Tattoos auf dem Körper statt Bilder an der Wand

Serie: Gestochen scharf Kai Gehring ist Drittliga-Fußballer bei der SG Sonnenhof Großaspach und hat eine Leidenschaft für Tätowierungen

Groß, blond, tätowiert: Kai Gehring, Abwehrspieler der SG Sonnenhof Großaspach, fällt auf in seiner Mannschaft. Von seinen Tattoos sieht man meist nur das, was das Fußball-Dress freilässt. Nun hat der Fußballer erklärt, welche Motive bei ihm unter die Haut gehen.

Kai Gehring ließ sich mit 18 Jahren sein erstes Tattoo stechen. Mittlerweile zieren die Bilder große Teile seines Körpers. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Kai Gehring ließ sich mit 18 Jahren sein erstes Tattoo stechen. Mittlerweile zieren die Bilder große Teile seines Körpers. Fotos: A. Becher

Von Sarah Schwellinger ASPACH. Es ist Sommer, es ist heiß und die Sonne knallt vom Himmel. Der Rasen des Fußballplatzes wird kräftig bewässert, schon von Weitem hört man, wie der Ton fürs Stadionmikrofon getestet wird. Ein perfekter Tag, um über ewigen Körperschmuck zu sprechen. Nicht nur wegen seiner knapp zwei Meter Körpergröße oder den blonden Haaren, sondern vor allem wegen seiner vielen, deutlich erkennbaren Tattoos fällt Kai Gehring auf – selbst in der Fußballbranche, in der tätowierte Spieler mittlerweile keine Besonderheit mehr sind. Gehring ist Abwehrspieler der SG Sonnenhof Großaspach und hat es sich auf der Terrasse am Stadion im Schatten bequem gemacht. Der 30-Jährige hat große Flächen seines Körpers tätowiert – wie kein Zweiter in seiner Mannschaft. Die hätten nur kleinere Sachen tätowiert, erklärt Gehring. Das ist bei ihm nicht der Fall: Beide Beine zieren großflächige Motive, sein rechter Arm ist von oben bis unten mit verschiedenen Bildern verziert, nur der linke Oberarm ist noch frei. Wie viele Stunden der Abwehrspieler beim Tätowierer verbracht hat, kann er heute nicht mehr sagen. „Etliche auf jeden Fall“, sagt er, lacht kurz, blickt auf seinen rechten Arm, streicht über die Bilder in Schwarz und Grau und schätzt: „Das allein werden sicher 12 bis 14 Stunden gewesen sein.“ Hände, Hals und Gesicht sollen frei von Tattoos bleiben Sein erstes Tattoo ließ er sich mit 18 Jahren stechen. Auf der Rückseite des linken Oberarms steht in arabischen Schriftzeichen: „Der Wille führt zum Erfolg.“ Er lächelt: „Erklärt sich von selbst, oder?“ Eine Aussage, die für Gehring nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag gilt. Ursprünglich habe er geplant, seine Arme in eine „gute“ und eine „böse“ Seite einzuteilen und dementsprechend tätowieren zu lassen, denn „jeder Mensch trägt eine gute und eine böse Seite in sich“. Seinen linken Arm zieren das Vaterunser und ein Engel mit Federn. Doch mit einem Blick auf seine linke, böse Seite, kommt man schnell ins Stutzen. Zwar sieht man auf der Innenseite des Unterarms ein weibliches, düsteres Gesicht, das für den Teufel stehen soll. Doch gleich daneben prangt das Gesicht Jesu mit der Dornenkrone. Engel, Teufel, Jesus? „Ja, ich bin gläubig, aber keiner, der dafür in die Kirche gehen muss.“ Selbst seine eigene Kommunion hat der Kicker verpasst, weil ein Fußballspiel auf dem Plan stand – nur der Wille führt eben zum Erfolg. Neben dem Spruch „Genieße dein Leben an jedem Tag, denn du bist länger tot als lebendig“ auf Englisch am Schlüsselbein und einem emporsteigenden Engel, der sich über den Rücken erstreckt, umranken Muster der Maori Gehrings rechtes Bein. Die traditionellen neuseeländischen Motive reichen bei dem aus Göppingen stammenden Kicker vom Oberschenkel bis an die Wade. „Irgendwann sollen die Tätowierungen bis ganz unten gehen.