Vatertag und Muttertag im Doppelpack

In diesem Jahr liegen die beiden Feste, an denen traditionell jedes Elternteil für sich gefeiert wird, nur drei Tage auseinander. Zwei Regenbogenfamilien, in denen zwei Mütter beziehungsweise zwei Väter die Eltern sind, geben Einblicke, wie sie diese Feiertage begehen.

Die Mütter Marina (links) und Andrea Bohn feiern mit ihren Söhnen Henry, Hugo und Hannes den Muttertag und Vatertag jeweils als Familientag. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Mütter Marina (links) und Andrea Bohn feiern mit ihren Söhnen Henry, Hugo und Hannes den Muttertag und Vatertag jeweils als Familientag. Foto: Alexander Becher

Von Nicola Scharpf

Weissach im Tal/ Winnenden. Ja, Familie Bohn aus Weissach im Tal, bestehend aus den beiden Müttern Marina und Andrea sowie den drei Söhnen Henry, Hugo und Hannes, feiert den Vatertag. Und ja, Familie Pivoto Bolter aus Winnenden, bestehend aus den beiden Vätern Mathias und Marcelo sowie Tochter Emma, feiert den Muttertag. Nicht klassisch und klischeebehaftet, sondern aufgebrochen als Familientag. Dass der Elterntag an die Stelle von Vater- und Muttertag treten soll, würden beide Familien für angemessen halten – nicht weil Regenbogenfamilien eine Extrabehandlung wollen, sondern weil mit dieser Denkweise allen geholfen wäre. Für wen bastelt ein Kind am Vatertag, wenn es bei der alleinerziehenden Mutter aufwächst? Wird ein Kind, dessen Mutter verstorben ist, am Muttertag nicht jedes Mal damit konfrontiert? In einem Elterntag könnten sich alle wiederfinden. „Lass uns alle mitdenken“, findet Mathias Pivoto Bolter. „Es ist schön, wenn es einen neuen Impuls gibt, ohne die eigenen Werte dabei zu vergessen.“

Hürdenreiche und bürokratische Wege zum Familienglück

Mathias und Marcelo Pivoto Bolter sind vor neun Jahren Eltern geworden – Papai (portugiesisch für Papa) Marcelo und Papa Mathias. Die beiden sind seit fast 25 Jahren ein Paar, ihr Familienwunsch ist am Anfang erst lose, konkretisiert sich im Lauf der Jahre. Pflegschaft? Adoption? Co-Parenting? Leihschwangerschaft? Mehrere Möglichkeiten ziehen sie in Betracht, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Am Ende tritt Emma in ihr Leben: Das brasilianische Mädchen kommt im Alter von zwei Tagen zu ihnen in die Familie. In Brasilien, dem Heimatland von Marcelo Pivoto Bolter, werden mehr Kinder zur Adoption freigegeben als es Eltern gibt, die ein Kind adoptieren wollen. Über diesen Weg adoptiert zunächst Marcelo Pivoto Bolter Baby Emma und anschließend, dann in Deutschland, adoptiert Mathias die Tochter seines Mannes.

Wenn Emma ihre Väter Marcelo (links) und Mathias Pivoto Bolter mit Gebasteltem beschenkt, darf sie gleich zweimal kreativ sein. Foto: privat

© Familie Pivoto Bolter

Wenn Emma ihre Väter Marcelo (links) und Mathias Pivoto Bolter mit Gebasteltem beschenkt, darf sie gleich zweimal kreativ sein. Foto: privat

Andrea und Marina Bohn, die sich seit fast 18 Jahren kennen und seit bald 14 Jahren verheiratet sind, sind vor knapp sechs Jahren Eltern geworden, als Henry und Hugo auf die Welt kamen. Seit zwei Jahren haben die Zwillinge einen kleinen Bruder, Hannes. Ihre Mütter haben sich ihren Kinderwunsch mittels Samenspende erfüllt. Es war für sie ein hürdenreicher, bürokratischer, mitunter nervenaufreibender und kostenintensiver Weg zum Familienglück. Umso mehr genießen es Andrea und Marina Bohn, wenn sie freie Zeit gemeinsam mit ihren drei Jungs verbringen können. Muttertag feiern sie nicht um des Muttertags willen, sondern weil sie mit ihrer Rasselbande einen Ausflug unternehmen können. Wenn die Jungs größer sind und am Muttertag sagen würden: „Liebe Mamas, bleibt liegen, wir machen für euch das Frühstück“, wäre das Andrea und Marina Bohn willkommen. Auch den Vatertag nutzen sie als Familientag. Hugo hat sich schon im Alter von zwei Jahren nach seinem Papa erkundigt. Seine Mütter gehen offen damit um, dass der Vater ein ihnen nicht persönlich bekannter Mann aus Dänemark ist, der seinen Samen gespendet hat. Die Kinder kennen ihn von Fotos. Wenn sie wollen, dürfen sie ihn im Alter von 18 Jahren in echt kennenlernen, so ist es mit der Samenbank vereinbart.

