Technikgeschichte mit Honigduft

Wo früher Versuche mit Funkanlagen und Satellitentechnik betrieben wurden, geben nun 100 Bienenvölker den Ton an. Markus Höfliger, dem das Areal mit dem Richtfunkturm in Allmersbach im Tal gehört, gewährt der BKZ einen Einblick.

Rund um den Richtfunkturm in Allmersbach im Tal hat Markus Höfliger diverse Apparaturen aus der technologischen Historie des Areals aufgestellt. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Rund um den Richtfunkturm in Allmersbach im Tal hat Markus Höfliger diverse Apparaturen aus der technologischen Historie des Areals aufgestellt. Fotos: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

Allmersbach im Tal. So ziemlich jeder kennt das markante, ein wenig martialisch wirkende Gebäude in Allmersbach im Tal vom Vorbeifahren. Aber wenn man fragt, was es genau damit auf sich hat, bekommt man oft nur ein Schulterzucken als Antwort. Markus Höfliger aber weiß bestens Bescheid darüber. Schließlich hat er den Richtfunkturm samt dem zwei Hektar großen Areal vor rund zehn Jahren erworben.

Ein guter Freund hatte ihn seinerzeit auf das Verkaufsangebot einer englischen Maklerfirma aufmerksam gemacht. „Die hatten eine lustlose Anzeige im Internet geschaltet“, erinnert sich Höfliger, der das Unternehmen Harro Höfliger in Allmersbach leitet. Er griff zu, ohne zu wissen, was er genau damit anstellen sollte: „Zumindest hatte es eine solide Bausubstanz.“ Als Allmersbacher erinnerte er sich auch noch an die zwei Holztürme, die früher nahe dem Turm standen: „Einer davon ist in den 80er-Jahren abgebrannt.“ Der zweite existiert auch schon nicht mehr.

Markus Höfliger genießt den Ausblick auf seinem Turm über den Dächern von Allmersbach. Gleich nebenan (siehe Kran hinten links) entstehen neue Räume für die Imkerei.

© Alexander Becher

Markus Höfliger genießt den Ausblick auf seinem Turm über den Dächern von Allmersbach. Gleich nebenan (siehe Kran hinten links) entstehen neue Räume für die Imkerei.

Was Höfliger da erworben hat, spiegelt einen bedeutsamen Teil der deutschen Technikgeschichte im Raum Backnang wider. Das Areal mit seinen Aufbauten diente viele Jahre der Erprobung neuer Geräte im Bereich Richtfunk. Anfang der 1930er-Jahre gab es bei der Firma Telefunken in Berlin die ersten Entwicklungen auf diesem Gebiet, wie man im Technikforum Backnang erfährt. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich die Experten in Ulm an, um ihre Entwicklungen fortzusetzen. Im Sommer 1955 wurde diese Fachgruppe nach Backnang verlegt. In Allmersbach im Tal wurden auf dem eigenen Gelände zwei Antennenmesstürme mit Laborbaracke errichtet und von den Ulmer Experten übernommen. Im Laufe der Jahre wechselten die Betreiber: Auch die Firmen AEG, ANT Nachrichtentechnik, Bosch Telecom und Marconi Corporation waren dort aktiv.

Auf dem Ständer ungefähr in der Bildmitte wurden die Richtfunkgeräte im Turm installiert. Der weiße Rollladen rechts konnte wie ein Garagentor hochgefahren werden. Dann war der Weg frei für den Richtstrahl, mit dem die Messgeräte draußen „beschossen“ wurden.

© Alexander Becher

Auf dem Ständer ungefähr in der Bildmitte wurden die Richtfunkgeräte im Turm installiert. Der weiße Rollladen rechts konnte wie ein Garagentor hochgefahren werden. Dann war der Weg frei für den Richtstrahl, mit dem die Messgeräte draußen „beschossen“ wurden.

In dem kantigen Turm gibt es einen großen Raum, eigentlich einen Saal, der mit seinen spitz gezackten Schallschutzelementen fast wie ein nach innen gestülpter Igel wirkt. Man kommt sich vor wie in einem Raumschiff: Jeden Moment meint man, Darth Vader aus dem Science-Fiction-Epos „Star Wars“ oder Captain Kirk vom Raumschiff Enterprise kommen gleich um die Ecke gebogen. Aus den mit riesigen Rollläden verschlossenen Öffnungen in dem Turmlabor wurden seinerzeit die Messapparaturen auf den Holztürmen mit elektromagnetischen Wellen beschossen. Auch Versuche mit Satellitentechnik fanden dort statt. Einige Räume wirken, als wären sie gestern erst verlassen worden. So hängen auch noch frische weiße Arbeitskittel mit ANT-Firmenlogo dort. Auffallend in dem Gebäude ist auch der Duft von Honig und Wachs. Höfligers Gattin, Meike Höfliger, betreibt seit knapp fünf Jahren ihre „Imkerei am Turm“ auf dem Areal. Immer samstags werden dort diverse Honigsorten und Wachskreationen feilgeboten. Der Kundenstamm wächst zusehends. Auf einem Nachbargrundstück werden deshalb gerade eine Lagerhalle und ein Verkaufsshop für die Imkerei neu gebaut.

Die „Imkerei am Turm“ von Meike Höfliger umfasst derzeit rund 100 Bienenvölker.

© Alexander Becher

Die „Imkerei am Turm“ von Meike Höfliger umfasst derzeit rund 100 Bienenvölker.

Nachdem Markus Höfliger den Komplex erworben und aus dem Dornröschenschlaf erweckt hat, kann er sich vorstellen, dort künftig auch kleinere Veranstaltungen mit Bühnenprogramm verschiedenster Art stattfinden zu lassen. Dass sich auf dem Areal gut feiern lässt, ist jedenfalls augenfällig: Eine Feuerstelle mit einem zum Grill umfunktionierten Satellitenhorn lässt keinen Zweifel daran, dass man es sich hier schon in fröhlicher Runde hat gut gehen lassen.

Letzter Logbucheintrag der Forscher mit einem deutlichen Schlussstrich.

© Alexander Becher

Letzter Logbucheintrag der Forscher mit einem deutlichen Schlussstrich.

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Erstellt:
26. August 2021, 06:00 Uhr

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