TSG Backnang bietet Bewegungskurs für Depressive an

Daniel Lopes Pereira aus Erbstetten kennt das Leben mit einer Depression aus eigener Erfahrung. Die TSG Backnang bietet einen Kurs an, der Therapie und Bewegung verbindet und sich an Depressive richtet. Beim Infoabend steht auch Pereira als Betroffener für Fragen zur Verfügung.

Ein entspannter Spaziergang wie hier am Murrufer an der Bleichwiese sei für viele Depressive nur an guten Tagen möglich, sagt Daniel Lopes Pereira. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Ein entspannter Spaziergang wie hier am Murrufer an der Bleichwiese sei für viele Depressive nur an guten Tagen möglich, sagt Daniel Lopes Pereira. Foto: Tobias Sellmaier

Von Carolin Aichholz

Backnang. Bereits seit mehreren Jahren leidet der Erbstettener Daniel Lopes Pereira an Depressionen. Lange zögerte er, es seinem Umfeld mitzuteilen, nun spricht er bei einem Informationsabend darüber. Dort stellt die TSG Backnang 1846 einen Kurs vor, der sich speziell an Depressive richtet. Eine „starke Psyche durch Bewegung“ soll dort erreicht werden (siehe Infotext).

Pereira fürchtete sich vor den Reaktionen aus seinem Umfeld. „Es ist ja nicht wie bei einem gebrochenen Bein, wenn alle sehen, dass etwas nicht stimmt“, sagt er. Er schleppte sich lange durch seinen Alltag, doch vor drei Jahren wurde es immer schwieriger, sagt er. Vor zwei Jahren ging es ihm so schlecht, dass er versuchte, sein Leben zu beenden. Bis er sich dann dazu überwinden konnte, sich Hilfe zu suchen, hat es noch ungefähr ein halbes Jahr gedauert.

Nach weiteren sechs Monaten Wartezeit bekam er einen Therapieplatz und hat seitdem wöchentlich einen Termin bei einer Therapeutin. Das Trügerische sei, dass die Erkrankung stets in Wellen komme und man sich nicht davor schützen könne. „Es gibt bessere und schlechtere Tage“, sagt Pereira. Damit umzugehen sei nicht einfach. Ende Januar wird er sich für einige Wochen in eine stationäre Behandlung begeben. In der Klinik hofft er, sich ausgiebig mit seiner Krankheit auseinandersetzen zu können und einen besseren Umgang damit zu finden.

Die Depression nahm ihm auch die Freude am Laufen

Daniel Lopes Pereira ist schon lange Hobbyläufer und hat bereits 2004 seinen ersten Marathon absolviert. Beim Laufen wurde ihm bewusst, dass er keine Freude oder andere Gefühlsregungen mehr in seinem Leben empfinden kann. Das große Ziel vieler Läufer, einmal am Marathon in Berlin teilzunehmen, konnte er vor zwei Jahren nicht genießen, als er und sein Bruder tatsächlich dafür ausgelost wurden. „Ich bin dort zwar gelaufen, aber das Kribbeln war nicht da. Es war eine tolle Veranstaltung, aber es macht nichts mit dir.“ Im Privatleben bemerkte er es noch stärker. „Ich weiß, ich liebe meine Kinder, aber ich fühle auch das nicht mehr.“ Das mache es auch für sein Umfeld schwer, dieses Problem nachzuempfinden. „Weil man es nur als Betroffener nachvollziehen kann, wie es ist, wenn man diese Gefühle gerne hätte, aber sie sind einfach nicht da.“

Auch darum konnte er sich erst spät dazu überwinden, seinem Umfeld von der Erkrankung zu erzählen. Als Erzieher und Leiter eines Kinderhorts in einer eher kleinen Stadt wie Backnang war auch sein Arbeitgeber besorgt darüber, was die Eltern der Kinder denken könnten.

Fast alle Reaktionen waren positiv

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Doch diese Sorge stellte sich glücklicherweise als unbegründet heraus. Die Reaktionen, die ihn erreicht haben, seien fast ausnahmslos positiv gewesen. Ihm haben viele Menschen geschrieben, die zum Teil schon sehr lange an der Krankheit leiden oder sich einfach in seinen Schilderungen wiedergefunden haben. „Es freut mich natürlich auch, wenn ich dadurch Menschen eine Inspiration sein kann oder einfach zur Normalisierung der Krankheit beitragen kann.“

Ein Kurs, wie er nun von der TSG angeboten wird, hätte Lopes Pereira möglicherweise auch geholfen, sagt er heute. „Weil Bewegung und Sport schon auch mein Ding sind.“ Das sei jedoch sehr individuell und habe auch viel mit dem Wesen des Erkrankten zu tun. Und es gebe jedoch immer noch Tage, an denen die Kraft für jegliche Unternehmungen fehlt, auch der Gang zur Therapie falle dann schwer.

Er hat sich einen eigenen Weg zu seiner Verbesserung seiner Situation gesucht (wir berichteten). Im April wird er in Erbstetten losjoggen, Ziel ist das Heimatdorf seiner Mutter in Portugal. 60 Tagesstrecken will er zurücklegen und täglich mindestens eine Marathondistanz laufen. Langsamer zu pilgern wäre ihm auf Dauer zu wenig. „Dafür bin ich zu sehr Läufer und dann bräuchte ich auch noch mehr Zeit, bis ich ankomme.“

Losziehen möchte er ohne Erwartungen, natürlich aber mit der Hoffnung, auf dem Weg etwas über sich selbst zu lernen. „Wenn ich ankomme, wäre es schön, wenn ich wieder irgendetwas fühle außer schmerzenden Beinen“, sagt Pereira.

Starke Psyche durch Bewegung

Informationsabend Morgen Abend um 19 Uhr stehen der Mediziner und Psychotherapeut Lutz-Dietrich Schweizer, Übungsleiterin Petra Kaltwasser, Claudia Krimmer von der TSG Backnang 1846 und Daniel Lopes Pereira allen interessierten Zuhörern Rede und Antwort. Das psychotherapeutische Angebot umfasst neben der Gruppentherapie auch ein Sportangebot. Der Infoabend findet bei der Sportanlage Hagenbach statt.

Kursanmeldung Interessierte können sich an claudia.krimmer@tsg-backnang.de für den Kurs anmelden. Eine Überweisung vom Hausarzt oder Therapeuten wird benötigt.

Start Sofern sich genug Teilnehmer anmelden, beginnt der Kurs nach den Osterferien.

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Erstellt:
17. Januar 2024, 11:30 Uhr

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