Unbelehrbarer Trinker aus Backnang muss ins Gefängnis

Der 47-Jährige wird wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt. Zwei Einweisungen in eine Entziehungsanstalt waren bereits gescheitert.

Der Fall ist vor dem Waiblinger Amtsgericht verhandelt worden. Foto: Sang Hyun Cho auf Pixabay

© Sang Hyun Cho auf Pixabay

Der Fall ist vor dem Waiblinger Amtsgericht verhandelt worden. Foto: Sang Hyun Cho auf Pixabay

Von Heike Rommel

Waiblingen/Backnang. Kaum aus der Haft entlassen, geht es mit Beleidigungen und Körperverletzungen schon wieder los: Vor diesem Hintergrund wollte das Waiblinger Amtsgericht einen Backnanger nicht zum dritten Mal in eine Entziehungsanstalt einweisen. Aus sechs Monaten Untersuchungshaft in den Gerichtssaal geführt, musste der 47-Jährige mit seinem Urteil von zehn Monaten Strafhaft unter Aufrechterhaltung des Haftbefehls vom Amtsgericht Waiblingen gleich wieder dorthin zurück, wo er herkam: in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim.

Keine Krankheitseinsicht und chronisch aggressives Verhalten

Der Angeklagte zeigte weder eine Krankheitseinsicht noch war er sich bewusst darüber, was er fremden Personen, ausschließlich Frauen, auf seiner Jagd nach Alkohol angetan hatte. Richterin Figen Basoglu-Waselzada, die Stuttgarter Staatsanwaltschaft und der Gerichtspsychiater Professor Hermann Ebel versuchten vergeblich, aus dem Angeklagten herauszubringen, warum er jedes Mal wieder andere beleidigt und nach ihnen schlägt, sobald er aus dem Gefängnis entlassen wird.

Nur zwei Tage nach der letzten Entlassung, konkret am 19. August vergangenen Jahres, spielte sich in Backnang Folgendes ab: Der aus Russland stammende deutsche Staatsangehörige ging in einen Supermarkt in der Sulzbacher Straße, köpfte mitten im Laden eine Flasche Wodka sowie eine Flasche Cola-Limo und wollte damit wohl seine Haftentlassung feiern, als eine 26-jährige Verkäuferin aus Backnang einschritt. Der Angeklagte verpasste der Frau daraufhin einen Faustschlag, den ihre zum Zopf gebundenen Haare zwar relativ gut abfederten, aber sie ging zu Boden. Als sich die Verkäuferin wieder aufgerappelt hatte, schlug ihr der Mann noch einmal mit der Faust ins Gesicht, was zum Glück auch noch relativ glimpflich mit Prellungen abging.

Der Mann hat auch Polizeibeamtinnen beleidigt und beschimpft

Eine Polizeibeamtin vom Backnanger Revier, welche die Sache klären sollte, war nicht die Einzige, die von dem Mann sexistisch beleidigt wurde. Auch ihre Kollegin musste erfahren, dass Worte wie „Nutte“ und „Schlampe“ zum Sprachgebrauch des Beschuldigten gehören, der seit 1997 in Deutschland lebt, aber vor Gericht auf eine Russisch-Dolmetscherin angewiesen war.

Strafverteidiger Bernd Kiefer gab für seinen Mandanten eine geständige Erklärung über die zwei Körperverletzungen an der 26-jährigen Verkäuferin und die beiden Beleidigungen der 47- und 22-jährigen Polizeibeamtinnen ab. Gearbeitet hat der Backnanger, einst mit seiner Familie ins bayerische Schweinfurt gekommen und später dann nach Backnang, seit dem Jahr 2013 nicht mehr. Bei ihm hatten Gutachter schon zweimal eine Alkoholabhängigkeit festgestellt, worauf gerichtliche Einweisungen in Entziehungsanstalten folgten, die beide vorzeitig abgebrochen wurden. Auch Hermann Ebel versuchte, den Backnanger in der Untersuchungshaft zu explorieren, doch dieser öffnete sich ihm nicht.

Nach der Haft die erste Gelegenheit genutzt, um an Alkohol zu kommen

An seinen Promillewerten gemessen war der Angeschuldigte bei den Beleidigungen der Polizeibeamtinnen voll schuldfähig und bei den Faustschlägen gegen die Verkäuferin mit über drei Promille in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Nach über einem Jahr Gefängnis, so der auf forensische Psychiatrie spezialisierte Gutachter, habe der Backnanger sofort wieder die erste Gelegenheit genutzt, um an Alkohol zu kommen. Nach zwei gescheiterten Aufenthalten in Entziehungsanstalten halte er einen dritten für wenig Erfolg versprechend, sondern sehe vielmehr die Gefahr weiterer Straftaten als gegeben an, wenn der Backnanger auf freien Fuß komme. Bei Letzterem handele es sich um eine Person, bei der die Decke ziemlich dünn sei, analysierte der Experte auch das Prozessverhalten des Angeklagten und warnte im Gerichtssaal: „Etwas schärfer befragt, würde er sofort durch die Decke gehen.“

Das Vorstrafenverzeichnis des Angeklagten umfasst 19 Einträge

Immer wieder Ladendiebstähle, Körperverletzungen und Beleidigungen, verlas Richterin Basoglu das 19 Einträge umfassende Vorstrafenverzeichnis des Angeklagten, bevor sie plädieren ließ: die Stuttgarter Staatsanwaltschaft auf elf Monate Gefängnis und den Verteidiger auf eine bewährungsfähige Strafe. Letzterer sah in Sachen Sozialisierung in einer „bloßen Verwahrung“ seines Mandanten weniger Sinn als in der Hilfe der justiznahen Dienste von „Prävent Sozial“, von der Mitarbeiter im Sitzungssaal anwesend waren.

Richterin Basoglu sah am Ende allerdings keine Möglichkeit, eine Bewährung oder gar eine dritte Therapie auf Staatskosten zu geben. Der Backnanger hatte sich im aktuellen Fall zwar bei allen Frauen entschuldigt, aber in der Vergangenheit keine Bewährung durchgestanden. Zwei Sätze aus der Urteilsbegründung: „Zu einer nochmaligen Chance reicht es nicht. Ich habe eher die Befürchtung, dass sich das Szenario fortsetzt. Wenn jemand so uneinsichtig und so unwillig ist, halte ich eine nochmalige Therapie auf Staatskosten für sehr zweifelhaft.“

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Erstellt:
23. Januar 2023, 06:00 Uhr

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