Tagesmütter werden bessergestellt

Landkreis erhöht seine Leistung auf 6,50 Euro pro Stunde – Kommunen sollen Kinderbetreuung weiter ausbauen

Für die Tagesmütter greift der Landkreis tiefer in die Tasche. Er zahlt künftig für die Betreuung eines Kindes 6,50 Euro pro Stunde, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Kind unter oder über drei Jahren handelt. Das Plus beträgt einen Euro. Die Änderung tritt ab 1. Juni in Kraft. Damit ist die Kindertagespflege dem Landkreis jetzt aufs Jahr gerechnet sechs Millionen Euro wert.

Tagesmutter mit Kindern beim Spielen im Sandkasten: Im Rems-Murr-Kreis werden rund 1200 Kinder in dieser Form betreut. Archivfoto: Imago

© imago/Marc Schüler

Tagesmutter mit Kindern beim Spielen im Sandkasten: Im Rems-Murr-Kreis werden rund 1200 Kinder in dieser Form betreut. Archivfoto: Imago

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Mit dem neuen Betrag weicht der Landkreis von den landesweiten Empfehlungen für die Kindertagespflege ab, die seit Ende November vergangenen Jahres vorliegen. Danach sollen die Geldleistungen für Kinder unter drei Jahren auf 6,50 Euro und für Kinder über drei Jahren auf 5,50 Euro steigen. Der Landkreis zahlt hingegen ab 1. Juni für alle Kinder den höheren Betrag, weil er auch seither schon durchgängig 5,50 Euro aufgebracht hat. Eltern müssen dabei allerdings auch weiterhin einen Eigenbeitrag leisten, gestaffelt nach ihren finanziellen Verhältnissen.

Auf der Kostenseite wirkt sich dies für den Landkreis, wie Jugendamtsleiter Holger Gläss gestern im Jugendhilfeausschuss erläuterte, wie folgt aus: 7,2 Millionen Euro fließen schon jetzt für die Betreuung an die Tageseltern. Hinzu kommen die höheren Geldleistungen ab 1. Juni mit 760000 Euro sowie Qualifizierungskosten und Zuschüsse an die Tageselternvereine mit fast 1,5 Millionen Euro. Ab 2020 sind die jetzt beschlossenen höheren Geldleistungen dann für das ganze Jahr zu entrichten. Somit erhöht sich der Mehraufwand auf 1,3 Millionen Euro. Auf der anderen Seite werden fast 1,3 Millionen Euro an Elternbeiträgen eingenommen. Außerdem kommen vom Land diverse Zuweisungen: Betriebskostenzuschuss, Strukturförderung und Pakt für gute Bildung und Betreuung – zusammen über 3 Millionen Euro.

Daraus ergibt sich, dass der Landkreis für die Kindertagespflege unterm Strich fast 6 Millionen Euro aufbringt – für Landrat Richard Sigel „sicher eine gute und richtige Investition“.

Neu gefasst wurden aber nicht nur die finanzielle Leistungen an sich, sondern auch die Regelung für Ausfallzeiten. Künftig gilt: Die laufende Geldleistung wird weiter gezahlt, wenn die Betreuung maximal an 28 aufeinanderfolgenden Kalendertage nicht stattfindet, wobei es keine Rolle spielt, ob die Tagesmutter oder das Kind wegen Urlaub oder Krankheit nicht da ist. Insgesamt sind diese Ausfallzeiten pro Kind auf zwölf Wochen je volles Betreuungsjahr begrenzt. Dauert ein Betreuungsverhältnis weniger als sechs Monate, so verkürzt sich die Ausfallzeit auf sechs Wochen.