“ Das andere Bein war bis vor Kurzem noch frei, jetzt blickt einem vom Oberschenkel ein Indianer mit buntem Kopfschmuck entgegen, darunter macht sich eine mysteriöse Landschaft breit. Und weil es beim ersten Mal noch nicht schmerzhaft genug war, geht auch diese Tätowierung wieder direkt über die Kniescheibe, jene Stelle, die laut Gehring am meisten wehtat. Ganz fertig ist die Landschaft, die eher einem Gemälde gleicht, noch nicht. Ein Jahr gibt sich der Drittliga-Kicker immer Zeit, um zu entscheiden, ob er das Tattoo wirklich möchte. In der Winterpause wird es dann unter die Haut gebracht. Hände, Hals und Gesicht sollen jedoch frei bleiben. „Man weiß nie, was nach der Fußballkarriere kommt“, sagt er. Doch bislang habe er keine negativen Reaktionen auf seine Tattoos bekommen, beim Fußball seien die auch gang und gäbe. Nur seine Mama ist nicht so begeistert von Gehrings Körperkunst – da ist der 30-Jährige Drittliga-Kicker nun mal auch einfach Sohnemann. Und Vorzeige-Enkel: „Wenn ich an Weihnachten ein Hemd trage, sieht meine Oma die Tattoos nicht.“ Auch wenn Oma natürlich von den Tätowierungen weiß. Seinen Eltern sagt er jedes Mal Bescheid, bevor er zum Tätowierer geht: „Ich will sie ja nicht einfach so überrumpeln.“ Und dann sei es jedes Mal dieselbe, nicht gerade erfreute Reaktion. „Doch wenn sie es dann fertig sehen, finden sie es gar nicht mehr so schlecht.“ Ein Ende in Sachen Tätowierung ist noch lange nicht in Sicht Auch ein Grund, warum die Idee mit der guten und bösen Seite geplatzt ist, ist die Mama: „Ich habe ihr Motive für die schlechte Seite gezeigt. Die fand sie furchtbar, das kann ich meiner Mama ja nicht antun“, sagt Kai Gehring schmunzelnd. Bei so viel Familienverbundenheit gibt es doch auch sicher ein Tattoo für die Familie, oder? „Klar, gibt es das!“ Die Initialen seiner Eltern und seiner Schwester auf dem Unterarm und die Koordinaten deren Geburtsorte über der Hüfte. Ein Ende in Sachen Tattoo ist bei Gehring nicht in Sicht. Aber: „Ich lasse mich ja nicht tätowieren, um vollgemalt zu sein.“ Bedeutung und reichlich Überlegung stehen hinter fast jedem seiner Motive. Der SG-Spieler resümiert lächelnd mit einem kleinen Achselzucken: „Andere hängen sich Bilder an die Wände, ich lasse mich tätowieren.“
Symbolisiert den Teufel: Das Gesicht einer Frau auf der Innenseite des linken Unterarms.

© Pressefotografie Alexander Beche

Symbolisiert den Teufel: Das Gesicht einer Frau auf der Innenseite des linken Unterarms.

Kai Gehring ist gläubig, christliche Motive spielen bei seinen Tattoos eine große Rolle.

© Pressefotografie Alexander Beche

Kai Gehring ist gläubig, christliche Motive spielen bei seinen Tattoos eine große Rolle.

Tat beim Stechen ganz schön weh: Ein Indianer auf dem Oberschenkel.

© Pressefotografie Alexander Beche

Tat beim Stechen ganz schön weh: Ein Indianer auf dem Oberschenkel.

Jesus mit Dornenkrone darf bei den christlichen Motiven natürlich nicht fehlen.

© Pressefotografie Alexander Beche

Jesus mit Dornenkrone darf bei den christlichen Motiven natürlich nicht fehlen.

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Erstellt:
11. August 2018, 06:00 Uhr

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