Steinerne Zeugen der Murrhardter Sozialgeschichte

Die umfangreiche Ofensteinsammlung aus dem 18. Jahrhundert im Carl-Schweizer-Museum Murrhardt ist um zwei Stücke von Mitgliedern der Steinmetzfamilie Söhnle reicher. Weitere Exponate stammen von den Steinhauerfamilien Rössle und Stephan.

Das Gesellenstück des 1771 geborenen Gottlieb Söhnle zeigt, wie kunstfertig er im Alter von 13 Jahren bereits gearbeitet hat. Christian Schweizer geht davon aus, dass als Vorbild die Löwenfiguren auf dem Fenstersims der Walterichskapelle gedient haben. Foto: Elisabeth Klaper

Das Gesellenstück des 1771 geborenen Gottlieb Söhnle zeigt, wie kunstfertig er im Alter von 13 Jahren bereits gearbeitet hat. Christian Schweizer geht davon aus, dass als Vorbild die Löwenfiguren auf dem Fenstersims der Walterichskapelle gedient haben. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Im Treppenhaus des Carl-Schweizer-Museums Murrhardt ist eine umfangreiche Sammlung von Ofensteinen ausgestellt, die sich vor allem im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten und als Sockelsteine oder Füße von gusseisernen Plattenöfen dienten. Seit Kurzem ist sie um zwei Exemplare reicher, die der Murrhardter Christian Franke der Familie Schweizer gespendet hat, um sie vor der Verwitterung zu schützen. Bereits Christian Frankes Vater hatte die Ofensteine gesammelt und im Garten aufgestellt, erzählt Museumsleiter Christian Schweizer.

Den ersten gestaltete 1797 wahrscheinlich Gottlieb Söhnle, Sohn von Conrad Ludwig Söhnle, der als Schöpfer einiger prächtiger barocker Grabdenkmäler bekannt ist. An den Seiten befinden sich zwei Voluten, spiralförmige Ornamente nach dem Vorbild antiker ionischer oder Komposit-Säulenkapitelle. Das Mittelfeld (Kartusche) ist in Form eines Zahnrads gestaltet. Dies ist laut Schweizer ein möglicher Hinweis auf einen Besitzer, der mechanisch-technische Geräte entweder herstellte oder benutzte. Das Zahnrad gilt seit der Neuzeit als Symbol für Technik, Fortschritt und Arbeit. Darin sind Buchstaben in zwei Reihen eingemeißelt, in der oberen Reihe R.F.E.F., in der unteren I.A.E.R.P. Noch ist deren genaue Bedeutung nicht entschlüsselt, doch vermutet der Museumsleiter, dass sie auf die Besitzer der Ofensteine hinweisen.

Der zweite Ofenstein entstand 1799, eine Inschrift am oberen Rand lautet „F“, was für fecit (gefertigt) steht, und „Gottl. Söhnle“. In der Kartusche, umrahmt von einer Rocaille, dem typischen Ornament der Rokokozeit, stehen in Barockschrift die Buchstaben GD oben und BD unten. „Die Ofensteine gestalteten die Steinbildhauer meist aus dem besonders gut dafür geeigneten heimischen feinkörnigen Schilfsandstein. Denn dieser ermöglichte sehr feine, detaillierte Bearbeitungen mit Figuren, Mustern, Ornamenten und Strukturen verschiedenster Art, die fast an Holzschnitzarbeiten erinnern“, erläutert Christian Schweizer.

Die Familie Söhnle teilte sich in eine Maurer- und Schlosser- und Wagenbauerdynastie auf

Die Ofensteine im unteren Treppenhaus sind aus der Umgegend von Murrhardt, die im oberen Treppenhaus stammen weitgehend von mehreren Generationen der Murrhardter Steinhauerfamilie Söhnle. Diese Familie stammte aus Windischenbach bei Öhringen, kam im frühen 18. Jahrhundert nach Murrhardt und begründete eine Dynastie von Klosterbaumeistern und Steinmetzen. Später teilte sich die Familie in eine Maurer- sowie eine Schlosser- und Waagenbauerdynastie, auch änderte sie im 19. Jahrhundert die Schreibweise des Namens in Soehnle, hat der Museumsleiter recherchiert.