Zusätzliche Betreuungsplätze werden in Zukunft benötigt

Klar wurde im Jugendhilfeausschuss darüber hinaus, dass bei der Kinderbetreuung noch längst nicht alles in Butter ist. So gibt es nach Berechnungen des Kommunalverbands für Jugend und Soziales einen hohen Bedarf an zusätzlichen Betreuungsplätzen. Für Kinder unter drei Jahren werden demnach in Baden-Württemberg bis 2026 rund 50000 Plätze mehr benötigt als die bisher vorhandenen 89000. Im Kindergartenbereich fällt der Bedarf nicht ganz so hoch aus: Zu den bestehenden 319000 Plätzen sollen rund 30000 hinzukommen. Dafür muss sich die Zahl der Plätze für Schulkinder nach diesen Berechnungen etwa verdoppeln – auf rund 200000. Auch im Rems-Murr-Kreis besteht laut Landrat Sigel zusätzlicher Bedarf. „In der Fläche haben wir noch nicht genügend Plätze“, merkte er an und wies darauf hin, dass die Kreisbau an vier Orten engagiert ist, um entsprechende Kapazitäten aufzubauen. Dies sei „ein Beitrag, damit Eltern berufstätig sein können“. In dieselbe Kerbe hieb Alexander Bauer (SPD): Die Kommunen sollten ihre Hausaufgaben machen, forderte er ebenso wie Christel Brodersen (Grüne).

Auch Bettina Jenner-Wanek (CDU) richtete ihren Blick in Richtung Kommunen: Die Städte und Gemeinden hätten durch das Engagement des Landkreises in Sachen Kindertagespflege Vorteile, rief sie in Erinnerung. In der Tat, bestätigte der Landrat: „Wir entlasten die Städte und Gemeinden.“ Zugleich bedauerte er, dass dies kaum Beachtung finde, wenn es um die Kreisumlage geht. Der Landkreis aber leiste einen wesentlichen Beitrag gegen die bestehenden Engpässe. Sigel: „Wir brauchen die Kindertagespflege dringend fürs Gesamtgefüge.“

Jugendamtsleiter Gläss wies derweil noch auf eine andere Problematik hin: Tagesmütter, die Randzeiten am frühen Morgen und am Abend abdecken, stehen finanziell oft schlechter da als Kolleginnen, die ihre Betreuungsleistung in einem kompakten Zeitraum erbringen. In seiner Beispielrechnung kommt die eine Betreuungsperson auf einen Stundenlohn von fast 19 Euro brutto, während die andere nicht einmal 12 Euro erreicht – und das, obwohl sie es mit sechs, die Kollegin aber nur mit vier Kindern zu tun hat.

Info
„Gewisse Dinge kann man Eltern zumuten“

Es bleibt dabei: Der Landkreis finanziert keine Betreuung durch die Tagesmutter, wenn das betreffende Kind ein kostenfreies schulisches Angebot in Anspruch nehmen kann. Dieses habe dann Vorrang. Im entsprechenden Beschluss heißt es: „Die Eltern entscheiden sich für eine Schulart und müssen das dort vorhandene Angebot ausschöpfen, sofern es kostenfrei ist. Erst über die Schließzeiten hinaus oder in besonderen Bedarfen kann Kindertagespflege ergänzend finanziert werden.“

Diese vor einem Jahr verabschiedete Regelung war auf Widerspruch und Gegenwehr von betroffenen Eltern gestoßen, die anstelle einer schulischen Betreuung lieber auf die Tagesmutter setzen. Jugendamtsleiter Holger Gläss erklärt dazu: „Wenn Kommunen Betreuungsangebote an den Schulen aufbauen und diese dann ungenutzt bleiben, stattdessen die Kinder aber in Kindertagespflege betreut werden und über Kreismittel bezuschusst werden, ist dies nach unserer Ansicht weder fachlich sinnvoll noch wirtschaftlich vertretbar.“

Betroffenen Eltern ist der Landkreis allerdings inzwischen insofern entgegengekommen, als er ihnen eine Übergangsfrist eingeräumt hat: Um ihre Kinderbetreuung neu zu organisieren, haben sie bis Ende September Zeit. Dann aber gelte „ganz klar die Marschrichtung: Keine finanzielle Unterstützung, wenn die Kommune ein Angebot macht“, sagte Landrat Richard Sigel.

Jugendamtsleiter Gläss fasste die Diskussion gestern mit den Worten zusammen: „Gewisse Dinge kann man Eltern zumuten.“

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Erstellt:
12. März 2019, 06:00 Uhr

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