Vorsicht vor überteuerten Haustürgeschäften
Ein Senior aus Allmersbach im Tal wird von zwei fremden Männern vor seinem Haus angesprochen. Das Duo gibt vor, einen Moos- und Algenentferner zu verwenden, und kassiert ordentlich ab. Haustürgeschäfte sind nicht verboten. Deswegen sind der Polizei die Hände gebunden.
Von Florian Muhl
Allmersbach im Tal. „Mein fast 90-jähriger Vater wurde heute Nachmittag, gemütlich auf seiner Bank vor dem Haus sitzend, von zwei Männern aus Frankreich überredet, eine Fassade seines Hauses reinigen zu lassen. Dauer: eine Stunde, mit einem stark nach Chlor riechenden Mittel, Kosten: 500 Euro!!!“ Mit diesem Hilferuf wandte sich dieser Tage Sabine Schneider (Name geändert) an unsere Redaktion.
„Wir können kaum glauben, dass solche Geschäfte legal sind, moralisch sind sie jedenfalls hoch verwerflich“, so die BKZ-Leserin weiter. Folgende Bitte formulierte Sabine Schneider: „Ich denke, man sollte vor allem die älteren Einwohner vor solchen Geschäftemachern warnen. Könnten Sie eine Warnung in ihrer Zeitung bringen?“
Dass an jenem Tag zwei Männer aus einem blauen Mercedes-Kombi mit französischem Kennzeichen aussteigen und den betagten Mann wegen der Reinigungsarbeiten ansprechen, bekommt die Enkelin des Seniors mit, die ganz in der Nähe wohnt. Sie informiert umgehend ihren Vater und der wiederum seine Schwester, Sabine Schneider, die ihrerseits die Polizei anruft und sich dann aufs Fahrrad schwingt, um zum Ort des Geschehens zu radeln. Dort angekommen, trifft sie auf die beiden fremden Männer, die gut bis perfekt Deutsch sprechen und sich bereits mitten in den Reinigungsarbeiten befinden. „Es stank überall kräftig nach Chlor“, erinnert sich die BKZ-Leserin.
Welcher Moos- und Algenentferner verwendet wurde, ist ungewiss
Ihrem Vater hätten sie ein Produktdatenblatt eines Markenprodukts unter die Nase gehalten, das sie bei ihrer Arbeit angeblich verwenden würden. Demnach sei der Moos- und Algenentferner „Sikagard 715W“ im Einsatz. Auf der Homepage der Firma, die ihren Sitz in Ingolstadt hat und nach eigenen Angaben „unterwegs in ganz Deutschland“ ist und Reinigungs-, Renovierungs- und Malerarbeiten anbietet, steht allerdings folgendes: „Wir verwenden eine Mischung wie Sika. Unsere Mischung reagiert allerdings deutlich schneller wie das Sika-Original.“ Das eigene Produkt habe eine schnelle Reaktionszeit von fünf bis zehn Minuten und sei für die Entfernung von Algen, Schimmel, Pilzen, Flechten und Moos geeignet. Zudem die Information: „Wir verwenden zirka drei Prozent Chlor.“
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Mittlerweile sind auch die informierten Polizeibeamten eingetroffen. Sie befragen die beiden Dienstleister sowie auch den Hausherrn. Sabine Schneider ist enttäuscht: „Sie konnten leider nichts Unerlaubtes feststellen.“ Die BKZ-Leserin ist auch frustriert: „Das kann doch nicht wahr sein, dass ein alter Mann dermaßen übers Ohr gehauen wird und dass das am Ende noch erlaubt ein soll. Das ist doch perfide.“
Unnötige und überteuerte Dienstleistungen
Die Masche ist nicht neu. Immer wieder berichtet unsere Zeitung von übers Land ziehenden Teerkolonnen, angeblichen Dachdeckern und Fassadenreinigern, die von Haustür zu Haustür gehen. Meistens schwatzen sie alten Leuten irgendwelche Dienstleistungen auf, die unnötig und/oder völlig überteuert sind.
„Insgesamt ein heikles Thema“, kommentiert Rudolf Biehlmaier den geschilderten Fall. „Grundsätzlich ist das Vorgehen dieser Handwerker – geschlossene Verträge außerhalb von Geschäftsräumen, im Volksmund Haustürgeschäfte – nicht verboten“, so der Pressesprecher des auch für den Rems-Murr-Kreis zuständigen Polizeipräsidiums Aalen weiter. „Deshalb können wir als Polizei nicht pauschal davor warnen.“
Wie Rudolf Biehlmaier erläutert, muss jeder Einzelfall strafrechtlich bewertet werden, ob möglicherweise ein Betrug, Wucher oder Ähnliches vorliegen könnte. Es gebe beispielsweise die Möglichkeit, den geschlossenen Vertrag zivilrechtlich von einem Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Möglicherweise seien derartige Verträge wegen fehlender Belehrungen über das Widerrufsrecht ungültig. Dies zu beurteilen sei aber nicht Aufgabe der Polizei.
Weil er nicht genügend Bargeld hat, besteht der Senior auf eine Rechnung
Im geschilderten Fall ist außer der Ausgabe von 500 Euro, die Sabine Schneider für eine Stunde Arbeit als völlig überzogen erscheint, offensichtlich nicht passiert Der Senior vermisst keine Wertgegenstände und ist mit der Arbeit der zwei Reisenden zufrieden. Die eine Hausfassade des zweigeschossigen Wohnhauses inklusive Giebel ist sauber geworden.
Der fast 90-Jährige hat auf eine Rechnung bestanden, da er nicht so viel Bargeld im Haus hatte. „Die beiden Arbeiter sagten dann, wenn er es am nächsten Tag nicht gleich überweisen würde, würden sie morgen wiederkommen“, schildert Sabine Schneider abschließend. Auch wenn ihr Vater sich angesichts des Vorfalls nicht beklagen will, sie, die Tochter, sei noch immer fassungslos darüber, wie fremde Menschen auf diese entsetzliche Weise Seniorinnen und Senioren hereinlegen würden.
Vorsichtsmaßnahmen Folgende Tipps und Ratschläge gibt die Polizei bei Haustürgeschäften:
Kaufen oder unterschreiben Sie niemals etwas an der Haustür. Die angebotenen Gegenstände oder Handwerkerleistungen sind meist geringwertig.
Lassen Sie unaufgefordert kommende „Vertreter“ oder „Verkäufer“ nicht in Ihre Wohnung.
Wenn Sie doch etwas kaufen möchten, zahlen Sie nie per Vorkasse, also bevor Sie die Ware erhalten haben. Unterschreiben Sie nichts unter Zeitdruck, lassen Sie sich nicht verwirren oder unter Druck setzen.
Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht ganz genau verstanden haben.
Achten Sie bei Haustürgeschäften auf das richtige Datum und die Unterschriften.
Dokumentation Notieren Sie sich diese Angaben:
Wie heißt die Firma, die Sie beauftragt haben (Adresse und Telefonnummer der Firma)?
Mit wem haben Sie telefoniert?
Wer hat den Auftrag vor Ort ausgeführt?
Wurde Ihnen im Voraus ein Preis für die Leistung genannt? Wenn ja, welcher?
Welche Arbeiten wurden tatsächlich ausgeführt?
Gibt es Zeugen, die Ihre Angaben bestätigen können?
Informationen Weitere Infos der Polizei gibt es unter: https://t1p.de/i1ruj und https://t1p.de/wjtjz