„Die Ofensteine sind individuell nach Geschmack, finanziellen Möglichkeiten und gesellschaftlichem Stand des Auftraggebers gearbeitet. Aussagen zu Namen, Beruf, Eigentum, das bedeutet zur Sozialgeschichte Murrhardts vor und nach dem Stadtbrand 1765 lassen sich daran ablesen“, verdeutlicht Schweizer. Wichtige Anliegen waren Frieden und Gerechtigkeit, die allegorisch als Fischmenschenpaar oder Engelspaar dargestellt wurden. Ein bemerkenswerter, sehr kunstreich gestalteter Ofenstein ist das Gesellenstück des 1771 geborenen Gottlieb Söhnle, das dieser bereits im Alter von 13 Jahren schuf.

Stolz weist eine Inschrift am oberen Rand auf diese außergewöhnliche Leistung hin: „Disen Stein haute Gottlieb Söhnle im 13.ten Jahr seines alters 1784“. Auffällig sind auch die beiden Löwen, die die Kartusche in der Mitte mit der Inschrift „Gott allein die Ehr.“ flankieren. Der jugendliche Steinmetz gestaltete sie nach dem Vorbild der Löwenjungen auf dem Fenstersims der Walterichskapelle. Denn die Steinbildhauer der Familie Söhnle waren nach dem Stadtbrand tatkräftig am Wiederaufbau und an Renovierungen vieler Häuser beteiligt. Ebenso arbeiteten sie an der Stadtkirche, deren Nordturm sie wiederaufbauten. Zudem renovierten sie die Walterichskapelle, erzählt Christian Schweizer.

Grabmäler zeichneten sich durch besondere künstlerische Qualität aus

Mitglieder der Familie Söhnle schufen auch einige Grabdenkmäler in der Stadt- und Walterichskirche, die sich durch besonders hohe künstlerische Qualität auszeichnen. Weitere besondere Stücke sind der eigene Ofenstein des Conrad Ludwig Söhnle mit dem verschlungenen Monogramm CLS sowie der bemalte Stein mit den Fischmenschen.

In Privathäusern oder auch Gartenmauern in der Walterichstadt und einigen Teilorten gibt es noch heute Ofensteine aus der Zeit vor und nach dem Stadtbrand etwa von der Mitte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.

In der Sammlung finden sich auch Ofensteine vom Steinhauerzweig der Familie Rößle oder Rössle, Mitglieder weiterer Familienzweige waren Hafner und Ofensetzer. Des Weiteren von Mitgliedern der Familie Stephan, die ebenfalls Ofensteine und Grabsteine anfertigten. Nach Auskunft des Geschichtsvereinsvorsitzenden Andreas Kozlik war die Familie Stephan bereits seit etwa 1700 in Murrhardt ansässig. Möglicherweise war sie verwandt mit Johann Martin Stephan, damals Schultheiß in Kaisersbach, wie Einträge in den Inventuren und Teilungen, sprich Vermögensbeschreibungen, im Stadtarchiv nahelegen. Darin ist auch ein Ludwig Stephan genannt, der in Murrhardt als Maurer und Steinhauer tätig war und 1797 starb.

Christoph Stephan arbeitete an der Fertigstellung des Kölner Doms mit

Dessen Sohn Friedrich Stephan war ebenfalls als Maurer und Steinhauer, Maler und Vergolder in Murrhardt tätig und starb 1823, womit die Familie im Mannesstamm ausgestorben war. Christian Schweizer vermutet, dass ein Teil der Familie Anfang des 19. Jahrhunderts wegen der starken Konkurrenz und zu weniger Aufträge nach Köln umzog. Dort spielte Christoph Stephan, gelernter Kunsttischler und Bildhauerautodidakt, eine wichtige Rolle: Er arbeitete als Skulpturenrestaurator, Kunsttischler, Holz- und Steinbildhauer bei der Fertigstellung und Ausstattung des Kölner Doms ab 1842 mit.

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Erstellt:
9. Januar 2023, 06:00 Uhr

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