Traditionen pflegen, für Neues offen sein
Baden-Württemberg-Tag in Winnenden mit Innenminister Thomas Strobl, kulturellen Höhepunkten und Tausenden von Gästen
Am Sonntag ging der Baden-Württemberg-Tag als offizieller Auftakt der Heimattage Baden-Württemberg in Winnenden über die Bühne. Tausende von Besuchern aus dem ganzen Bundesland kamen in die Stadt im Rems-Murr-Kreis. Bereits am Freitag startete das Festwochenende mit der Winnender Kunstnacht.

© Ralph Steinemann Pressefoto
Das Elektro-Pop-Duo Glasperlenspiel brachte noch andere Musiker mit und legte eine grandiose Show hin. Fotos: R. Steinemann, G. Schneider
Von Martin Schmitzer
und Lynn Bareth
WINNENDEN. „Heimat ist hip“, sagte Innenminister Thomas Strobl beim Talk auf der Bühne im Kärcher-Gelände am Sonntagmittag. Im Kärcher-Auditorium bekam er den Beweis, dass Heimat offen, jung und tolerant sein kann – mit einem Heimat-Hip-Hop der Winnender Tanzgruppe „Messengers“ und mit balkanisch wilder Musik von Florian Vogel und Jörg Büchler, die in „Komm, lieber Mai...“ mündete.
Strobl kam, um ein Highlight der Heimattage des Landes zu eröffnen, die Baden-Württemberg-Tage. Von Beruf Politiker, hat er sich im Grunde immer mit einer Frage zu beschäftigen: „Was hält eine Gesellschaft zusammen? Was heißt: Miteinander leben?“ Strobl meinte in seiner Ansprache: „Hier sind wir schnell beim Thema Heimat... Heimat heißt Geborgensein, aber auch: sich einbringen, Probleme lösen.“ Vor Jahren hätten die Heimtattage und das Wort Heimat für viele volkstümelnd geklungen. Das ändere sich. „Je mehr wir uns globalisieren, je mehr wir uns digitalisieren, umso wichtiger wird es, dass wir Heimat empfingen, dass wir uns für uns selber interessieren, dass wir unsere Traditionen erkennen und dass wir zugleich offen sind für Neues und tolerant.“ Den Winnendern im Auditorium rief er zu: „Seien sie stolz auf Ihre Stadt, auf die tollen Unternehmen, die wir im Land haben und auf die Kultur!“

© Gaby Schneider
Thomas Strobl (zweiter von links) zwischen dem Winnender OB Hartmut Holzwarth (links) und Johannes Kärcher mit Frau.
Traditionen aufgreifend und offen bleibend für Neues tanzte die Tanzgruppe Messengers hinterher einen akrobatischen Hip-Hop, schnell, kantig, Schuhplattler persiflierend und Michael Jackson imitierend. „Was hoißt eigentlich lommelich“, fragte die Stimme aus der Speicherplatte, und die Tänzer lümmelten zusammen wie eine weich gekochte Spaghetti. Die Stimme antwortete: „Der Michael Jackson, der hot lommeliche Fiaß ghet, drum hot der so guet danza kenna.“ Und die Tänzer hatten gewechselt vom Schuhplatter in den Moonwalk. Ein genial offener Heimatkulturbeitrag!
Kärcher-Chef Hartmut Jenner: „Wir stehen zu unserer Heimat“
Heimat ist für viele Winnender auch Kärcher. Ganz besonders gilt das für den Vorstandsvorsitzenden Hartmut Jenner, der eine sehr differenzierte Rede zum Heimatbegriff bei Kärcher hielt: „Für uns ist Heimat überall, wo unsere Produkte zu Hause sind.“ Andererseits ist für Kärcher Winnenden Heimat, das Stammhaus. „Unser Erfolg beruht auf den pietistischen Tugenden Fleiß und Bescheidenheit. Wir stehen zu unserer Heimat, gerade als Weltmarktführer.“ Ein Zeichen dafür ist der Ziegelei-Schornstein. Die Firma habe ihn bewusst stehen lassen und renoviert, als historischen Fixpunkt in der Stadtsilhouette.
Es gab viele Höhepunkte an diesem Heimattage-Wochenende in Winnenden. Dazu gehörten sicher auch die Auftritte bekannter Bands. Das Wetter will zwar nicht so richtig mitspielen am Samstagabend, als sich zu den Baden-Württemberg-Tagen drei Bands aus dem Ländle hinter der Open-Air-Bühne des SWR1 auf dem Kärcher-Gelände bereit machen. Trotzdem sind um die 4000 Zuschauer am Start, die sich die Stimmung durch nichts verderben lassen.
Fools Garden bezaubert das Publikum mit Peter Freudentalers wunderschöner Gesangstimme, die etwas Verträumtes an sich hat, und mit dem sehr homogenen Klang der Band. Wie die Beatles oder The Who spielt auch Volker Hinkel von Fools Garden eine Rickenbacker-Gitarre, deren unverkennbarer Sound heutzutage live nur noch selten zu hören ist. Den Höhepunkt findet das Konzert natürlich mit dem Hit „Lemon Tree“, den die Zuschauer selbstverständlich aus vollem Hals mitsingen können.
Bevor mit Glasperlenspiel eine vergleichsweise junge Band auf die Bühne kommt, versorgt die SWR-1-Band die Menge mit einer konzentrierten Dosis Radiohits ohne Überraschungen. Von Bruno Mars’ „Locked out of Heaven“ zu AC/DCs „Highway to Hell“.
Die letzte Band an diesem Abend ist ein Elektro-Pop-Duo mit einer Liveband: „Glasperlenspiel“ startet mit massivem Bass, sie haben Konfetti- und Nebelkanonen am Start, neben der sowieso schon aufwendigen Lightshow sorgt eine großflächige Videowand hinter der Band für Effekte. Frontfrau Carolin Niemczyk kommt auf die Bühne in dicksohligen weißen Sneakern, Jogginghose und bauchfreiem Oberteil. Sie hat eine großartige Stimme, ihr Gesangstil ist jedoch sehr artifiziell. Kopf zwei des Duos, Daniel Grunenberg, steht hinter den Keyboards und singt, unterstützt von einer Backgroundsängerin, einem Schlagzeuger, einem Gitarristen und einem Bassisten, der extrem laut aufdrehen darf.
20000 Gäste waren dann am Sonntag in Winnenden beim Baden-Württemberg-Tag. Die Zahl wurde ermittelt von den Security-Leuten und der Polizei, die an allen Stadteingängen Wache hielten und die Besucherströme beobachteten. Lockere Menschengruppen flanierten den Tag über durch die Straßen und Geschäfte der Innenstadt und durch die Ausstellung in den Straßen der Bahnhofsvorstadt. Am Samstag allerdings war die Besucherzahl den Tag über wetterbedingt sehr mau.