit dem Geld passiert. „Das bekommt der Ortschaftsrat als jährliches Budget on top“, betont Friedrich. Es werde nicht für Projekte genutzt, die die Stadt Backnang in Steinbach umsetzt, sondern könne zum Beispiel in die Vereinsförderung fließen. Mehrere Bürger fordern für Steinbach einen größeren Anteil, da sie nicht nur mit dem Lärm des Anreiseverkehrs, sondern zusätzlich auch durch den Lärm der Arbeiten auf der Deponie belastet werden.

Rund acht Hektar Wald sollen abgeholzt werden

Größe Damit die Deponie bis 2055 betrieben werden kann, müssten auch drei weitere Bereiche befüllt werden, auf die man ursprünglich im Vertrag von 1997 verzichten wollte. Das heißt auch, dass zum einen rund acht Hektar Wald abgeholzt werden müssen, zum anderen letztendlich aber auch eine deutlich größere Fläche gefüllt wird. Angesichts dessen zweifelte eine Bürgerin auch an Schaubildern der späteren Sichtachse, nach der dieser weiter nördlich gelegene Teil hinter der alten Deponie nicht zu sehen sein soll. Die genaue Sichtachse will die AWRM nach der Anregung nochmals prüfen.

Abstimmung Letztlich über die Vereinbarung abstimmen müssen die Gemeinderäte in Backnang; der Steinbacher Ortschaftsrat kann lediglich eine Empfehlung aussprechen. In welche Richtung diese Empfehlung geht, das wollen die Ortschaftsräte aber erst in der nächsten Sitzung entscheiden. „Was passiert, wenn die Steinbacher dagegen sind? Wird der Ortschaftsrat überhaupt ernst genommen?“, will Bernd Fink wissen. Remann verweist außerdem darauf, dass nur wenige Mitglieder des Backnanger Gemeinderats zu der Sitzung in Steinbach gekommen sind und gibt ihnen mit: „Denkt wirklich gut darüber nach.“ Wie die Räte abstimmen werden, das wisse er nicht, meint OB Friedrich. „Das ist tatsächlich unabhängig davon, was der Ortschaftsrat empfiehlt.“ Zumindest in einer vergangenen Sitzung zu dem Thema zeigten sich viele im Backnanger Gemeinderat offen für eine Laufzeitverlängerung der Deponie.

Zum Artikel

Erstellt:
5. Juli 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen