Die Paulinenpflege wird 200 Jahre alt

Am 3. Mai startet die Paulinenpflege mit ihrem Jubiläumsempfang die bunten Feierlichkeiten zum 200-jährigen Bestehen. Aus elf bedürftigen Kindern in Winnenden sind rund 4000 Maßnahmeplätze im Großraum Stuttgart geworden

Als Kinderheim wurde die Paulinenpflege ursprünglich gegründet. Fotos: Paulinenpflege

Als Kinderheim wurde die Paulinenpflege ursprünglich gegründet. Fotos: Paulinenpflege

Rems-Murr. Was als „Pflanzschule für das Reich Gottes“ begann – so bezeichnete Gründer Friedrich Jakob Heim die Paulinenpflege vor 200 Jahren – hat sich zu einem der größten Sozialunternehmen im Großraum Stuttgart entwickelt. Diese Vision hatte der damalige Winnender Ortspfarrer sicherlich nicht vor Augen, als er im August 1823 elf bedürftige Kinder in das sogenannte „Rettungshaus“ aufgenommen hatte. Recht prominent war bereits die Namensgeberin der neu gegründeten Einrichtung: Königin Pauline von Württemberg, die mit ihrem Wohltätigkeitsverein die Paulinenpflege auch finanziell unterstützte.

Eine Besonderheit der Arbeit der Paulinenpflege war, dass fast von Anfang an schon gehörlose Kinder unter den Klientinnen und Klienten waren. Und so ist die diakonische Einrichtung bis heute unter anderem der Unterstützung von gehörlosen Menschen verpflichtet, etwa im Berufsbildungswerk, in der Schule beim Jakobsweg oder auch in Wohnangeboten und Werkstätten für mehrfachbehinderte erwachsene Menschen.

Weiter ausdifferenziert hat sich auch die Kinder- und Jugendhilfe – inzwischen hat die Paulinenpflege von Kitas über Jugendwohngruppen und Schulsozialarbeit bis hin zu Unterstützungsangeboten in Familien vor Ort zahlreiche Unterstützungsangebote für junge Menschen. Neu dazugekommen sind als Personenkreis in den vergangenen zwei Jahrzehnten Autisten. Insgesamt hat das Sozialunternehmen derzeit rund 4000 Maßnahmeplätze und zusätzliche ambulante Unterstützungsangebote an verschiedenen Standorten im Rems-Murr-Kreis und in Stuttgart.

Das Motto der Jubiläumsfeier lautet: „Weil das Leben bunt ist“

„Gemeinsam ist allen Angeboten, dass wir Menschen mit Unterstützungsbedarf jeden Alters ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben ermöglichen wollen. Dabei spielt die Teilhabe an allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens eine sehr wichtige Rolle. Unsere Klientinnen und Klienten brauchen und wollen kein Mitleid, vielmehr bereichern sie die Gesellschaft und machen unser aller Leben bunter mit ihren Besonderheiten“, sagt Vorstand Andreas Maurer. Und so feiert die Paulinenpflege ihre 200 Jahre sehr treffend unter dem Motto „Weil das Leben bunt ist“.

Die Sprachbildung gehörloser Schüler gehörte früh zum Repertoire.

Die Sprachbildung gehörloser Schüler gehörte früh zum Repertoire.

Start ist am 3. Mai 2023 mit dem Jubiläumsempfang der Paulinenpflege im Kärcher-Auditorium. Weiter geht es mit dem inklusiven Festival „Pauline bebt!“ am 6. und 7. Mai mitten in Winnenden, dem Jubiläumsjahresfest am 25. Juni in Winnenden-Schelmenholz sowie mit einem Jubiläumsgottesdienst zum Gründungstag am 6. August in der Schlosskirche Winnenden. „Wichtig ist uns, dass im Jubiläumsjahr wirklich alle in der Paulinenpflege mitfeiern können. Deshalb gibt es große öffentliche Feste und Veranstaltungen genauso wie kleinere interne Begegnungsevents an vielen unserer Standorte“, so Andreas Maurer.

Zu den Jubiläumsaktivitäten gehört auch eine bunte Jubiläumsausstellung, die mit verschiedenen Erfahrungsthemenfeldern im Herbst eröffnet werden soll. Wer sich ausführlich über die 200-jährige Geschichte der Paulinenpflege informieren möchte, kann dies mit dem im Juli erscheinenden Jubiläumsbuch tun.

Der Autor, Pfarrer Dietrich Hub, beschreibt die Geschichte der Paulinenpflege in historische Entwicklungen eingebettet mit vielen Einblicken und Anekdoten. Vorstand Andreas Maurer ist es dennoch wichtig, dass nicht nur nach hinten geschaut wird: „Wir wollen im Jubiläumsjahr nicht nur in Erinnerungen schwelgen, sondern auch in die Zukunft schauen. Wir haben in den 200 Jahren viele Erfahrungen gesammelt, die uns kompetent und auch innovativ machen, damit wir uns den Herausforderungen der nächsten Jahre stellen können. Ich bin beeindruckt, wie viele Krisen in zwei Jahrhunderten überwunden werden konnten – zuletzt auch die Corona- und Energiekrise. Das macht mich sehr zuversichtlich.“

Optimistisch stimmt den Vorstand auch das Bild der Pflanzschule vom Paulinenpflege-Gründer: „Die Pflanzschule für das Reich Gottes passt auch heute noch für unsere Einrichtung. Eine Pflanzschule hat viele verschiedene bunte Pflanzen, die ihr eigenes Leben haben, und wir unterstützen mit Gottes Hilfe. Mit diesem diakonischen Geist mit großer Offenheit wollen wir auch in die nächsten Jahre gehen“, sagt Maurer. pm

Website Alle Jubiläumsveranstaltungen sind auch online zu finden unter www.200jahre.paulinenpflege.de.
Armenhaus in Winnenden wird zum Kinderheim umgebaut

Gründungszeit Weitere historische Infos aus der Gründungszeit, zusammengestellt von Autor Dietrich Hub:

Privatverein Verwahrloste Kinder wollte der Winnender Pfarrer Friedrich Jakob Heim retten. Deshalb rief er 1822 den „Privatverein zur Erziehung verwahrloster Kinder“ ins Leben. Mitglieder dieses Vereins wurden Winnender Bürger.

Armenhaus Die Kinder wurden in „ehrbaren“ Familien aufgenommen und sollten dort versorgt und erzogen werden wie eigene Kinder. Diese Familien waren aber sehr schnell überfordert mit den fremden Kindern, die an keinerlei Ordnung gewöhnt waren. So beschloss man, die „Zöglinge“ unter Leitung eines Hausvaters und seiner Frau im bisherigen Winnender Armenhaus unterzubringen.

Rettungshaus Pfarrer Heim ließ das Winnender Armenhaus umbauen, um es als Kinderheim nutzen zu können. Im August 1823 zog der Hausvater und Lehrer Gottlieb Schmidt mit elf Kindern ins ehemalige Armenhaus ein. Seitdem wurde das Haus, welches bis 1985 an der Ecke Ringstraße/Paulinenstraße bestand, Rettungshaus genannt.

Gehörlose Kinder Für die Kinder gab es einen eigenen Schulunterricht. Bald kamen gehörlose Kinder dazu. Für diese gehörlosen Kinder wurde ein eigener Unterricht erteilt. Die Paulinenpflege wurde Teil der „Rettungshausbewegung“: Christlich gesinnte Menschen schlossen sich zusammen, um verwahrlosten Kindern den Weg in eine bessere Zukunft zu ebnen.

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Erstellt:
7. März 2023, 06:00 Uhr

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