Ein Treffpunkt für Regenbogenfamilien

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Als Regenbogenfamilie werde man entweder nicht beachtet oder stehe im Zentrum der Aufmerksamkeit, so die Erfahrung von Mathias Pivoto Bolter. „Da wird genau hingeguckt: Können die das? Man muss es immer ein bisschen besser machen, sich rechtfertigen und Beweise bringen.“ Dabei seien Kinder in Regenbogenfamilien immer Wunschkinder. Im Hintergrund laufe immer erst die Reflexion der Eltern und dann ein langer juristischer Prozess: Notariat, Familiengericht; das Jugendamt kommt zum Prüfen. „Braucht man das alles bei Wunschkindern?“ Diskriminierung habe für ihn strukturelle Natur. Auf persönlicher Ebene funktioniere es. „Wir haben nie schlechte Erfahrungen gemacht, meine Ängste haben sich nie bewahrheitet.“

Neben seiner Tätigkeit beim Gesundheitsamt des Rems-Murr-Kreises arbeitet der Sozialpädagoge Mathias Pivoto Bolter auch für Berta in Stuttgart. Berta ist ein Ort für homo- und bisexuelle, Trans-, Inter- und queere (werdende) Eltern. Hier treffen sich Regenbogenfamilien, tauschen sich aus und lassen sich beraten. So weiß Pivoto Bolter aus seiner Beratungspraxis, dass es Paaren und Einzelpersonen mit Kinderwunsch oft nicht nur um rechtliche Dinge geht, sondern um die großen Fragen und vielen Ängste, die sich dahinter verbergen. Mathias Pivoto Bolter kennt sie aus eigener Erfahrung: „Wie wird es am Muttertag sein? Was passiert in einem gefühlt konservativen Umfeld wie dem unsrigen in Winnenden-Schelmenholz? Wie wird es in dem katholischen Kindergarten, in dem Emma angemeldet ist?“

Mit befreundeten Familien und Bollerwagen unterwegs

Als dann der Kindergarten einmal zu einem Fest anlässlich des Muttertags einlädt – mit geschmücktem Garten und Geschenken für die Mütter, die von ihren Kindern massiert werden – nimmt Mathias’ Mann daran teil und „war total willkommen“. „Die Pädagogen haben es auf dem Schirm und fragen uns: Wie handhabt ihr es am Muttertag? Wie ist es für euch stimmig?“ Emma hat einmal ein Gipsherz zum Muttertag gebastelt. Ihre Väter sind sich einig: Es ist eindeutig Emmas leiblicher Mutter in Brasilien, die das Mädchen bereits dreimal treffen konnte, gewidmet. Zum Vatertag hat Emma einmal eine Art Parkscheibe für liebevolle Gefühle gebastelt und mit dem Schriftzug „Alles Liebe zum Vatertag“ versehen. „Da hatte sie doppelte Arbeit und musste liefern“, schmunzelt Mathias Pivoto Bolter. Sowohl den Muttertag als auch den Vatertag feiern sie als Familientag: Die drei waren schon mit dem Bollerwagen und befreundeten Familien unterwegs oder sie treffen sich mit Freunden im Schrebergarten oder unternehmen andere Ausflüge. Die sozialen Rollen seien in Regenbogenfamilien nicht so eingefahren, es werde mehr verhandelt, die Aufgaben seien egalitärer verteilt. „Es gibt weniger Rollenvorbilder, an denen sich Kinder orientieren können, aber auch mehr Freiräume.“

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Erstellt:
8. Mai 2024, 06:00 Uhr

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